“…aus dem Widerstand in Kobane resultierende Veränderungen zugunsten der Kurden will das Regime nicht hinnehmen”

hasakah_asayishMutlu Civiroglu interviewt Dr. Abdulkerim Omer, 19.01.2015

Am 17. Januar 2015 entfachten in der nordsyrischen Stadt Al-Hasaka Gefechte zwischen den Soldaten des Assad-Regimes und der YPG. Dr. Abdulkerim Omer, Verantwortlicher für Auswärtige Angelegenheiten des Kantons Cizir in Rojava, äußerte sich in einem Interview zu diesem Vorfall.

Dr. Abdulkerim Omer: Das Regime greift mit schwerem Geschütz die Zivilbevölkerung kurdischer Viertel an. Die YPG, die Asayish und die Bevölkerung von Hasaka reagieren auf diese Angriffe und haben bereits zahlreiche wichtige Kontrollposten des Regimes unter ihre Kontrolle gebracht. Die Situation ist noch sehr angespannt.

Mutlu Civiroglu: Warum glauben Sie greift das Regime jetzt an?

Dr. Abdulkerim Omer: Das Regime hatte uns schon vorher bekämpft, aber die aus dem Widerstand in Kobane resultierenden Veränderungen zugunsten der Kurden will das Regime nicht hinnehmen. Die Regierung möchte einen Keil zwischen die kurdische und arabische Bevölkerung treiben. Dafür benutzt sie die hiesigen arabischen Stämme. Wir reden hier vom Assad-Regime, die gute Situation der Kurden, die Akzeptanz unserer Regierung durch die Bevölkerung und auch den internationalen Rückhalt akzeptiert sie nicht.

Mutlu Civiroglu: Was sind das für arabische Stämme, die das Regime instrumentalisiert? Wie stark sind diese Stäme?

Dr. Abdulkerim Omer: Die arabische Gesellschaft in Rojava ist keine organisierte Gesellschaft. Sie hat keine Parteien, viele arabische Jugendliche haben sich der Freien Syrischen Armee, der Al- Nusra und der ISIS angeschlossen, zahlreiche von ihnen sind dem Assad-Regime treu. Die meisten dieser arabischen Stämme haben nicht an der politischen Alternative (dem Konzept “Rojava”) partiziperen wollen, es sind womögliche keine 10 Prozent, die an unserer neuen Regierung in Rojava mitwirken. Die übrigen Stämme kollaborieren entweder mit dem Assad-Regime oder der ISIS.

Mutlu Civiroglu: Welche Stämme sind in Hasaka mächtiger, die regierungstreuen Stämme oder die Anhänger der ISIS?

Dr. Abdulkerim Omer: Innerhalb der Stadt befinden sich vorwiegend regierungstreue Stämme, in den übrigen Gebieten sind Stämme angesiedelt, die mit der ISIS sympathisieren.

Mutlu Civiroglu: Wie ist das Verhältnis zwischen diesen beiden Gruppen?

Dr. Abdulkerim Omer: In Syrien gibt nicht die Assad-Regierung den Ton an, sondern der Iran. Der Erfolg Westkurdistans (kurdisch “rojava” für Syrisch-Kurdistan) bedeutet auch einen Teilerfolg für Südkurdistan (kurdisch “baschur” für Irakisch-Kurdistan), Nordkurdistan (kurdisch “bakur” für Türkisch-Kurdistan) und Ostkurdistan (kurdisch “rojhilat” für Iranisch-Kurdistan). Deswegen wird unser Erfolg auch nicht hingenommen und bekämpft. Unsere Kämpfer gehen aber siegreich aus diesen Gefechten hervor. In Hasaka hatte das Assad-Regime bisher viele Kontrollposten, die jetzt unter der Kontrolle der YPG stehen. So stark sind sie hier nicht, hätte die YPG Hasaka nicht verteidigt, stünde dieser Ort unter dem Einfluss der ISIS.

Mutlu Civiroglu: Wie sieht die derzeitige Situation in Hasaka aus, hat die YPG sich zurückgezogen angesichts der neuen Auseinandersetzungen?

Dr. Abdulkerim Omer: Nein, in Hasaka zieht sich die YPG nicht zurück, im Gegenteil, viele Orte, die ehemals unter der Kontrolle der Assad-Truppen standen, werden nun von der YPG kontrolliert.

Mutlu Civiroglu: Was ist mit den Zivilisten?

Dr. Abdulkerim Omer: Es gibt Zivilisten, die die Stadt verlassen, aber die YPG, YPJ und die Asayish haben sich nicht zurückgeogen.

Mutlu Civiroglu: Es sollen Flugzeuge über der Stadt gesichtet worden sein, können Sie diese Angaben bestätigen?

Dr. Abdulkerim Omer: Auch ich habe davon gehört, aber sie wagen es nicht, aus der Luft anzugreifen. Wozu die YPG in der Lage ist, weiß das Regime. Die YPG hat in Kobane bewiesen, dass sie der ISIS gewachsen ist. Das Regime möchte uns daran erinnern, dass es noch existiert, aber auch wir werden wie in Kobane und Shingal siegreich sein. In der Stadt Lazike hatte das Regime sich zu Wort gemeldet und gesagt, die Regierung Rojavas sei nicht hinnehmbar, in Rojava würden die Kurden lediglich einen Bevölkerungsanteil von 36 Prozent ausmachen. Die arabischen Stämme finanziert das Assad-Regime, um seine Position klar zu machen, aber sie werden damit keinen Erfolg haben.

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Vom Kurdischen ins Deutsche übersetzt von https://twitter.com/ViyanKurd

Originallink zum Artikel: http://civiroglu.net/