Im Hungerstreik für die Befreiung aus dem “Keller der Grausamkeit”

HDPPressemitteilung der Demokratischen Partei der Völker (HDP), 30.01.2016

In den letzten vier Tagen haben wir jede nur erdenkliche Anstrengung unternommen um dafür zu sorgen, dass unsere schwer verletzten und toten Bürgerinnen und Bürger, welche in einem Keller in Cizre eingeschlossen sind in ein Krankenhaus gebracht werden. Unsere Bemühungen zu klären was in diesem sogenannten „Keller der Grausamkeit“ passiert haben den ganzen Tag angedauert. Medizinische Teams und der Krankenwagen der Stadtverwaltung, der die ganze Zeit auf seinen Einsatz an der Stadtverwaltung von Cizre wartete, brach am Morgen des 30.01. um 9:30 zu dem Gebäude in dem sich die Verletzten befinden auf. Vorher waren die nötigen Genehmigungen vom Krisenstab unter Leitung des Premierministers, des Innenministeriums und des Gesundheitsministeriums eingeholt worden. Auf unsere Anfrage hin schlossen sich die Krankenwagen des Gesundheitsministeriums dem unseren an. Uns wurde mitgeteilt, dass wir nur 150-200m entfernt von dem Gebäude halten dürften und die Toten und Verletzten zu den Wagen tragen könnten. Während die Krankenwagen unterwegs waren, hatten wir ununterbrochenen Telefonkontakt mit dem Krisenstab und den Verwundeten im Keller. Als die Krankenwagen den Zielpunkt erreicht hatten, informierte uns das Gesundheitsministerium, dass es noch 15 Minuten dauern würde und die Verwundeten dann aus dem Keller kommen könnten und zu den Krankenwagen gebracht würden. Während wir auf die Erlaubnis warteten, waren wir im permanenten Telefonkontakt mit den Verwundeten im Keller. Nachdem eine halbe Stunde vergangen war und wir immer noch keine Erlaubnis erhalten hatten, hörten wir Schüsse und Explosionen aus dem Keller über die Telefonverbindung. Wir hörten die Verwundeten schreien: „Auf uns wird geschossen und Bomben wurden hereingeworfen. Sie werden uns umbringen. Helft uns. Was sagen sie?” Wir konnten eine Tonaufzeichnung von diesen Momenten anfertigen. Wir ließen auch die staatlichen Autoritäten diese Explosionen und Schreie um Hilfe hören. Obwohl die Behörden sagten, die notwendigen humanitären Interventionen würden sofort erfolgen, passierte in der Zeit in der im Telefonkontakt mit den Verwundeten waren nichts. Nach dem ersten Angriff konnten wir nur noch zweimal in Zeitabständen mit den Verwundeten Telefonkontakt aufnehmen. In diesen Gesprächen erklärten die Verwundeten, sie wären unter Geröll gefangen und könnten kaum atmen oder sich bewegen, geschweige denn das Haus aus eigener Kraft verlassen. Sie teilten uns auch mit, dass gerade einer von ihnen verstorben sei. Nach diesem letzten Anruf verloren wir den Telefonkontakt zu ihnen vollkommen. Von diesem Moment an, bis zu diesem Augenblick sind uns die Kommunikationswege mit ihnen verschlossen.

Die Mitglieder des Krisenstabs  wurden von uns über diese Entwicklungen informiert und erklärten, dass keine militärische Intervention in dem Gebäude zur Diskussion Stünde und dass es daher auch keinen Schutt geben könne, die Verwundeten sollten das Gebäude aus eigener Kraft verlassen. Nach diesen Ereignissen riefen wir mehrfach das Innenministerium, das Ministerium des Premierministers und den Krisenstab an, um unsere Sorge um das Leben aller Verwundeten zum Ausdruck zu bringen und zu empfehlen, dass die Eingeschlossenen von außen durch Rettungsteams befreit werden müssten. Trotz unserer Beharrlichkeit erklärte uns der Krisenstab, dass weder Rettungs- noch Sanitätsteams die Erlaubnis erhalten würden zu diesem Ort vorzudringen und dass dies sowieso unmöglich sei. Auch unsere Anfrage, dass zwei Mitglieder der Stadtverwaltung und zwei Sanitäter dorthin gehen dürften um die Situation zu untersuchen wurde zunächst abgelehnt. Nachdem wir uns an das Innenministerium gewandt hatten konnten dennoch zwei Mitglieder der Stadtverwaltung und zwei Sanitäter zum Keller aufbrechen. Aber aufgrund des plötzlichen Anstiegs von Schüssen und Detonationen  erklärten uns der Gouverneur von Cizre und das Gesundheitsministerium, dass sie nicht für die Sicherheit ihrer Leute garantieren könnten und der Versuch wurde erneut unterbunden.  Die Behörden bestanden darauf, dass sie die Sicherheitskräfte nicht dazu veranlassen könnten, das Feuer in der Umgebung einzustellen und das der einzige Zugang über das Schussfeld verlaufe. Aufgrund des andauernden Gewehrfeuers zogen sich die Ambulanzen des Gesundheitsministeriums, wie auch der Stadtverwaltung von Cizre gegen 15:00 zurück. Die Namen der Verletzten sind öffentlich, wie auch der Regierung bekannt gegeben worden.  Wir möchten hier noch einmal deutlich machen, dass nach universellen Normen, dem internationalen Recht und dem Urteil der Geschichte, der AKP Staat die letzte Verantwortung für den Fall, dass die Verwundeten ihr Leben verlieren tragen wird. Es scheint, dass diejenigen, welche die Verletzten so schnell wie möglich zum Krankenhaus bringen sollten, versuchen Hinrichtungen zu legitimieren und sich so dieser Verantwortung zu entziehen. Aus diesem Grund rufen wir die internationale und nationale Öffentlichkeit auf, diese Situation aufmerksam zu verfolgen und bitten jeden an der Seite des Lebens und der Menschlichkeit im Angesicht dieses Jahrhundertverbrechens zu stehen.

Wir schließen, heute an unserem vierten Tag im Hungerstreik, mit der Ankündigung, unseren Kampf für einen sicheren Transport der Menschen aus diesem Keller der Grausamkeit entschlossen weiter fortzusetzen.

 

Stellvertrender Vorsitzende der Fraktion der HDP

*İdris BALUKEN*

**

*Abgeordnete der HDP für Adana

*Meral Danış BEŞTAŞ*

**

*Abgeordneter der HDP für Urfa

*Osman BAYDEMİR*

**