“Das Rätsel um die Zahl der Gefallenen”

berufssoldatenEzgi Basaran / Journalistin, Kolumnistin der Zeitung Radikal, 13.09.2012

Mussten die Berufssoldaten eine Vereinbarung unterschreiben, dass ihr möglicher Todesfall von den Medien verheimlicht werden darf, oder nicht?

Im Juni hat der Verteidigungsminister Ismet Yilmaz eine Anfrage zu Berufssoldaten des BDP-Abgeordneten Adil Kurt aus Hakkari beantwortet. Die Anfrage beinhaltete 5 Fragen. Die ersten drei waren Fragen zur Anzahl der Berufssoldaten und zur Anzahl derer, die in der Kampfregion eingesetzt sind. Minister Yilmaz beantwortete diese Fragen detailliert: In der ersten Phase sind 539 Personen angeworben worden, 503 dienen in ihren Einheiten. In der zweiten Phase sind 453 Personen angeworben worden, die ihren Einheiten zugeordnet wurden. In der dritten Phase waren 432 Personen in den Tests erfolgreich, ihre Gesundheits- und Sicherheitscheck dauern jedoch noch an.

Auf die Anfrage gab er zudem an, dass „bis heute im Rahmen des Terrorkampfes kein gefallener Soldat oder Gefreiter zu verzeichnen ist“, aber fügt aber hinzu: „Im Rahmen der durchgeführten Operationen zur inneren Sicherheit sind in der Zeit vom 3.September 2011 bis zum 26.Juni 2012 41 professionelle Soldaten (Offizier, Unteroffizier, Gendarm) gefallen.“

Ich stelle den Rest der Anfrage vor…Vierte Frage: Gibt es besondere Punkte in den Verträgen der Berufssoldaten, die einen möglichen Todesfall beim Einsatz in den Kampfgebieten betreffen?

Fünfte Frage: Haben diese somit für den Falle ihres Todes erklärt oder unterstrichen, dass „ihr Tod nicht bekannt gegeben“ werden darf?

Der Verteidigungsminister zog es vor, obwohl er die ersten drei Fragen detailliert beantwortete, die vierte und fünfte Frage zusammen zu beantworten. Die Antwort lautet wie folgt: Die Anwerbung der verpflichteten Offiziere, Unteroffiziere und anderer Berufssoldaten lief im Rahmen der Einstellungsregelungen für Offiziere und Unteroffiziere nach Artikel 4678 der TSK (Anm. d. Übers. Türkische Bewaffnete Kräfte/tr. Militär), nach Artikel 3269 des Gesetzes zu Berufssoldaten und nach Artikel 6191 über Berufssoldaten ab.“ Was meinen Sie also, will er damit sagen? Mussten die Berufssoldaten eine Vereinbarung unterschreiben, dass im Falle ihres Todes dies nicht in den Medien veröffentlicht werden darf, oder nicht? Warum hat der Minister auf diese Frage nicht deutlich geantwortet, dass „so etwas nicht der Fall ist“. Ich habe es nicht begriffen.

Es gibt einen weiteren nicht verständlichen Punkt. Sie wissen, dass die TSK letzte Woche eine Erklärung abgegeben hat. „Die Zahl der Gefallenen bis zum 6. September 2012 beläuft sich auf 88, wovon 54 Berufssoldaten waren.“ Aber es geht aus der Erklärung nicht hervor, von wann bis zum 6.September es 88 Gefallene gab. Alle Medienorgane haben es, was ich auch als vernünftig betrachte, als die Zeit vom Beginn des Jahres 2012 bis zum September, also einen Zeitraum von neun Monaten, ausgelegt.

Nun, wenn dem so ist, dann mal eine Sekunde…Wir haben noch eine dritte Quelle. Die Zahlen des Gefallenen- und Veteranenvereins, der dem Innenministerium untersteht, lauten wie folgt: In der Zeit vom 16.Januar bis zum 2. September 2012 hatten wir (ausgenommen des schrecklichen Ergebnisses im Munitionslager von Afyonkarahisar ) genau 150 Gefallene. 114 dieser Gefallenen haben ihr Leben im Antiterrorkampf gelassen, also während der Operationen zur Inneren Sicherheit.

Das sind doch aber hier 88 und da 114? Wie viele von ihnen waren Berufssoldaten? Wenn man die Zahlen des Verteidigungsministeriums zur TSK mathematisch behandelt, dann kommt als Ergebnis heraus, dass in der Zeit vom 26.Juni bis zum 6. September, also in den letzten zwei Monaten und zehn Tagen, 13 Berufssoldaten gefallen sind. Warum werden nicht die wirklichen Zahlen über die Berufssoldaten genannt? Wenn innerhalb von zwei Monaten und zehn Tagen 13 Berufssoldaten ihr Leben lassen, rüttelt dies nicht an ihrer Prahlerei, dass „nun im Terrorkampf eine neue Phase begonnen hat, dass wir professioneller werden und die Arbeit den Profis übergeben haben“?

Den Tod, das Leben, den Krieg, den Frieden in Zahlen wiederzugeben ist gefährlich und verhängnisvoll. Das ich heute diese Fakten mathematisch behandele liegt daran, dass drei unterschiedliche Institutionen des Staates uns Bürgern Informationen geben, die sich widersprechen. Entweder sagen uns diese Institutionen nicht die Wahrheit, oder sie kategorisieren Menschenleben nach uns unbekannten Methoden. Die Fragen beantworten sie nicht detailliert. Berufssoldaten, Professionelle Soldaten, Langzeitverpflichtete, Kurzzeitverpflichtete; wir verstehen hieraus, dass einige der jungen Toten in die Zahlen der einen Institution einfließen, während sie bei anderen nicht beachtet werden. Um Gottes Willen, was geht hier eigentlich vor?

Schreibe einen Kommentar