Dersim 1937/38 – 76 Jahre danach

Das Schweigen über das Dersim-Massaker und andere Massenhinrichtungen in der Türkei muss gebrochen werden!
YEK-KOM, Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland, Mai 2013

Am 4.Mai 2013 jährt sich zum sechsundsiebazigsten Mal das Massaker an Kurdischen Alewiten in Dersim, der letzte und größte der Aufstände, in dem das kurdische Volk sich gegen die Unterdrückungs- und Assimilierungspolitik durch den kemalistischen Staat erhob. Ca. 70.000 Menschen, überwiegend Frauen und Kinder wurden auf grausamer Weise getötet, über 100.000 Menschen zur Deportation gezwungen. Die Anerkennung und Aufarbeitung des Massakers auf staatlicher Ebene und in der Gesellschaft ist bis heute jedoch noch nicht vollzogen worden.

Die türkische Geschichte ist zugleich eine Geschichte der Massaker
Das kurdische Volk leidet seit der Gründung der republikanische Türkei 1923 unter Mustafa Kemal Atatürk an einem physisch und systematischen Genozid ihrer nationalen Sprache, ihrer Geschichte, ihrer Identität, ihrer Geografie, ihrer Kunst und Kultur.

Mit dem Abkommen von Lausanne vom 23. Juli 1923 wurde Kurdistan auf den Iran, den Irak, die Türkei und Syrien geteilt. Vor allem in der Türkei begann die nationalistische Staatsideologie eine grausame Vertreibungs- und Assimilationspolitik in kurdischen Gebieten. Schon wenige Monate nach Unterzeichnung des Lausanner Vertrages der Gebrauch der kurdischen Sprache, Vereinigungen und Publikationen verboten. Die Dorfnamen in Kurdistan wurden zu 90% turkisiert. Das türkische Parlament, in dem kurdische Repräsentanten vertreten waren, wurde aufgelöst.

Infolge der zunehmenden Repressionen, politischen und militärischen Umklammerung der Region brach unter Führung von Seyid Riza 1937 der Dersim-Aufstand aus, nachdem durch das Umsiedlungsgesetz – das “Tunceli-Gesetz” die Region umbenannt, unter Militärverwaltung gestellt und der Ausnahmezustand verhängt wurde.

Die Forderung zur Abschaffung der “Tunceli”-Gesetze und Gewährung einer Verwaltungsreform und nationaler Rechte wurden mit Einmarsch der türkischen Armee geantwortet. Ein kurdisches Verhandlungsangebot wurde abgelehnt. Am 18. November 1937 wurde Seyid Riza mit zehn seiner Gefolgsleuten hingerichtet.

Nach der Ermordung Seyid Rizas ging der Widerstand aber weiter. Daraufhin marschierte die türkische Armee über 100.000 Mann in Dersim ein, um den Aufstand niederzuwerfen. Tausende Kurden, darunter viele Frauen und Kinder, wurden Opfer der türkischen Bomben, Granaten und Giftgas, hunderte zur Flucht gezwungen.

Heute sind die Tragödie des Dersim- Aufstandes noch in deutlicher Erinnerung. Die Wunde ist immer noch nicht geheilt. Türkischer Staat hat bis jetzt dieses Massaker noch nicht anerkannt und sich entschuldigt.

Ungelöste kurdische Frage – Teil der türkischen Staatsideologie
Wir stellen fest, dass die Staatsideologie in der Türkei gegenüber den Kurden sich nicht viel geändert hat. Dass die verübten Massaker nicht aufgearbeitet werden, hat mit Nichtanerkennung der kurdischen Identität und einhergehende bewaffneten Widerstandskampf der PKK um die Rechte der KurdInnen zu tun. Die kurdische Frage wird heute, erst nach 80 Jahren in die öffentliche Debatte getreten, nach dem die AKP-Regierung auf die Friedensapelle von A.Öcalan reagiert hat.

Auch das jüngste Massaker von Roboski darf nicht vergessen werden!
Das im Dezember 2011 verübte Massaker in Roboski durch das türkische Militär.34 Kurdische Jugendlichen, die meisten noch im Kindesalter, wurden diesmal mit Flugzeugen aus der Luft mit Bomben angegriffen und starben infolge dessen. Die Aufklärung dieses Massakers wird von der AKP-Regierung verschleppt, die Schuldigen im Militär durch Ministerpräsident Erdogan gedeckt.

Wie das Dersim-Massaker wartet auch das Roboski- Massaker und das Massaker an Armeniern auf Gerechtigkeit. Es ist notwendig, dass die Massaker kritisch aufzuarbeiten, sich für ihre Anerkennung einzusetzen.

Wir hoffen, dass der neu begonnene Demokratisierungsprozess den Weg für die Aufarbeitung der verübten Massaker freimacht. Diesen Weg müssen wir alle kritisch begleiten.

Wir müssen uns für die internationale Anerkennung dieser Massaker einsetzen und durch unseren Zusammenarbeit und Solidarität zum Erfolg bringen.

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