Der Europarat und das CPT machen sich mitschuldig

Der Kolumnist Ferda Çetin über den Protest vor dem Antifolterkomitee des Europarats in Strasbourg und die Verantwortung des CPT, des Europarats und der UNO bezüglich der Isolation gegenüber Abdullah Öcalan, 22.12.2017

Verschiedene Gruppen halten, ob Winter oder Sommer, seit 2002 Tagen eine unbefristete Mahnwache vor dem Europarat in Strasbourg ab. Diese Mahnwache wurde durch die Teilnahme hunderter vergrößert und seit 50 Tagen entstand daraus ein Massensitzstreik. Die Aktivisten fordern vom Europarat und dem CPT, dass die verstärkte Isolation gegenüber der kurdischen Führungspersönlichkeit Abdullah Öcalan, aufgehoben wird. Denn seit dem 11. September 2016 bekommt man keinerlei Informationen über Abdullah Öcalan und seine Mitinsassen. Es ist nicht bekannt, ob sie noch Leben oder nicht; ihre Gesundheit und Sicherheit stehen unter Bedrohung. Alle 711 Anfragen seiner Anwälte für ein Treffen wurden abgelehnt.

Dabei gibt es verpflichtende Verträge, die von der UNO und dem Europarat beschlossen und von der Türkei unterzeichnet wurden, um diese offensichtliche Gesetzlosigkeit und Willkür zu unterbinden. Die UNO-Vollversammlung hat am 10. Dezember 1984 das „Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“ beschlossen. Der Europarat hingegen hat am 26. November 1987 das „Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ beschlossen. Die Türkei hat beide gleichklingenden Verträge unterschrieben und in Kraft gesetzt.

Aber weshalb hat der Europarat ein zweites Abkommen beschlossen, obwohl es bereits das erste Abkommen der UNO gab?

Der UNO-Vertrag war auf der Logik aufgebaut, nach erfolgter Folter oder Erniedrigung zu intervenieren. Der Europarat hingegen hat, bevor es zur Unmenschlichkeit oder Erniedrigung kommt, vorbeugende und außergerichtliche Maßnahmen entwickelt, um die Menschen, deren Freiheit durch die öffentliche Macht des Staates beraubt werden, vor grausamer Behandlung zu schützen.

Auch die UNO-Vollversammlung hat am 4. Februar 2003 ein Zusatzprotokoll unterzeichnet, welches Folter, Unmenschlichkeit und Erniedrigung vorbeugt. Staaten wie die Türkei, die selbst das optionale Protokoll am 14. September 2005 ratifiziert hat, verpflichten sich zu folgendem System; damit die Menschen, die ihrer Freiheit beraubt wurden, nicht der Folter oder anderen tyrannischen, unmenschlichen oder erniedrigenden Maßnahmen ausgesetzt sind, werden diese in ihren Gefängniszellen regelmäßig besucht zum Zwecke nichtjuristischer Präventivmaßnahmen.

Warum bleiben die Vereinten Nationen und der Europarat, angesichts der offensichtlichen Rechtsverletzungen gegenüber Abdullah Öcalan, der kurdischen Führungspersönlichkeit, untätig und still, obwohl sie doch Verträge und Protokolle zur Vorbeugung von Folter, Unmenschlichkeit und Erniedrigung beschlossen haben?

Um eine kontrollierte Vorbeugung vorzunehmen, gibt es mehrere Mechanismen, die in Gang gesetzt werden können; das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT), ist das institutionell stärkste und wirksamste.

Das CPT hat das Besuchsrecht für die Haftanstalten der jeweiligen Länder. An diesen Orten darf sie prüfen, untersuchen und inspizieren. Das Vertragsland verpflichtet sich dazu, dem Besuch zuzustimmen und mit dem CPT zusammenzuarbeiten. Das Komitee besitzt unbeschränkten Zugang zu den Bewachungsräumen und darf sich dort ohne jegliche Beschränkung frei bewegen. Das Komitee darf sich mit den Menschen, die ihrer Freiheit beraubt wurden, gesondert treffen und auch unbeschränkten Kontakt zu allen haben, die eine Information zu teilen haben. Im zweiten Absatz des Europäischen Vertrags zur Foltervorbeugung wurde festgehalten, dass die Besuche jederzeit stattfinden dürfen; nicht nur in Friedenszeiten, sondern auch während der Kriegszeiten und Ausnahmezuständen. Sollte das jeweilige Land nicht kooperieren oder die Empfehlungen des Komitees nicht annehmen, wird dem Land und anschließend – wenn Zweidrittel der Mitglieder dafür stimmen – der Öffentlichkeit ein Schreiben über das Thema mitgeteilt. Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Bestrafungen wurden in der nationalen und internationalen Justiz, sowie in unzähligen Verträgen verboten. Allerdings wird auch deutlich, dass wirksamere und breitere Vorkehrungen getroffen werden müssen, um den Menschen, die ihrer Freiheit beraubt wurden, zu beschützen und diesen Schutz zu stärken. Das Ziel ist, dass Menschen, die Drohungen und Gefahren ausgesetzt sind, beschützt werden, bevor sie schlechter Behandlung ausgesetzt sind; ihre Sicherheit und geistige, sowie körperliche Integrität gewahrt wird.

In diesem Fall; warum führen die UNO, der Europarat und die CPT nicht ihre Aufgaben und Pflichten bezüglich der Türkei aus, die die beiden Verträge der Folter und schlechten Behandlung plus ihre Zusatzprotokolle, ratifiziert hat?

Anstatt, dass die UNO, der Europarat und die CPT der Isolation von Öcalan, die der türkische Staat vor den Augen der Öffentlichkeit in einer systematisch tyrannischen, unmenschlichen und erniedrigenden Weise führt, vorzubeugen, unterstützen sie diese, indem sie schweigen und zuschauen. Aus dieser Perspektive werden für alle unerwarteten Ereignisse und schlechten Folgen neben der Türkei, auch der Europarat und die CPT verantwortlich sein.

Die Kolumne erschien im Original am 11.12.2017 unter dem Titel „Avrupa Konseyi ve CPT tehlikeli bir yoldan yürüyor“ in der Tageszeitung Yeni Özgür Politika.