“Die Konfrontation mit der Vergangenheit in Roboski beginnen!”

2.Jahrestag des Roboski-MassakersTausende Menschen fordern am zweiten Jahrestag des Roboski-Massakers am Ort des Geschehens Gerechtigkeit, 28.12.2013 ANF, ISKU

Anlässlich des zweiten Jahrestages des Roboski Massakers kamen tausende Menschen in Roboski zusammen. Am 28. Dezember 2011 sind in Roboski 34 Menschen, die vom Grenzhandel in der Region lebten, durch die türkische Luftwaffe ermordet worden.

An der Gedenkveranstaltung nahmen neben den Angehörigen der Getöteten zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Partei für Frieden und Demokratie (BDP) und der Demokratischen Partei der Völker (HDP) teil. Auch die Angehörigen der Opfer der Massaker von Sêwas (Sivas 1993), Gurgum (Maraş, 1978) und Pîran (Lice, 1993) waren genauso anwesend wie Familienangehörige der Opfer der Gezi-Proteste und der vor kurzem in Gever (Yüksekova) von Polizeikräften ermordeten drei Personen. Die Menge versammelte sich vor der BDP-Zentrale in Şirnex (Şirnak) und bewegte sich von dort aus in Richtung des Friedhofs von Roboski.

Während der Gedenkveranstaltung erlitt die 42-jährige Miran Encü einen Herzinfarkt. Obwohl sie in das örtliche Krankenhaus eingeliefert wurde, verlor sie dort ihr Leben. Miran Encü war die Tante eines der Todesopfer des Roboski-Massakers.

Öcalan: Konfrontation mit der Vergangenheit muss mit Roboski beginnen

Auf der Gedenkveranstaltung wurde unter anderem folgende Botschaft des inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan vorgetragen: „Die Geschichte hat unter Beweis gestellt, dass wann immer die KurdInnen hinsichtlich ihrer nationalen demokratischen Identität ein Auferwachen erleben, zum Ziel von grausamen Massakern werden. So wurden im Dezember 1978 im Maraş-Massaker kurdische Kinder einem grausamen Massaker ausgesetzt. Verantwortlich für sowohl dieses durch faschistische Kontrakräfte begangene Massaker als auch das Roboski-Massaker waren die grausamsten Kriegstreiber unserer Zeit. Als wir den Lösungsprozess in Gang setzten, hatten wir nicht nur das Ziel unsere Demokratie und Freiheit zu stärken, wir forderten auch eine Auseinandersetzung mit und Gerechtigkeit für die Leiderfahrungen und Verbrechen, denen wir alle ausgesetzt worden sind.

Die Forderung nach Gerechtigkeit kann den Weg für eine Konfrontation mit den Leiderfahrungen der Vergangenheit öffnen. Der Staat und die Regierung müssen den Mut haben, sich dieser Konfrontation stellen. Sie müssen davon abkehren, die Suche nach Gerechtigkeit zu behindern. Erst letzte Woche wurde die Türkei vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für die Massaker von Kuşkonar und Koçağlı verurteilt, zwei von vielen Massakern, die durch die staatliche Antipropaganda lange Zeit der PKK in die Schuhe geschoben wurden. Doch gerade in der aktuellen Phase hat der Staat die Gelegenheit, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Kann für diese tragischen Massaker nun die notwendige Gerechtigkeit geschaffen werden, können wir darauf aufbauend unseren Frieden errichten? … Aus dieser Sicht muss der Staat als Teil dieses Prozesses die Konfrontation mit der Vergangenheit mit dem Roboski-Massaker beginnen. In diesem Sinne möchte ich nochmals mein Vertrauen und mein Beileid an die Bevölkerung von Roboski wiederholen.”

Nach der Botschaft Öcalans, ging die Menge zum Dorfzentrum von Roboski, wo die Gedenkveranstaltung fortgesetzt wurde. Dort sprach unter anderem der HDP-Kovorsitzende Ertuğrul Kürkçü zu den Anwesenden, welcher den türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan für dieses Massaker verantwortlich erklärte. Dieser müsse sich der Bevölkerung von Roboski stellen. Auch der BDP-Kovorsitzende Selahattin Demirtaş erklärte in seiner bei der Gedenkveranstaltung gehaltenen Rede, dass der türkische Ministerpräsident persönlich den Befehl für das Massaker gegeben habe. „Die Information, die wir haben, ist folgende: Der türkische Generalstabschef erhält eine geheimdienstliche Information. Es heißt darin, dass sich im Grenzgebiet ein Konvoi bewegt. Sie gehen davon aus, dass Bahoz Erdal (der ehemalige Verantwortliche der Volksverteidigungskräfte HPG) sich in diesem Konvoi aufhält. Doch sie gehen auch davon aus, dass Zivilisten sich in dem Konvoi befinden. Der Generalstabschef leitet diese Information an den türkischen Ministerpräsidenten weiter und fragt, was zu tun ist. Erdoğan gibt daraufhin persönlich den Befehl zum Abschuss.“

Die Gedenkveranstaltung wurde beendet, nachdem die Menschen um 21.17 Uhr Ortszeit, dem Zeitpunkt des Roboski-Massakers, erneut den Friedhof, auf dem die Opfer des Massakers begraben liegen, besuchten.

Zeitgleich zu der Gedenkveranstaltung in Roboski kam es in den nordkurdischen Städten Wan (Van), Mûş (Muş), Îdir (Iğdır), Sêrt (Siirt), Mêrdîn (Mardin), Qoser (Kızıltepe), Şemrex (Mazıdağı), Amed (Diyarbakir), Riha (Urfa), Sêwreg (Siverek), Wêranşar (Viranşehir), Curnê Reş(Hilvan), Gurgum (Maraş), Çewlîg (Bingöl) und Dersim zu Protesten und Kundgebungen anlässlich des Jahrestages des Massakers.

Sieben Festnahmen bei Roboski-Protest in Izmir

Bei einer Kundgebung zum Jahrestag des Roboski-Massakers wurden insgesamt sieben Menschen festgenommen.

Nach einem Aufruf der Demokratischen Partei der Völker (HDP) wurde im Stadtzentrum von Izmir eine Gedenkkundgebung für die Opfer des Roboski-Massakers veranstaltet. Anschließend wollte eine Gruppe Jugendlicher eine Pressemitteilung zum Roboski-Massaker und den Korruptionsaffären in den Reihen der türkischen Regierung verlesen. Die Polizei ließ dies allerdings nicht zu, griff die Jugendlichen an und nahm schließlich insgesamt sieben von ihnen fest.

ANF, 28.12.2013, ISKU

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