Die britische Mitteloststrategie und der kurdische Plan Londons

Ein ausführlicher Hintergrundbericht des Journalisten Cafer Tas über die Beziehungen Englands und der Türkei, 01.07.2018

Sowohl der Besuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Großbritannien, als auch die Ereignisse während und nach seinem Besuch, haben die Bedeutung der türkisch-englischen Beziehungen erneut verdeutlicht. Die Annäherungsversuche zwischen England, das sich seit dem Brexit immer mehr auf sich selbst fokussiert, und der Türkei, deren Beziehungen mit der EU jeden Tag schlechter werden, scheint sich zu einem der wichtigsten Ereignisse der letzten Zeit zu entwickeln. Während die anderen europäischen Regierungschefs Erdogan wie einen Fieberpatienten behandeln, fällt das große Interesse Englands für Erdogan besonders auf. Der dreitägige Besuch Erdogans wirkte wie ein Freigang nach Jahren. Erdogan traf sich neben der Premierministerin Theresa May und der Königin Elizabeth II. auch mit wichtigen Vertretern aus der Wirtschaft.

Neben seiner Ehefrau wurde Erdogan von folgenden türkischen Vertretern begleitet: dem Chef des Generalstabs Hulusi Akar, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Mehmet Şimşek, dem Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, dem Justizminister Abdulhamit Gül, dem EU-Minister Ömer Çelik, dem Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi, dem Minister für Energie und Bodenschätze Berat Albayrak, dem Innenminister Süleyman Soylu, dem Minister für Kultur und Tourismus Numan Kurtulmuş und dem Verteidigungsminister Nurettin Canikli. Auch wenn es langweilig erscheinen mag, wollte ich diese Namensliste lückenlos wiedergeben. Erdogan und seine Minister, die im Rest Europas kurz davor stehen zur Persona non grata deklariert zu werden, haben mit ihrem Gang als fast vollständiges Kabinett nach England eine Show veranstalten wollen.

Warum ist Erdogan nach England gegangen?

Der wichtigste der oben genannten Minister ist der Wirtschaftsminister Mehmet Şimşek. Die Türkei, die auf dem internationalen Markt nicht mehr wie gewünscht Kredite aufnehmen kann, hat sich nicht nur auf einen politischen Besuch in das allgemein als Finanzzentrum bekannte England begeben, sondern auch auf einen wirtschaftlichen. In einer Phase, in der auch staatliche Garantien nicht mehr sonderlich wirksam sind, hat England der Türkei die Möglichkeit eröffnet, sich aufs Neue dem internationalen Markt gegenüber zu erklären und Beziehungen zu knüpfen.

Die Treffen von Erdogan und seinem Team im Rahmen eines Mittagessens mit bedeutenden Fonds-Vertreter waren für die Presse geschlossen. Erdogan, der normalerweise besonderes Geschick dabei beweist alles in eine Show zu verwandeln, hat diesmal den eigentlichen Grund für seinen England-Besuch zu verheimlichen versucht. Wenn man sich die Firmen und Fonds-Vertreter anschaut, die bei dem Essen zusammen kamen, versteht man sofort den Grund für Erdogans Besuch; AXA, Credit Suisse, Bluebay, Invesco, Goldman Sachs AM, Fidelity, LGIM, Morgan Stanley, Blackrock, Amundi, JP Morgan, ING, BAE Systems, Edentree, HSBC, Standard Chartered, EBRD, Deutsche Bank, Aviva, Rabobank, Threadneedle, Vanguard and CitiGroup, Vitol und Asthenius Capital. Wir werden wohl vorerst nicht wissen, was Erdogan für Versprechen machte, als er hinter geschlossenen Türen Geld aufzutreiben versuchte. Doch wir können schon jetzt voraussehen, dass sich die dortigen Gesprächsinhalte nicht zu Gunsten der Menschen in der Türkei bemerkbar machen werden.

