Der Verfassungsschutz erwirkt de facto Veranstaltungsverbot für das 24. Internationale kurdische Kulturfestival

navdemPressemitteilung von NAV-DEM – Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland, 18.08.2016

Am 3. September sollte im RheinEnergie Stadion Köln das 24. Internationale Kurdische Kulturfestival stattfinden. Veranstalter des Festivals ist das Demokratische Gesellschaftszentrum der Kurdinnen und Kurden in Deutschland (NAV-DEM) e.V., welches mit über 200 Mitgliedsvereinen zu den größten Dachverbänden von Migrantenorganisationen zählt.

Nun erfuhren wir, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sowie der Innenminister des Landes NRW sowie der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies Druck auf die Stadionbetreiber ausgeübt haben, damit diese den Veranstaltungsvertrag nicht unterzeichnen.

Der Verfassungsschutz begründet sein Vorgehen u.a. damit, dass NAV-DEM der PKK nahestehe und es angesichts der politischen Lage in der Türkei zu Auseinandersetzungen zwischen Besucher*innen des Festivals und nationalistischen Türken kommen würde. Der Betreiber des Stadions erklärte zunächst in einer Pressemitteilung, dass es sich bei NAV-DEM um einen eingetragenen Verein handele, der „sich mit seinen Tätigkeiten am Meinungsbildungsprozess der deutschen demokratischen Gesellschaft beteiligt“ – eine Aussage, die das zentrale Anliegen unserer Organisation erfasst. Am heutigen Tage jedoch erteilte der Stadionvermieter dem Veranstalter eine Absage.

Diese durch den Verfassungsschutz erwirkte Entscheidung stärkt in Anbetracht der aktuellen Ereignisse in der Türkei das despotische Vorgehen des AKP-Regimes nach dem gescheiterten Putschversuch. Eine politische Konnotation hierbei steht außer Frage. Zehntausende türkische Nationalisten konnten Ende Juli ungehindert in Köln aufmarschieren, sich mit einer Diktatur solidarisieren und gegen die deutsche Politik wettern. Zehntausenden Kurd*innen wird nun untersagt, ein Festival für Frieden, Freiheit und Demokratie zu feiern.

Ihre Organisationen werden immer wieder einem pauschalen Terrorverdacht ausgesetzt. Dabei bemühen wir uns als Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurd*innen in Deutschland seit Jahren gemäß unserem Verständnis von einer demokratischen, gerechten und friedlichen Gesellschaft um eine politische Lösungsperspektive für die kurdische Frage, der mit dem Abbruch des Friedensprozesses durch den türkischen Staatspräsidenten Erdoǧan und der verhängten Totalisolation von Abdullah Öcalan ein schwerer Schlag versetzt wurde. In einer Zeit, in der uns täglich neue erschreckende Nachrichten aus der Türkei über Verhaftungen, Entlassungen, Verbote von Medien und Vereinen sowie Zwangsverwaltungen für Kommunen erreichen, gilt es, den Kampf für Menschenrechte und Demokratie zu fördern und nicht zu verbieten.

Vor dem Hintergrund der jüngst durch eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag ans Tageslicht gekommenen Einschätzung des Bundesinnenministeriums, dass sich die Türkei seit 2011 schrittweise „zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens“ entwickelt habe, erachten wir die Haltung des Innenministers und des Verfassungsschutzes für äußerst gefährlich. Diese islamistischen Gruppen stellen nicht nur eine regionale, sondern, wie die Anschläge in Europa beweisen, auch eine globale Bedrohung dar. Spätestens jetzt ist ein umgehender Politikwechsel erforderlich. Eine Diktatur darf kein Partner für Deutschland sein.

Die Bundesrepublik ist aufgefordert, die demokratischen Kräfte, so auch die Kurd*innen, zentraler Akteur im Kampf gegen islamistischen Terror, und ihre Bestrebungen zu unterstützen. Hierzu gehört auch die Achtung vor der Versammlungsfreiheit im Rahmen des 24. Internationalen Kurdischen Kulturfestivals. Schließlich steht diese Veranstaltung mit seinem breit gefächerten kulturpolitischen Programm von Anbeginn an im Zeichen eines toleranten Miteinanders –  unerlässlich in Zeiten erstarkender Rechtspopulisten, die auf deutschen Straßen ungehindert Flüchtlingshetze betreiben. Das macht es zwingend notwendig, ein Zeichen zu setzen für Toleranz, Demokratie und Frieden. Dafür stehen wir, dafür steht unser Festival.

Deshalb werden wir juristische Schritte einleiten,  damit unser Recht auf Veranstaltungs-  und Versammlungsfreiheit gewährleistet wird.

 

NAV-DEM

Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e. V.

Navenda Civaka Demokratîk ya Kurdên li Almanyayê

E-mail: info@navdem.com

Web:    www.navdem.com

Tel:      0157 33 88 12 94

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YXK LogoErklärung des Verbandes der Studierenden aus Kurdistan (YXK e.V.) anlässlich des 24. Internationalen Kurdischen Kulturfestivals in Köln am 3. September 2016

Aufgrund von fadenscheinigen Sicherheitsbedenken der Kölner Polizei hat heute der Stadionbetreiber der Rhein-Energie-Arena Köln die Gespräche für den Vertrag für das 24. Internationale Kurdische Kulturfestival in Köln abgebrochen. Dieses Einwirken der Polizei ist eine politische Entscheidung und ist somit ein offener Bruch mit der Verfassung.

