Beziehungen zwischen Regierungsmacht und Medien in der Türkei

turk basiniFirat Deniz, Kurd-Akad

Das Geschehen in Kurdistan und der Türkei wird gerade von einer Phase mit unklarem Ausgang bestimmt. Angesichts der aktuellen politischen Lage wird eifrig über Krieg und Frieden diskutiert.
Nach einem breit angelegten und intensiv geführten Krieg in den Sommermonaten dominieren wieder Friedensgespräche die aktuellen Schlagzeilen. Die einen interpretieren das Wiederanknüpfen an die Friedensbemühungen als ein Manöver, als Teil der „Integrationspolitik“ der AKP, das lediglich die Zerschlagung der kurdischen Freiheitsbewegung zum Ziel hat. Die anderen hingegen bewerten die Friedensgespräche als unterstützenswerte Phase, die in eine friedliche Lösung münden könnte.

Betrachtet man in dieser Situation die Positionierung der Medien, so führt das nur zu Verwirrung und Unverständnis. Angesichts der intensiven Kriegsphase und des Schweigens der Medien im vergangenen Sommer erscheint es umso merkwürdiger, dass sie sich in letzter Zeit sehr intensiv an den Diskussionen beteiligen. Beim ersten Hinsehen erweckt das den Anschein, als habe man sich von der ursprünglichen Haltung in dieser Angelegenheit abgewendet.

Aber wodurch ist der plötzliche Wandel der Mainstream-Medien in der Türkei entstanden und wie können sie die intensive und kontinuierliche Behandlung der kurdischen Frage plötzlich derart beeinflussen und steuern? Die Antwort auf diese Frage liegt tief versteckt in den Wurzeln der Beziehungen der Medienbarone zur Regierungsmacht.

Diese Beziehungen haben sich durch ihre historische Dialektik begründet zu einem Charakteristikum der reichen Medien etabliert.

Die Herrschaft der kapitalistischen Beziehungen in unserer Zeit, die Formen der Beziehungen der reichen Medien zur Regierungsmacht, die Art, wie diese Beziehungen genährt werden, sowie die Unterdrückung und Steuerung der Medien durch die dominierende Staatsmacht zur Verfolgung von deren politischen Zielen sollten für alle offenkundig sein.

Die herrschende Kooperation von Medien und Regierungsmacht in der Türkei ist vielleicht sogar eines der niederträchtigsten Beispiele weltweit.

Die Haltung der bourgeoisen Medien insbesondere gegenüber dem Krieg in Kurdistan ist ein einzigartiges und unvergleichliches Beispiel für diese Kooperation innerhalb des kapitalistischen Systems.

Einige der grundlegenden Aufgaben der reichen Medien bestehen in der Manipulation der Öffentlichkeit, der Beeinflussung der Bevölkerung in Anlehnung an die Bedürfnisse der Regierungsmacht, das Volk so zu erziehen, dass es nicht über politische Entscheidungen nachdenkt, sie nicht hinterfragt oder anzweifelt und sich damit quasi eine Ersatzregierung etabliert.

Für die Positionierung der mächtigen Medien zum Krieg in der Türkei und Kurdistan gibt es unzählige Beispiele. Der ideologische Charakter der Regierung hat in dieser Hinsicht keine Veränderung bewirkt.

Die Rolle der reichen Medien geht auf eine Periode bis Anfang 2000 zurück, noch mit einer kemalistischen Staatsordnung; nach 2000 wurde diese Rolle angesichts der Bestrebungen der AKP als politisch-islamische Regierungsmacht intensiviert.

Während in den neunziger Jahren der Generalstabschef zu vereinbarten Terminen Briefings durchführte, übernahmen nach dem Jahr 2000 der türkische Ministerpräsident und seine Berater diese Aufgabe.

Die wirtschaftlich starken türkischen Medien handelten unter der Führung des Ministerpräsidenten wie ein Orchester, indem sie die allgemeine Ordnung zerstörten, oppositionelle Stimmen und Verlage gewaltsam bestraften.

In den neunziger Jahren wurden Büros oppositioneller Medien bombardiert, Journalisten und Schriftsteller wurden durch Untergrundorganisationen der Regierung Opfer sogenannter unbekannter Täter. Nach 2000 nahmen mit der AKP-Regierung die Überfälle eine andere Gestalt an, denn ab diesem Zeitpunkt wurde die Bekämpfung der oppositionellen Kräfte fortgesetzt mit Inhaftierung, Beendigung der Arbeitsverhältnisse, Erpressung und der Verhöhnung durch zivilfaschistische Gruppen.

Falls das zutrifft, dann sind die Medienorgane in der Türkei zu Militärkasernen umfunktioniert worden.

Gegenwärtig sind eine Vielzahl oppositionelle Journalisten mit unterschiedlichen Anschuldigungen in Gefängnissen eingesperrt. Reporter ohne Grenzen (RSF) haben in ihrem jüngsten Bericht eine Auflistung der Staaten nach dem Stand der Pressefreiheit 2013 veröffentlicht; die Türkei liegt unter insgesamt 179 Staaten auf Platz 154.