Während Mehmet Şimşek Garantien dafür abgab, sich den allgemein anerkannten Regeln der Wirtschaftswelt zu unterstellen und damit Vertrauen wieder belebte, kam das Ego von Erdoğan durch, der damit die Versuche Mehmet Şimşeks ins Leere laufen ließ. Erdogan betrachtete es in seinem Interview mit dem Sender Bloomberg in London nicht als problematisch zu erklären, dass er die Unabhängigkeit der Zentralbank nicht anerkenne. Die Notenbank sei zwar auch nach der Umstellung auf das Präsidialsystem unabhängig, könne aber die Signale des Präsidenten als Chef der Exekutive nicht ignorieren, sagte Erdogan.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Treffen von Erdogan und Theresa May bezeichnete May die Türkei als einen „wahren Freund“ und erklärte: „Die Türkei ist aufgrund des Putschversuchs, der Instabilität an der syrischen Grenze und dem kurdischen Terror unter enormen Druck“. In einer Zeit, in der die traditionelle anti-kurdische Politik der Türkei auf dem internationalen Parkett keine Unterstützung findet, muss die Verwendung des kurdischen Terrorbegriffs durch die englische Premierministern als eine starke Botschaft an das Erdogan-Regime und den türkischen Staat verstanden werden. Die eigentliche Frage ist, warum England dies tut und was May konkret vom Erdogan-Regime und allgemein von der Türkei erwartet. In diesem Artikel werden wir die Antworten darauf zu finden versuchen. Die Beziehungen Englands mit der Türkei blicken auf eine lange Geschichte zurück, die sich von der Kultur, über die Wirtschaft bis zur Politik erstreckt. All diese Bereich ausführlich zu beleuchten würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Wir werden trotzdem versuchen einen Blick auf die Geschichte der Beziehungen zu werfen, um die Gegenwart besser hinterfragen zu können.

Der Mittlere Osten und England

Das Interesse Englands für den Mittleren Osten begann mit der Kolonisierung Indiens und setzte sich später mit dem wachsenden Interesse an Erdöl fort. Die Kolonialisierung Indiens veränderte die Weltpolitik Englands stark. Das Primat Englands war es von nun an Indien zu lenken und die Wege dorthin zu sichern. Mit der Kolonialisierung Indiens begannen die englischen Wissenschaftler intensiv die indische Kultur zu erforschen. Später wurde dies als nicht ausreichend bewertet und die Forschung von der indischen auf die islamische Kultur ausgedehnt.

Mit den im 18. Jahrhundert beginnenden Arbeiten wurde die Region in all ihren Facetten mithilfe von Kultur-, Sprach-, Religionswissenschaften und der Anthropologie erforscht. Mit der Zeit wurden diese Arbeiten systematisiert und in den Universitäten neue Institute gegründet. Die Überlegenheit Englands gegenüber dem Osten verwandelte sich zunehmend in eine Arroganz, welche die Beziehungen lange Zeit prägte. Dieser arrogante Blick von oben sorgte in den islamischen und östlichen Gesellschaften für einen zunehmenden Hass auf England. Wir können feststellen, dass ein Aspekt der bis heute andauernden Ost-West-Spannung die erwähnte Rhetorik des Hasses und der Arroganz ist. Folgende Worte von Arthur James Balfour im englischen Unterhaus im Jahr 1910 sind ein gutes Beispiel für die westliche Wahrnehmung des Ostens: „Schaut euch einmal die Geschichte der östlichen Nationen an. Ihr werdet keinerlei Spuren von Selbstverwaltung finden. Wenn unsere Aufgabe darin besteht zu regieren und auch wenn sie eigene Ansichten zu den Wohltaten haben, die wir ihnen bereitet haben, ist und bleibt es unsere vorrangige Aufgabe zu führen und zu regieren.“ Wie sehr ähneln diese Worte doch der Herangehensweise der türkischen Herrscher an die Kurden. Im Grunde besteht hier eine historische Kontinuität; nicht zwischen den Engländern, Arabern und Türken, sondern zwischen den Unterdrückten und Unterdrückern. Die Unterdrücker nutzen überall dieselbe Sprache. Der praktische Einstieg Englands in den Mittleren Osten war der Kriegsbeitritt des Osmanischen Reichs an der Seite Deutschlands. Vorher hatte England nicht direkt in den Mittleren Osten interveniert. Doch nach dem Krieg geriet ein beträchtlicher Teil des Mittleren Osten unter die Kontrolle Englands.