Zuvor hatten am 31. Juli 2016 zehntausende türkische Nationalisten in Köln eine Propagandaveranstaltung von Erdogan ausgerichtet. Dass Anhänger eines faschistischen Diktators, der ein ganzes Land und eine ganze Region in das Verderben stürzt, frei ihre Hasspropaganda gegen Andersdenkende und Andersgläubige äußern können, Oppositionelle hingegen in der Ausrichtung eines Kulturfestivals gehindert werden, ist aus ethischer und demokratisch-politischer Sicht eine Katastrophe. Als Verband der Studierenden aus Kurdistan – YXK verurteilen wir diese Doppelmoral der Kölner Polizei und Behörden und erklären, dass wir diese Haltung als eine Provokation gegen KurdInnen und eine Anbiederung an Erdogan und seine Anhänger in der BRD werten.

Die Empfehlung der Polizei in Köln an den Stadionbetreiber, die Veranstaltung im Rhein-Energie-Stadion nicht stattfinden zu lassen, bewerten wir zudem nicht als eine objektive Feststellung der Polizei, sondern ebenfalls als ein Einknicken dieser gegenüber dem Druck der Erdogan/AKP-Lobby in Köln, und darüber hinaus. Als die größte kurdische Studierendenorganisation in der BRD werden wir diese Entscheidung und Einflussnahme der Polizei nicht hinnehmen. Wenn wir wirklich von einer Demokratie in der BRD sprechen, darf diese sich nicht dem Druck von Diktatoren und Nationalisten beugen.

Seit Monaten führt der Staatspräsident der Türkei Erdogan eine Gleichschaltungspolitik durch. Insbesondere nach dem gescheiterten Militärputsch gegen ihn sind über 80.000 Menschen verhaftet, entlassen oder ihres Amtes enthoben worden. Mit dem Vorwand des Putschversuches wurden dutzende Betriebe enteignet. Erst gestern wurde durch ein Istanbuler Gericht die größte kurdische/oppositionelle Tageszeitung Özgür Gündem verboten. Seit Beendigung des Waffenstillstandes mit der kurdischen Guerilla durch Erdogan am 24. Juli 2015 wurden über ein dutzend kurdische Städte dem Erdboden gleich gemacht und hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat vertrieben.

Auch in Europa organisieren sich die nationalistischen Anhänger von Erdogan in der DITIB (Moscheenverband des türkischen Staates in Europa) und in der UETD (Politische Lobbyorganisation der AKP). Verbeamtete Imame aus der Türkei werden in die DITIB-Moscheen entsandt, um AKP Propaganda zu betreiben sowie geheimdienstliche Informationen zu sammeln und an den türkischen Staat weiterzuleiten. Obwohl allseits – auch durch zahlreiche Presseberichte bestätigt – bekannt ist, dass durch diese Verbände Erdogan ideologisch und politisch auf die TürkInnen in der BRD Einfluss ausübt, werden immer noch Staatsverträge mit der DITIB geschlossen, mit Millionen von Steuergeldern DITIB-Moscheen unterstützt oder ihre Vorstände in Parteien wie CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne geduldet. Zahlreiche Anhänger Erdogans haben in Kommunen und Städten tragende Positionen.

Als KurdInnen und insbesondere junge KurdInnen werden wir seit den 80er Jahren in der BRD kriminalisiert. Diese Kriminalisierung hat uns sowohl in Gefängnisse gesteckt, wie Hüseyin Celebi, als auch getötet, wie Halim Dener. Erst vor wenigen Wochen konnte erneut aufgrund des Eingreifens der Düsseldorfer Polizei das Mazlum-Dogan-Sport- und Kulturfestival nicht wie geplant stattfinden. Zuvor hatte erneut die Kölner Polizei ein kurdisches Fußball-Turnier untersagt. Auf zahlreichen Demonstrationen und Versammlungen werden Fahnen und sogar Parolen, die Erdogan kritisieren, verboten. Sogar Fahnen von eingetragenen Vereinen, wie die der YXK/JXK und der Ciwanên Azad, wurden wie zuletzt in Mannheim, Stuttgart und Frankfurt a. M. nicht zugelassen. Diese Kriminalisierung wird uns nicht einschüchtern. Der türkische Staat hat die KurdInnen seit 100 Jahren nicht vernichten können, auch die deutschen Repressionen und die Kriminalisierung werden dies nicht schaffen.

Wir werden als kurdische Jugendliche unserer Tradition des Widerstandes treu bleiben und am 3. September, egal was passiert, mit zehntausenden Menschen unser 24. Internationales Kurdisches Kulturfestival feiern. Wir rufen alle demokratischen und humanistischen Menschen und Organisationen dazu auf, sich mit den Kurdinnen und Kurden zu solidarisieren und ebenfalls zu diesem Festival zu kommen. Auch andere kurdische Organisationen müssen zu diesem Verbot ihre Stimmen erheben und sich mit Nav-Dem solidarisieren, wenn sie es wirklich mit dem Schutz der kurdischen Kultur und der Einheit ernst meinen.

Insbesondere appellieren wir hier aber auch an die deutsche Bevölkerung: Wenn ihr aus eurer Geschichte gelernt habt, dann setzt euch dafür ein, dass der deutsche Staat endlich aufhört einen Faschisten wie Erdogan zu unterstützen. Kommt zu unserem Festival und unterstützt uns in unserem Kampf für Frieden, Würde und Demokratie. Lernt unsere schöne und reiche Kultur kennen!

17.August 2016,

Verband der Studierenden aus Kurdistan – YXK


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