Die Beziehungen zwischen Erbil und Bagdad vor dem Hintergrund der Pläne Erdogans für Südkurdistan

Der Journalist Seyit Evran zum Auf und Ab der Beziehungen zwischen der Kurdischen Autonomieregierung in Südkurdistan und der irakischen Zentralregierung, 30.03.2018

In der derzeitigen Phase, in der nur noch zwei Monate bis zu den nationalen Wahlen im Irak verbleiben, sind die Verhandlungen und Konflikte bezüglich Kirkuk und den umstrittenen Gebieten, die am 17. Oktober von der irakischen Armee und den Hashd-al-Shabi-Milizen erobert wurden, ausschlaggebend für die Beziehungen zwischen Erbil und Bagdad. Zur gleichen Zeit hat auch Erdogan begonnen neue Pläne in Bezug auf den Irak und Südkurdistan zu schmieden.

Kirkuk als Dreh- und Angelpunkt

Zwei Monate vor den Wahlen im Irak sind die Beziehungen zwischen Bagdad und Erbil von einem krisenhaften Auf und Ab geprägt. Obwohl im Zusammenhang der angespannten Beziehungen oft politische Konflikte, die Bezahlung der Beamten, das Budget der südkurdischen Autonomieregierung etc. als Probleme in den Vordergrund gestellt werden, stellt die Situation in Kirkuk und den umstrittenen Gebieten den eigentlichen Streitpunkt zwischen den beiden Seiten dar. In der letzten Zeit wurde immer deutlicher, dass der Hauptgrund für die Krise in den Beziehungen Kirkuk und die umstrittenen Gebiete sind. Die Lösung der Probleme in Kirkuk und den umstrittenen Gebieten ist somit ausschlaggebend für eine Entspannung der Beziehungen.

Die KDP und PUK machten diesbezüglich in den letzten Wochen sehr aussagekräftige Erklärungen. Auf Seiten der KDP erklärte Kemal Kerküki, die Situation in Kirkuk werde nicht in der bisherigen Form andauern. Auch ein Vertreter der PUK, Kosret Ali Resul, erklärte „das Desaster in Kirkuk“ werde sehr bald ein Ende finden. Mit Lahur Şeyh Cengi nahm zudem ein einflussreiches PUK-Mitglied an den Newroz-Feierlichkeiten in Kirkuk teil. Auch der Übergangsgouverneur von Kirkuk bediente sich im Rahmen dieser Auseinandersetzungen in den letzten Tagen heftiger Polemiken.

Diese Erklärungen und Offensiven bestätigen die Vermutungen der letzten Wochen, dass die KDP und die PUK in der Auseinandersetzung um Kirkuk klar Stellung beziehen werden. Denn beide Parteien haben im Rahmen der Entwicklungen in Kirkuk und dem Rest der umstrittenen Gebiete ihre gesellschaftliche Unterstützung verloren und ihr politischer Einfluss hat stark gelitten. Es wäre nicht falsch festzustellen, dass sie infolgedessen nicht in der Lage sind, vor den nationalen Wahlen im Irak die eigentlich notwendigen Kommunalwahlen durchzuführen. Durch eine Offensive bezüglich Kirkuk und der nationalen Wahlen im Irak beabsichtigen beide Parteien sich auf die regionalen Kommunalwahlen vorzubereiten.

Im Zuge der Erklärungen der KDP und der PUK in den letzten Tagen, welche die Vorbereitungen der beiden Parteien offenlegen, begann die irakische Zentralregierung nach Lösungen für Kirkuk zu suchen, die eine militärische Auseinandersetzung vorbeugen könnten. Es wurde erklärt, die Verteidigung Kirkus könne gemeinsam mit den Kräften der Peshmerga organisiert werden. In diesem Zusammenhang fanden auch Treffen zwischen Stammesvertretern aus Mossul und Kirkuk mit der irakischen Zentralregierung statt, die ihre Bereitschaft für diesbezügliche Schritte öffentlich äußerte.
Zur gleichen Zeit nutzte die irakische Regierung die erneuten Angriffe des Islamischen Staates in Tikrit, Kirkuk und Anbar, die seit dem Beginn der Besatzungsoperation der türkischen Armee in Afrin erneut begannen, um die Sicherheitsvorkehrungen in der Umgebung von Kirkuk zu erhöhen. Sie verlegte zusätzliche Kräfte in die Region mit der Begründung, die IS-Angriffe entlang der Straßenverbindungen Kirkuk-Bagdad und Kirkuk-Süleymaniye/Tikrit/Erbil hätten stark zugenommen.
In Anbetracht dieser Entwicklungen wird deutlich, dass Kirkuk den Dreh- und Angelpunkt in den derzeitigen Spannungen zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung darstellt. Daher unternehmen derzeit beide Seiten entsprechende Vorstöße.