Die türkisch-englischen Beziehungen

England gehörte zu den ersten Ländern, die kontinuierliche diplomatische Beziehungen zum Osmanischen Reich aufnahmen. Der erste englische Botschafter im Osmanischen Reich, William Harborne, wurde 1583 nach Istanbul entsandt. Im Jahr 1793 wurde Yusuf Agah Efendi als osmanischer Botschafter nach London geschickt. Auch die türkisch-englischen Wirtschaftsbeziehungen reichen bis in das 16. Jahrhundert zurück. Das Osmanische Reich verfügte damals im Bereich der eigenen Wirtschaft über eine äußerst selbstbewusste Haltung. Mit der Zeit begann jedoch der ökonomische Abstieg des Osmanischen Reiches. Zeitgleich erneuerte sich England nach innen durch die Reform der eigenen Institutionen und der darauf folgenden industriellen Revolution – eine der wichtigsten Wendepunkte der Menschheitsgeschichte. England wurde auf Grundlage dieser Entwicklungen zur neuen Weltmacht. Im weiteren Verlauf verwandelte es das Osmanische Reich auch mit Hilfe der sogenannten ‘Kapitulationen’ zu einem großen Markt, auf dem die neue Weltmacht ihre Produkte verkaufen konnte.

England bezeichnete das Osmanische Reich als Nahen Osten und unterstützte es stets, um es als Gegenpol zu Russland zu stärken und auf diesem Weg eigene Interessen durchzusetzen. Der Umstand, dass die Türkei im 1. Weltkrieg an der Seite Deutschlands kämpfte, Istanbul später von den Engländern besetzt wurde und sich die Beziehungen während der Gründungsjahre der türkischen Republik verschlechterten verhinderte nicht, dass die Beziehungen sich während des Kalten Krieges wieder stabilisierten.

Starke wirtschaftliche Beziehungen

Auch nach dem Ende des Kalten Krieges entwickelten die NATO-Partner Türkei und England ihre Beziehungen mit dem Ziel weiter, ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen. Im Jahr 2007 verabschiedeten beiden Länder ein Abkommen über die türkisch-englische strategische Zusammenarbeit, das während eines Staatsbesuchs des damaligen englischen Premierministers David Cameron in der Türkei im Jahr 2010 angepasst und erneuert wurde. Das Abkommen umfasste die Bereiche diplomatische Beziehungen, Handel und Investitionen, EU-Mitgliedschaft der Türkei, Stabilität und Frieden in der Region, Zypern, Verteidigung, Globale Sicherheit, Illegaler Handel mit kleinen und leichten Waffen, Kampf gegen illegale Migration, Energiesicherheit, Zukunft des verringerten Co2-Ausstoßes, Interkultureller Dialog, Bildung und Kultur. Noch im selben Jahr überreichte die Englische Königin dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül den ‘Chatham House Preis 2010’, was als Ausdruck der damals äußerst positiven türkisch-englischen Beziehungen verstanden werden kann. Zur Förderung des Dialogs wurde das ‘Türkisch-Englische Verständigungsforum’ gegründet, das sich aus Vertretern der Politik, Wissenschaft, Medien und Kunst der beiden Ländern zusammensetzt. Die erstmals im Jahr 2011 in England abgehaltenen Treffen wurden später kontinuierlich fortgesetzt. Der vor Kurzem erfolgte Besuch Erdogans samt umfangreicher Entourage ist eine Fortsetzung dieser Treffen.

Nach der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 zeigte sich deutlich die Schwäche all der Länder, die nicht über eigene industrielle Kapazitäten verfügten. Es wurde immer deutlicher, dass eine Wirtschaft, die maximal abhängig vom Finanzsektor war, große Schwierigkeiten sowohl bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze, als auch bei der Steigerung der eigenen Produktivität hatte. Als Reaktion auf die Krise trat England auf internationaler Ebene noch entschlossener als zuvor für die eigenen wirtschaftlichen Interessen ein. Nachdem die englische Wirtschaft zunächst um 4,9% geschrumpft war, stabilisierte sie sich schnell und wuchs wieder um 1,3%. Dieser Trend setzte sich fort, was an dem durchschnittlichen jährlichen Wirtschaftswachstum von 2,5% erkennbar wird. Mit einem Umfang von 2,828 Trillionen Dollar steht England an fünfter Stelle der stärksten Wirtschaften weltweit.

England verfolgt im Rahmen seiner Beziehungen zur Türkei ganz offen eigene Interessen ohne sich in irgendeiner Weise vom Emotionen leiten  zu lassen. Die Türkei exportierte im vergangenen Jahr im Wert von zehn Milliarden Dollar nach England, das wiederum Waren und Dienstleistungen im Wert von sechs Milliarden Dollar in die Türkei verkaufte. Gemäß dieser Zahlen ist England nach Deutschland und dem Irak der drittwichtigste Handelspartner der Türkei. Während die Türkei Maschinen, LKWs/KfZs etc. , Eisen- und Stahlprodukte an England verkauft, führt es Autos, sub-industrielle Produkte, Pharmazeutika, Eisen-/Stahlprodukte und Plastikprodukte aus England ein. Zudem gehört England nach Deutschland und Russland zu den Ländern, aus denen die meisten Touristen in die Türkei reisen.

