Chronologie türkischer Angriffe auf Afrin im Jahr 2017

Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 24.01.2018

Die türkischen Angriffe auf Afrin haben nicht erst am vergangenen Samstag begonnen. Schon zuvor, vor allem im vergangenen Jahr hat das türkische Militär immer wieder Dörfer in Afrin angegriffen und versucht Teile des Gebiets zu besetzen. Im Folgenden eine unvollständige Chronologie türkischer Angriffe auf Afrin im Jahr 2017. Die Chronologie führt vor Augen, dass die Behauptung der türkischen Regierung, bei der sogenannten Offensive „Olivenzweig“ würde es sich um einen Verteidigungskrieg handeln, nicht der Wahrheit entspricht. Im Gegenteil.

Entsprechenden Berichten des Menschenrechtsvereins (Rêxistina Mafê Mirovan) in Afrin zufolge sind 2016 in der Region insgesamt 37 Zivilisten bei Angriffen des türkischen Militärs getötet worden. 33 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, seien im gleichen Zeitraum verwundet worden. Außerdem habe die türkische Armee 14 Tausend Olivenbäume in der Grenzregion gefällt.

Der Menschenrechtsverein Rojava hat in einem umfassenden Bericht am 20. Mai 2017 diese Zahlen aktualisiert wiedergegeben. Demnach sind in Afrin seit Beginn des Konflikts in Syrien insgesamt 15 Dörfer von der türkischen Armee angegriffen worden. Die Gesamtzahl der getöteten Zivilisten betrug zum gegebenen Zeitpunkt 72. 140 Zivilisten seien durch Angriffe des türkischen Militärs verwundet worden.

Im vergangenen Jahr haben die Angriffe des türkischen Militärs und ihrer Verbündeten auf Afrin stark zugenommen. Hierzu einige Beispiele:

