Amed unter Zwangsverwaltung: Ein Bericht über die Auswirkung auf kulturelle Institutionen und Frauenorganisationen an zwei Beispielen

Bericht einer Delegationsreise, 31.03.2017

Seit der türkische Staat die Stadt unter Zwangsverwaltung gestellt hat, die Bürgermeister_innen der Stadt sowie viele der Repräsentant_innen von HDP und DBP inhaftiert hat, haben sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Amed (Diyarbakir) stark verschlechtert. Nicht nur haben sehr viele Menschen ihre Jobs verloren, auch wurden fast alle kulturellen und sozialen Einrichtungen verboten und ihre Büros geschlossen, nachdem sie von Polizeikräften durchsucht wurden. Um den Verlust der Räumlichkeiten zu umgehen, haben einige beschlossen, sogar schon vorher umzuzuziehen.

Die Frauenakademie befand sich an einem der schönsten Orte in Sur. Ein Hof mit einem großen Feigenbaum und Rosensträuchern, eingeschlossen von einem historischen Gebäude mit mehreren Räumen, beherbergte Jineolojî-Kurse, Nachbarschaftstreffen und Diskussionsveranstaltungen. Frauen kamen zusammen, um sich bei Tee über ihre Belange und Aktivitäten auszutauschen. Um der Gefahr zu entgehen, gezwungen zu werden, diesen Ort zu verlassen, ist die Frauenakademie selbst ausgezogen. Gerade muss sie sich mit einer kleinen, dunklen Wohnung zufrieden geben, die ihrem Bedarf überhaupt nicht entspricht. In den kleinen Raum passen kaum acht Leute, was ihre Arbeit sehr einschränkt. Da die Stadtverwaltung in der Hand der AKP Treuhänder ist, bekommen Institutionen wie die Frauenakademie gar keine Gelder mehr. Zusätzlich leiden die Mitglieder unter Geldproblemen, weil sie auch aus ihren Jobs (zum Bsp. als Lehrer_innen) entlassen wurden. Da einige durch die Gesetze des Ausnahmezustands gefeuert wurden, ist es ihnen auch verboten, direkt oder indirekt im öffentlichen Dienst zu arbeiten, was ebenfalls ausschließt, dass sie im Vorstand der Akademie sein dürfen. In diesen Tagen Ende März waren alle mit den Vorbereitungen für Newroz beschäftigt. Teil davon war, aktiv für ein „Nein“ im Referendum zum Präsidialsystem am 16. April zu werben. Dass so viele Menschen, Berichten zufolge rund eine Million, am Newroz-Fest teilgenommen haben, ist für sie ein zufrieden stellendes Ergebnis. Der Tod von Kemal Kurkut, ein junger Student, der am Newrozmorgen von Polizeikräften erschossen wurde, überschattet dieses Gefühl. Er offenbart einmal wieder die Brutalität des Staates gegenüber dem kurdischen Volk. Doch Kemal und die Zahl der Menschen, die trotz der täglichen Gewalt des Staates gekommen sind, um Newroz zu feiern, sind der Beweis des andauernden Widerstandes.

Irgendwann wollen die Frauen der Frauenakademie wieder zurück an ihren alten Ort ziehen, aber, vor allem hinsichtlich des bevorstehenden Referendums, bleibt die Zukunft ungewiss. „Wir machen keine Pläne für nach dem 16. April.“, sagen sie. Bis dahin können sie die Räume der Gewerkschaften für Meetings und Kurse nutzen, bis sie einen geeigneteren Ort für ihre Arbeit gefunden haben.

Die Kunstakademie in Amed wurde vor sechs Jahren gegründet. Bis die Treuhänder in die Stadtverwaltung berufen wurden, befand sie sich im Cegerxwîn Kulturzentrum, ein großes Gebäude in der Nähe des Orman Parks, zugehörig zur Stadtverwaltung Diyarbakir. Als sie von der Regierung geschlossen wurde, wurden die Räume von Polizeikräften durchsucht und nichts der Ausstattung durfte beim Verlassen mitgenommen werden. Lehrer_innen und Ausbilder_innen wurden gefeuert. Der derzeitige Standort ist ebenfalls viel kleiner. Das ist einer der Gründe, warum es der Akademie unmöglich ist, so viele Aktivitäten anzubieten wie zuvor. Derzeit können die Student_innen nur ein dreijähriges Studium in den Studienrichtungen Malerei und Film abschließen. Wenn sie ihr Studium abgeschlossen haben, sind sie dazu angehalten, Ausbilder_innen in der Akademie zu werden. Gerade sind es 50 Student_innen, die diese Fächern studieren. Zusätzlich nehmen weitere 150 Menschen regelmäßig an Kursen in Malerei, Film, Fotografie, Musik und Tanz teil. Bevor die Akademie geschlossen wurde, gab es ein ganztägiges Programm. Kurse fanden von morgens bis abends statt. Jetzt ist es nur möglich, halbtags Kurse anzubieten. Ein Grund dafür sind fehlende Ausbilder_innen. Einige haben auf Grund der Repressionen einfach Angst, für die Akademie zu arbeiten oder sie können die Zeit nicht mehr aufbringen, da sie auf zusätzliche Jobs angewiesen sind. Ein anderer Grund ist, dass es keine Gelder gibt, um Student_innen aus anderen Städten aufzunehmen oder überhaupt ein Mittagessen anzubieten. Deshalb ist auch eine geringere Anzahl an Student_innen zu verzeichnen. Von den Subventionen der Stadtverwaltung ausgenommen zu sein, führt zu Geldproblemen auf allen Ebenen. Das verlorene Equipment konnte noch nicht ersetzt werden, was Arbeit und Studium erschwert.

Trotz all der materiellen und finanziellen Schwierigkeiten, geben sich die Mitarbeiter_innen und Student_innen große Mühe, die Räumlichkeiten passend für die Akademie zu gestalten. Ihre Motivation und ihr Engagement zeigen nicht zuletzt die Widerstandskraft der Kurd_innen im Kampf in der Region. Immer wenn es um die derzeitigen politischen Entwicklungen geht, teilen wir den gleichen Gedanken: Wir werden gewinnen.