Betrachtet man die Aktivitäten ausländischer Unternehmen in der Türkei, wird erkennbar, dass England mit 2760 Unternehmen an zweiter Stelle nach Deutschland steht. Neben British Airways, HSBC, Tesco, BP, Shell, Vodafone, Marks and Spencers, Harvey Nichols und Commercial Union sind zahlreiche weitere englische Firmen in dem Land aktiv. Für die Bewertung wirtschaftlicher Beziehungen reicht die Betrachtung des Imports und Exports nicht aus. Auch eine Betrachtung der Aktivitäten der Unternehmen aus den betreffenden Ländern lohnt sich. Die Aktivitäten der englischen Unternehmen in der Türkei verdeutlichen, dass die wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder deutlich zugunsten der englischen Wirtschaft ausfallen. Dies stellt einen der wichtigsten Gründe für das hohe Interesse Englands an der Türkei dar.

Das ungelöste Zypern-Problem

Ohne Zweifel war England vor dem Brexit das Land in der EU, das die EU-Mitgliedschaft der Türkei am stärksten unterstützte. Alle bedeutenden Parteien des Landes bewerteten eine türkische EU-Mitgliedschaft als vorteilhaft für die englischen Interessen und unterstützten sie dementsprechend auf allen Ebenen. Doch mit dem Rückzug Englands als aktiver Akteur in der EU, konnte die pro-türkische Haltung Englands auf Ebene der EU nicht in konkrete Ergebnisse umgewandelt werden. Ohne Zweifel wird das Ausscheiden des wichtigsten Unterstützers der Türkei in der EU zukünftig wichtige Folgen für die europäisch-türkischen Beziehungen haben. Nach dem EU-Ausstieg Englands befindet sich auch die EU-Politik der Türkei in einer gänzlich festgefahrenen Position, zusätzlich zu der Entfremdung von der EU aufgrund der Politik Erdogans.

Trotz seiner großen Bedeutung für die türkisch-englischen Beziehungen, widmen wir der Zypern-Thematik nur selten die gebührende Aufmerksamkeit. Das Abkommen über die türkisch-englische strategische Zusammenarbeit aus dem Jahr 2010 umfasst auch Absprachen ǘber Zypern. Beide Länder einigten sich damals darauf, “auf der Basis politischer Gleichberechtigung eine Föderation beider Regionen und Gesellschaften zu unterstützen”. Doch die beiden Länder profitieren in gewisser Hinsicht von dem ungelösten Zypern-Problem. England verhindert auf diesem Weg, dass seine zypriotische Militärbasen in Frage gestellt werden und sichert somit seine militärische Präsenz vor Ort ab. Nach einer Lösung würde sicherlich umgehend das Thema der englischen Militärbasen auf die Agenda gesetzt werden. Bereits der frühere britische Außenminister Philip Hammond sah sich dazu gezwungen, die Aufgabe der englische Militärbasen und den Verzicht auf die Rechte als Garantiemacht in Aussicht zu stellen. Die Interessen der Türkei und Englands decken sich im Falle Zyperns, denn beide nutzen die Insel, um ihren politische und militärischen Einfluss im östlichen Mittelmeer und dem Mittleren Osten zu sichern.

Unterstützung für eine Politik der Massaker

Auch wenn England im Zuge des syrischen Bürgerkrieges die Türkei wiederholt mit schwacher Stimme dazu aufforderte, sich am Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) zu beteiligen, unternahm es keine ernstzunehmenden Schritte gegen die türkischen Besatzungsoperationen in Syrien, die mit russischer Unterstützung stattfanden. England unterstützt die kurdenfeindliche Politik und die Massaker, welche die Türkei sowohl im Inneren als auch nach Außen verfolgt.