  • Am 19. Februar 2017 haben türkische Streitkräfte und verbündete Dschihadisten Afrin und die Region Scheba mit Artillerie angegriffen. In den Dörfern Merinaz, Ên Deqne, Fêlat Qadî, Erfad (Til Rifet), Kefernaya und Şêx Îsa ist es dabei zu großem Schaden gekommen. Türkische Soldaten und Verbündete, die das Dorf Mari in Azaz besetzt halten, versuchten so Şêx Îsa einzunehmen. Nach dem Angriff kam es zu Gefechten mit der YPG.
  • Am 21. März 2017, dem kurdischen Neujahrstag, hat das türkische Militär die Dörfer der Gemeinden Jindires, Rajo, Schiye und Mobetan in Afrin mit Artillerie angegriffen. Dabei wurden 4 Zivilisten verletzt. Außerdem sind Wohnhäuser, Schulen und öffentliche Plätze stark beschädigt.
  • Sebhi Salih aus dem Dorf Nesriye: „Die Bauern aus unserem Dorf können sich ihren Feldern an der Grenze nicht nähern. Dutzende Bauern können ihre Felder nicht bestellen. Die Wasseranlagen funktionieren nicht.”
  • Selahedin Mihemed aus dem Dorf Belaliko/Rajo: “Das türkische Militär greift gezielt unser Dorf und die Dörfer Qere Baba, Firfirk und Heciko mit Artilleriebeschuss an. Die Geschütze sind in nächster Nähe zu unserem Haus eingeschlagen und wir haben uns nur mit Not retten können.”
  • Renas Miho aus dem Dorf Belaliko: “Das türkische Militär hat uns aus 3 km Entfernung beschossen.”
  • Einer Erklärung der YPG vom 3. April 2017 nach haben die türkische Armee und ihre dschihadistischen Verbündeten Rojava im März 2017 insgesamt 47-mal mit Kanonen und Raketen angegriffen. Vor allem die Kantone Afrin und Kobanê seien schwer beschossen worden. Das türkische Militär hätte insgesamt 7-mal versucht die Grenze zu Rojava zu passieren. 8-mal seien türkische Aufklärungsflugzeuge über Rojava geflogen. YPG und YPJ hätten 27-mal militärisch auf die Angriffe der Türkei reagiert.
  • Am 1. Mai 2017 haben Verbündete der Türkei das Flüchtlingslager Rubar in Afrin mit Artillerie angegriffen. Dabei seien 6 Flüchtlinge, darunter 2 Kinder verletzt worden. Am Folgetag haben die Flüchtlinge im Camp gegen die Angriffe demonstriert und internationale Hilfsorganisationen dazu aufgerufen, die Angriffe zu stoppen und den Flüchtlingen Schutz zu bieten. Im Flüchtlingslager Rubar befinden sich zum größten Teil Binnenflüchtlinge aus Aleppo und dem Umfeld von Afrin. 2017 lebten dort 550 Familien (3 021 Flüchtlinge). Das von der Kantonaladministration Afrin gegründete und verwaltete Flüchtlingslager wurde am ersten Tag des türkischen Besatzungsversuchs am 20. Januar 2018 bombardiert.
  • Ebenfalls am 1.  Mai 2017 hat der Menschenrechtsverein in Afrin den UNO-Sicherheitsrat dazu aufgerufen, in einer Sondersitzung zusammenzukommen und eine Flugverbotszone über Rojava zu errichten, um Zivilisten und Flüchtlinge zu schützen.
  • Am  30. Juni 2017 haben das türkische Militär und ihre Verbündeten eine neue Offensive auf Afrin gestartet. Dabei haben sie die Dörfer Bêlûniyê, Eyn Deqnê und Minniqê der Gemeinde Scharran sowie Girê Baz und Girê Barîn der Gemeinde Jindires mit Kanonen, DShK und BKC-Geschütz beschossen. Am Folgetag kam es daraufhin zu Gefechten mit der YPG. Das türkische Militär hat versucht, im Dorf Girê Baliya der Gemeinde Bulbul vorzurücken. Auch hier kam es zu Gefechten. Aufgrund des Beschusses ist im Dorf Maranêz der Gemeinde Scharran ein Brand entfacht. Viele Felder sind abgebrannt. Am 3. Juli haben türkische Soldaten und ihre Verbündeten weitere Dörfer in der Region beschossen. Begleitet wurden sie von Aufklärungsflugzeugen. Bei einem DShK-Angriff auf das Dorf Kefer Entanê in Scharran sind 3 Zivilisten getötet und 8 verwundet worden.
  • Bei dem Versuch, die Grenze zur Türkei zu überqueren, ist eine Familie aus Hema am 3. Juli 2017 mitsamt Kindern von türkischen Soldaten gefoltert worden. Dabei wurden 4 Mitglieder der Familie Beyan Cedean verletzt. Der Familienvater Eziz Beyan Cedean hierzu zur Nachrichtenagentur ANHA: „Wir mussten unser Dorf wegen Artilleriebeschuss vom Regime und Dschihadisten verlassen. Beim Versuch die Grenze über den Posten Bab El-Selame zu passieren, wurden wir von türkischen Soldaten abgefangen und gefoltert.“
  • Am 28. November 2017 hat der Nationale Sicherheitsrat der Türkei unter Vorsitz von Erdoğan getagt. Im Anschluss auf die Sitzung wurde eine Militäroperation gegen Afrin angedeutet. In der Erklärung hieß es, die türkischen Streitkräfte würden ihre „Beobachtungsmission in der Deeskalationszone erfolgreich fortsetzen“ und diese „Mission“ solle auch in West-Aleppo und Afrin erfüllt werden. Am gleichen Tag hat die türkische Armee Afrin 40 Minuten lang unter Kanonenbeschuss gehalten. Außerdem wurden gepanzerte Militärfahrzeuge in die Nähe verlegt. Darüber hinaus mehrten sich Aufklärungsflüge über dem Gebiet, was auf Vorbereitungen einer militärischen Offensive schließen lässt.
  • Am 19. Dezember 2017 hat das türkische Militär die Dörfer Berceka Silêman, Basûr, Berfîn und Bedirxan in Afrin mit Artillerie beschossen. Daraufhin sind Gefechte mit der YPG entfacht.