Die Aufrufe zur Rückkehr zum Verhandlungstisch sind wertvoll und bedeutsam

Bayik_HozatErklärung der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK), 16.09.2015

An die Presse und Öffentlichkeit

Es ist bekannt, dass es seit einigen Jahren zwischen dem türkischen Staat, unserer Freiheitsbewegung und unserem Vorsitzenden Abdullah Öcalan Treffen gab. Trotz der Bemühungen des Staates, den Prozess zu verzögern und Zeit herauszuschinden, haben unsere Bewegung und Abdullah Öcalan geduldig auf eine friedliche Lösung der kurdischen Frage hingearbeitet. Als Ergebnis dieser Treffen auf der Gefängnisinsel Imrali, wo Abdullah Öcalan in Einzelhaft gefangen gehalten wird, wurde am 28.2.2015 im Dolmabahce Palast eine gemeinsame Erklärung über das weitere Vorgehen in den Verhandlungen zwischen uns und der Regierung veröffentlicht.

Nach der Veröffentlichung der Erklärung von Dolmabahce war das Land voller  Hoffnung, dass eine friedliche Lösung der kurdischen Frage durch die Demokratisierung der Türkei erreicht werden könne. Selbst regierungsnahe Medien begrüßten diesen Moment. Doch kurz nach der Veröffentlichung der gemeinsamen Erklärung zerschlug Präsident Erdogan mit folgenden Äußerungen die Hoffnung: „Ich akzeptiere diese Vereinbarung nicht; das hat nichts mit Demokratie zu tun; es gibt keine kurdische Frage, keine Seiten und keinen Dialog; eine Beobachtungskommission kann nicht akzeptiert werden.“ Diese Aussagen wurden nicht übertrieben dargestellt und sie sind dokumentiert..

Die Behörden haben die Restriktionen gegenüber unserem Vorsitzenden Abdullah Öcalan intensiviert, obwohl er den Prozess des Dialogs und den Waffenstillstand vom 5. April 2015 initiierte. Die Antwort der Regierung hat gezeigt, dass sie unseren Vorsitzenden Abdullah Öcalan tatsächlich als Geisel benutzen und hoffen, ihn für ihre Zwecke missbrauchen zu können. Öcalan hat an vielen Punkten gesagt: „Ihr solltet mich nicht instrumentalisieren, ihr müsst mir entgegenkommen und die Treffen sollten hier auf richtige Weise stattfinden.“ Die Regierung hat jedoch nie Abstand von ihrer feindlichen Haltung genommen und nun die Entscheidung getroffen, die kurdische Freiheitsbewegung zu unterdrücken und zu vernichten.

Der türkische Staat und die AKP-Regierung haben die Entscheidung zur Wiederaufnahme des Kriegs gegen die kurdische Freiheitsbewegung in einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates am 30.10.2014 getroffen, kurz nach dem Kobane-Aufstand am 7.-8. Oktober durch unsere Anhänger.  Die Dolmabahce-Erklärung wurde aufgrund dieser getroffenen Entscheidung abgewehrt. Die Regierung begann diesen Krieg mit der Intensivierung der Isolation unseres Vorsitzenden Öcalan und führte ihn nach der Wahlniederlage am 7. Juni mit den Angriffen am 24. Juli fort. Als Reaktion darauf hat die kurdische Bevölkerung beschlossen, ihr eigenes freies und demokratisches System und ihre Selbstverwaltung aufzubauen. Daraufhin hat der türkische Staat seine kriegerischen Handlungen erweitert und intensiviert.

Unsere Guerrilla hat ihr Recht auf Vergeltung für die Angriffe des Staates auf die Erklärung der Selbstverwaltung unserer Bevölkerung in Anspruch genommen. Die Politik der türkischen AKP, sowohl vor als auch nach den Wahlen, hat diese Kriegsatmosphär geschaffen. Nach der Wahlniederlage am 7. Juni versucht die AKP, ihre verlorene Legitimität wiederzuerlangen und hofft, bestimmte Kreise in der Türkei durch die Provokation eines Krieges als Wähler zu gewinnen.

Die AKP hofft an der Macht zu bleiben, indem sie die Atmosphäre zu den Neuwahlen aufheizt. In dieser Hinsicht stimmen wir mit der allgemeinen öffentlichen Meinung überein: „Dies ist der Krieg des Präsidentenpalasts“. Der Krieg der AKP gegen unsere Freiheitsbewegung ist weder eine Verteidigung des Landes noch eine Verteidigung der territorialen Integrität des Landes. Im Gegenteil, die Politik der AKP bringt unsere Völker gegeneinander auf und tatsächlich teilt sie die Türkei. Die Attacken gegen Kurden und die HDP in den Städten der Türkei und die Angriffe der türkischen Armee und der Polizei in den Städten Kurdistans zeigen dies sehr deutlich.

Weite Kreise sind besorgt wegen der Kriegsatmosphäre in der Türkei und Nordkurdistan. Viele Aufrufe für Friedensverhandlungen wurden von demokratischen Kräften in der Türkei gemacht.

Die Europäische Union und das Europäische Parlament rufen ebenfalls zu einem beidseitigen Waffenstillstand und zur Rückkehr beider Seiten an den Verhandlungstisch auf.

Wir glauben, dass diese Aufrufe wertvoll und bedeutsam sind. Wir haben zuvor erklärt, dass wir zu einem beidseitigen Waffenstillstand bereit sind, welcher zu einer dauerhaften Lösung durch Verhandlungen führt.

Wir haben zuvor öffentlich erklärt, dass Abdullah Öcalan von unserer Bewegung zum   Verhandlungsführer ernannt wurde. Es müssen Bedingungen geschaffen werden, unter denen Abdullah Öcalan diese Rolle erfüllen kann. Aus diesem Grund muss es Abdullah Öcalan möglich sein, sich mit unserer Bewegung, allen politischen Organisationen und Gruppen, Kräften der Zivilgesellschaft und Intellektuellen zu treffen.

Wie es in allen Regionen der Welt mit ähnlichen Konflikten üblich ist, besteht die Notwendigkeit einer unabhängigen Delegation, um beide Verhandlungspartner während des Verhandlungsprozesses zu beobachten. Die Europäische Union hat ihre Bereitschaft geäussert, diese Rolle zu übernehmen.

Wie wir bereits zuvor betont haben, ist die Freilassung Tausender politischer Aktivisten, die seit Newroz 2013 verhaftet wurden, einschließlich der gewählten Bürgermeister_innen,, sehr wichtig.

In diesem Rahmen möchten wir ein weiteres Mal unsere Bereitschaft für einen verstärkten beidseitigen Waffenstillstand hervorheben und erklären, dass wir die Bemühungen unserer Bevölkerung und der demokratischen Krafte für eine friedliche und demokratische Lösung unterstützen.