Im Stile der heimlichen Zusammenarbeit mit der Türkei in der EU im Bezug auf Zypern, war England auch stets einer der wichtigsten Unterstützer der schmutzigen Kriespolitik der Türkei gegen die Kurdinnen und Kurden. England verfolgt seine Interessen auf Zypern und im östlichen Mittelmeer, indem es die Zypern-Politik der Türkei nutzt, die noch immer nicht zu einer Lösung geführt hat. Auch während seiner EU-Mitgliedschaft blieb England in gewisser Weise stets ein äußerer Akteur der EU und unterstützte in dieser Position die Türkei, um die EU zu verwässern und von ihren Inhalten zu entleeren.

Der Bürgerkrieg in Syrien und der Kampf gegen den IS im Irak führten dazu, dass nicht nur England, sondern die ganze Welt ihre Beziehungen zu den Kurdinnen und Kurden neu bewertete. Einige versuchten, ihre Beziehungen zu ihnen zu verbessern, während sich andere durch die gesteigerte Bedeutung der Kurdinnen und Kurden gestört fühlten. Die Befreiung Rakkas stellt das wichtigste militärische Ereignis der jüngsten Zeit im Mittleren Osten dar. Was die Zukunft der dschihadistischen Bewegungen im Mittleren Osten betrifft, ist die Vertreibung des IS aus Rakka, trotz seiner umfangreichen Vorbereitungen und der Konzentration großer Teile seiner Kräfte, eine wichtige Entwicklung. Für die Befreiung Rakkas sind Tausende gefallen. Während mit dem IS ein großes Übel für die Völker der Region und für die ganze Welt endgültig vertrieben und dies in allen Teilen der Welt begrüßt wurde, verbreitete die BBC eine Nachricht, mit der all diese Bemühungen ins Leere laufen sollten. England fühlte sich offensichtlich unwohl damit, dass die Kurdinnen und Kurden in der Region die Initiative ergriffen hatten. In der sorgfältig vorbereiteten Nachricht, die von BBC verbreitet wurde, beschuldigte man die Kurden und ihre Verbündeten, einen Deal mit dem IS abgeschlossen zu haben. Die BBC berichtete, die YPG und amerikanische Kräfte hätten 4000 IS-Kämpfern freies Geleit aus der Stadt gewährt. Den Zuschauerinnen und Zuschauern wurde die Nachricht bewusst auf Grundlage übertriebener Zahlen präsentiert. Der IS war aus seiner Hauptstadt vertrieben und die Stadt befreit worden. Doch anstatt über dieses wichtige Ereignis zu berichten, verbreitete die BBC weltweit die Nachricht über ‘Die schmutzigen Geheimnisse aus Rakka!’, mit der sie der türkischen Presse eine Steilvorlage bot. Die BBC verriet mit dieser Nachricht letztendlich wie die Akteure der englischen Politik auf den Mittleren Osten und die Kurden blicken. Die BBC versuchte auf diesem Weg den Eindruck zu schaffen, die YPG arbeite vor Ort mit dem IS zusammen und sei in diesem Sinne nicht die Kraft, die den IS in Rakka besiegt habe. Wir können daher ohne größere Schwierigkeiten festellen, dass die Haltung Englands und der Türkei an dieser Stelle von starken Parallelen geprägt ist.

Die Akteure der englischen Politik sehen in der Lösung der kurdischen Frage und der Demokratisierung der Türkei keinerlei Vorteile für sich. Daher können wir sagen, dass die Engländer am wenigsten Interesse an diesen beiden Themen haben. England hat auf allen Ebenen eine Politik verfolgt, die der Türkei den Vorrang gibt. Die Besuche von Doğan Güreş in den 90er Jahren und von Yaşar Büyükanıt im Jahr 2008 waren schon damals bemerkenswerte Ereignisse. Wir müssen in diesem Zusammenhang unterstreichen, dass die Verbrennung tausender kurdischer Dörfer während der 90er Jahre und die Pläne für eine Zerschlagung der kurdischen Freiheitsbewegung nach 2008 in England vorbereitet wurden.

Der Text ist eine Zusammenstellung zweier Artikel, die im Original am 28.06.18 (Titel: “Ingiliz stratejisi”) und 29.06.18 (Titel: “Londra’nın Kürt planı”) in der Tageszeitung Yeni Özgür Politika erschienen.

Mehr zur Mitteloststrategie von Großbritannien: http://civaka-azad.org/britanniens-neuer-mittelost-report/

Mehr zur Mitteloststrategie von Deutschland: http://civaka-azad.org/die-historische-entwicklung-der-deutsch-tuerkischen-beziehungen-1-teil/