Neue Pläne der Türkei und des Iraks für Südkurdistan

Nach der Besatzung Afrins machte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in zahlreichen Erklärungen deutlich, dass die Türkei im Rahmen ihrer neo-osmanischen Ambitionen und im Zusammenhang mit den Grenzen des Misak-ı Milli eigene Pläne bezüglich Mossul und Kirkuk verfolgt. Während nach der Besatzung Afrins die Konflikte Erbils und Bagdads im Bezug auf Kirkuk andauerten, versuchte auch Erdogan durch an die Türkei gebundene turkmenische Gruppen wie die ITC und einige Stämme in Kirkuk eigene Pläne in die Tat umzusetzen. Im Rahmen der Misak-ı Milli-Grenzen versuchte er die Präsenz der kurdischen Guerilla in Shengal zum Vorwand für eine türkische Besatzung der Region zu machen. Doch die Entscheidung der PKK-Führung und der KCK, die Guerilla aus Shengal abzuziehen, durchkreuzten die Pläne Erdogans für Mossul, Kirkuk und Shengal.
Die türkische Regierung reagierte auf die Entscheidung der KCK, indem sie ca. eine Stunde nach der Erklärung durch den Premierminister Binali Yıldırım erklären ließ, den eigenen Luftraum für Flüge nach Erbil öffnen zu wollen. Dahinter stand die Absicht, Spannungen zwischen Erbil und Süleymaniye zu provozieren. Zudem beschuldigten Erdogan und der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu die PUK und einige kleinere Parteien, sie hätten Afrin unterstützt. Doch die Demonstrationen und andere Protestformen für die Unterstützung Afrins hatten nicht nur in Süleymaniye stattgefunden. Viel umfassender als in Süleymaniye war es in Erbil, Duhok, Zaxo, Şeklawa und vielen weiteren Orten zu Demonstrationen, Kundgebungen und der Sammlung von Hilfsgütern für Afrin gekommen. Die türkische Regierung versuchte mit ihren Erklärungen den Eindruck zu vermitteln, die Proteste für Afrin hätten nur in Süleymaniye stattgefunden. Auf diesem Weg sollten Konflikte zwischen der kurdischen Autonomieregierung und den Städten und Dörfern Südkurdistans hervorgerufen werden. Arez Abdullah, PUK-Fraktionsvorsitzender im irakischen Parkament, verurteilte die türkischen Äußerungen als einen Versuch, Südkurdistan und die südkurdische Regierung zu spalten.

Ein Versuch, den ‚Nationalen Einheitskongress‘ zu verhindern

Die Vorstöße der türkischen Regierung in den letzten Tagen zeigen deutlich, dass sie auf die Durchkreuzung ihrer Besatzungspläne für Shengal, Mossul und Kirkuk mit dem schmutzigen Versuch reagiert, die kurdische Autonomieregierung und die südkurdischen Parteien erneut zu spalten und in Konflikte miteinander zu verwickeln.
Im Rahmen des Protestes der südkurdischen Bevölkerung gegen die türkischen Angriffe auf Afrin zeigte sich der Wille der Menschen für Afrin einzutreten, wodurch wichtige Bedingungen für die nationale Einheit der Kurdinnen und Kurden geschaffen wurden. Es wäre daher nicht falsch, die derzeitigen Bemühungen der Türkei als Versuch zu bewerten, die kurdische nationale Einheit zu verhindern. Doch die Erklärungen zahlreicher südkurdischer Parteien und ihrer Vertreter machen deutlich, dass die türkischen Spaltungspläne wohl nicht fruchten werden und sich niemand gegen die nationale Einheit stellen wird.

Die Phase verläuft zum Nachteil der Besatzungsmächte

Vor dem Hintergrund der erneuten Spaltungs- und Konfliktpläne der Türkei für Südkurdistan und den Irak, von denen sich die Türkei einen Ausbau des eigenen Einflusses verspricht, werden die seit geraumer Zeit andauernden Maßnahmen der südkurdischen Bevölkerung für eine Vertreibung der türkischen Besatzungskräfte in Südkurdistan an Fahrt gewinnen. Dies zeigt, dass der Zeitpunkt für das Ende der türkischen Besatzung, die von einigen Kräften seit mehr als 20 Jahren vertieft und ausgeweitet wird, immer schneller näher rückt. Bezüglich der Präsenz türkischer Besatzungstruppen in Südkurdistan gehen allerdings die Meinungen der Autonomen Regierung Kurdistans und der irakischen Zentralregierung nicht weit auseinander. Wir können mit Gewissheit feststellen, dass beide Seiten sich zum ersten Mal in Bezug auf die Vertreibung der türkischen Kräfte aus Südkurdistan einig sind. Dies zeigen die Äußerungen einiger Vertreter irakischer Parteien und irakischer Parlamentarier, die sogar den Einsatz militärischer Gewalt für die Beendigung der türkischen Besatzung Südkurdistans fordern.

Im Original erschien der Artikel am 26.03.2018 unter dem Titel “Hewler-Bağdat ilişkileri ve RTE’nin Güney Kürdistan oyunları… ” auf der Homepage der Nachrichtenagentur Firatnews (ANF).