Während die gegnerischen Kräfte von der AKP-Regierung bestraft werden, werden besonders die in Verbindung mit dem sogenannten „grünen Kapital“ stehenden islamischen Medien wirtschaftlich belohnt.

Bei einer derartigen Bekämpfung des freien Willens ist in einem Land der Zugang der Bevölkerung zu wahren Informationen nicht gegeben. Das kommt den Bedürfnissen der Ultranationalisten sowie der faschistischen Regierungsideologie entgegen, die sie mit ihren moralischen und politischen Grundwerten vermengen und unters Volk bringen. Mit ein paar „Terrorismusexperten“, die auch noch einen akademischen Titel tragen, und einigen „Intellektuellen“, die von den Regierenden aktiv unterstützt werden, setzt das Regime die große Masse der Bevölkerung permanenten ideologischen Angriffen aus und vergiftet deren Denkfähigkeit. Die Masse wird zur blinden Unterstützerin des Regimes degradiert.

Beispielsweise dirigierte man in Phasen vor dem Aufkeimen von Diskussionen über die kurdische Frage die Bevölkerung zu einer nationalistischen und feindlichen Haltung gegenüber einer Lösungsfindung. Diese Handlungsweise diente als Vorbereitung dafür, Empfindungen der Bevölkerung als Hinderungsgrund für die Lösung der kurdischen Frage zu benutzen. Ziel war dabei, dass die Türkei keine Lösungsschritte unternimmt, während man sich die meisten Schritte von den Kurden erhoffte und diese ihren Leuten zugleich die größten Zugeständnisse entlocken sollten.

Die Fortsetzung des Krieges hat für die türkische Bevölkerung überhaupt keinen Nutzen, denn Tausende haben ihr Leben verloren und die Bevölkerung lebt in einem traumatisierten Zustand.

Aus diesem Grund ist eine Positionierung zum Frieden zu erwarten. Das ist real auch der Fall, nur durch die Propaganda der Ideologiemaschine des Staates wird die Bevölkerung manipuliert und feindselig aufeinandergehetzt.

Falls beispielsweise gewünscht ist, dass die Bevölkerung die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union unterstützt, dann muss dementsprechend verstärkt Propaganda betrieben werden. Aber ist es kurze Zeit später von der Regierung so gewollt, kann dieselbe Bevölkerung durch den Medieneinfluss auch zu Gegnern der Europäischen Union werden. Ein weiteres Beispiel: Sind die Kurden durch die US-Politik im Mittleren Osten politisch erfolgreich, kann die türkische Bevölkerung unter größtem Propagandaeinsatz zum Feind der USA werden. Aber ebenso kann sie als Unterstützerin der USA forciert werden, sollte die US-Führung ausdrücken, die Türkei im Kampf gegen die PKK zu unterstützen.
Ähnliche Beispiele könnten hier folgen. Letztendlich sind die gegenwärtigen Fraktionen im kapitalistischen System, die über die Macht über die Medien verfügen und damit ihr Regiment über die Bevölkerung verstärken, äußerst kompetent.

Die Bewertung der 50-prozentigen Unterstützung der AKP-Regierung in der Bevölkerung sollte auch in diesem Kontext erfolgen. Die nationalistischen Medien der Bourgeoisie haben Reflexe entwickelt, die von Zeit zu Zeit sogar die strategischen Schritte der Regierenden überholen.

Bei der Untersuchung der aktuellen politischen Entwicklungen muss die Haltung der türkischen Medien differenziert betrachtet werden.

Wie auch in der Vergangenheit werden sie von der Regierungsmacht als Instrument der psychologischen Kriegsführung benutzt.

Die AKP-Regierung versucht in dieser Phase, die Haltung der Gesellschaft mit der Manipulation der Medien zu steuern. Dadurch will sie auf die kurdische Seite Druck ausüben, um deren Positionen und Forderungen abzuschwächen und sie schließlich in die eigenen Pläne und Strategien einzubeziehen.

Während die politischen Akteure mit Verhandlungen beginnen, wird in den Medien die Entwaffnung der Guerilla thematisiert. Damit wird die kurdische Seite unter Druck gesetzt, ihre Akteure in die Enge getrieben und schließlich Spaltung bezweckt.

Ziel der Regierung ist es, bei den Verhandlungen die andere Seite geschwächt und gespalten einzubinden, um sie schließlich zu zerschlagen.

Während die kurdische Seite aufgrund ihrer freiheitlichen Medienkultur die eigene Gemeinschaft vor diesen Manipulationen schützen kann, ist dies bei der Mehrheit der türkischen Bevölkerung schwierig.

Regierende und Machthaber werden wie auch in der Vergangenheit die Ressourcen des Staates nutzen, um die Medien der Bourgeoisie für die eigenen Interessen zu instrumentalisieren.

Die Völker werden aber gegen die Umzingelung durch Politik, Justiz, Polizei und Medien des kapitalistischen Systems mit der Stärkung der freiheitlichen Medientradition sowie der Aufdeckung der Falschmeldungen die wahre Informationsvermittlung fortsetzen.

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