„Deutschland war und ist Teil des Kriegs gegen die Kurden“

In einem ausführlichen Interview äußert sich Duran Kalkan als Mitglied des Exekutivrats der PKK zur Repression in Deutschland, der internationalen Solidarität und dem Aufbau eines globalen demokratischen Konföderalismus, 18.03.2018

Auch wenn die deutsch-türkischen Beziehungen offiziell in der Zeit der Seldschuken im 11. Jahrhundert begannen, kann von einer gemeinsamen Beziehung ab dem 19. Jahrhundert gesprochen werden. Wie haben sich die Beziehungen zwischen Preußen und dem Osmanischen Reich im 19. Jahrhundert entwickelt und wie ist der Charakter dieser Beziehungen für beide Seiten zu bewerten?

Mit der Entwicklung des europäischen Kapitalismus und dem Wachstum des Russischen Kaiserreichs wurde das Osmanische Reich ab dem 17. und 18. Jahrhundert zunehmend schwächer und befand sich in einer Phase des Niedergangs. Anfang des 19. Jahrhunderts demaskierte sich diese Situation noch deutlicher. Das Russische Kaiserreich im Osten engte das Osmanische Reich amSchwarzen Meer und am Kaukasus ein, wie auch der zunehmend an Einfluss gewinnende europäische Kapitalismus von England und Frankreich. Das Osmanische Imperium verlor mit den Niederlagen in Kriegen immer mehr Land und wurde militärisch geschwächt.

Die Bemühungen des Osmanischen Reiches zu Beginn des 18. Jahrhunderts, sich entsprechend der kapitalistischen Moderne Europas zu formieren, konnte den Niedergang des Imperiums nicht stoppen. Um den zunehmenden Zerfall zu verhindern, begann man, die Autonomie, die Anfang des 19. Jahrhunderts den verschiedenen Gesellschaften innerhalb des Reiches gewährt worden war, einzuschränken. Insbesondere militärische Feldzüge im Inneren dienten dazu, die autonomen Verwaltungen, vor allem der kurdischen und armenischen Gesellschaften einzuschränken und deren lokale und militärische Kraft unter Kontrolle des Imperiums zu stellen.

Das Osmanische Reich geriet wegen der Expansion des [a.d.Ü: europäischen, französischen, britischen] kapitalistischen Systems unter Druck und konnte sich nicht dagegen schützen. Es suchte deshalb eine Lösung im Inneren entsprechend dem Prinzip „Wer seinen Esel nicht schlagen kann, schlägt den Packsattel“ und verfolgte eine Politik der Zentralisierung sowie Bündelung der politischen und militärischen Macht, indem es die autonomen Verwaltungen im Reich in ihren Rechten einschränkte. So wollte das Osmanische Reich seine Existenz sichern. Angefangen von dem Rewanduz-Angriff über die Maßnahmen gegen den Widerstand von Şêx Ûbeydûllah zu Beginn der 1880er Jahre bis hin zu den gemeinsamen Angriffen mit dem Iran gegen das Fürstentum Botan, um den Einfluss des Fürsten Bedirxan zu brechen, begann das Osmanische Reich einen fortschreitenden hundertjährigen Krieg und eine militärische Okkupation Kurdistans.

Dieser Zustand konzentrierte zum einen die politische und militärische Macht der kurdischen Fürsten im Zentrum des Osmanischen Reiches, zum anderen führte es zu mehr Kontrolle über die Reichtümer der armenischen Gesellschaft. Trotz dieser internen Maßnahmen und der dabei erbeuteten politischen, militärischen und ökonomischen Ressourcen konnte das Reich dem Druck der externen Kräfte – vor allem der de facto Allianz Englands, Frankreichs und Russlands – nicht standhalten. Auf der Suche nach einer externen Stütze gegen diese Einengung von außen fand das Osmanische Reich das aufstrebende Deutsche Reich als vorteilhafteren Verbündeten.

Es ist bekannt, dass das durch preußische Macht geeinte Deutsche Reich während der Entwicklung der kapitalistischen Moderne in Europa, ähnlich wie das Osmanische Reich auch, isoliert war. Die kapitalistischen Beziehungen entwickelten sich in England, den Niederlanden, Spanien und Frankreich früher als in Deutschland. Zudem verfügte Deutschland nicht über die nötige Einheit, so dass der deutsche Einfluss im europäischen Kontext sehr schwach war.

Dieser Zustand veränderte sich erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Modernität voranzubringen, indem in Anlehnung an den Staat von oben die Entwicklung des Kapitalismus betrieben wurde, brachte Vorteile. In Kombination mit der Vereinigung aller deutschen Teile zu einem Reich mithilfe der preußischen Macht wurde das deutsche Imperium in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer wichtigen politischen und militärischen Kraft in Europa. Aufgrund dieser verspäteten kapitalistischen Entwicklung des nun sehr starken und einheitlichen deutschen Staates war das Deutsche Reich besonders gierig und ausbeuterisch. Es wurden neue koloniale Gebiete dringlich gebraucht und gesucht.

Bedingt durch das englische, französische und russische Bündnis verlor das Osmanische Reich an Kraft und Bedeutung und wurde immer weiter in die Enge getrieben. An diesem Punkt bot es sich dem hungrigen und ausbeuterischen deutschen Kapitalismus als ein wichtiger Partner an. Das Osmanische Reich wurde für das Deutsche Reich sowohl zum wichtigen Partner im Kampf gegen politisch-militärische Gegner, als auch zu einem kolonialen Raum, der die Bedürfnisse des deutschen Kapitalismus als neues Feld der Ausbeutung erfüllte. Die sich Ende des 19. Jahrhunderts intensiv entwickelnden Beziehungen zwischen den beiden Reichen auf diese Weise zu beschreiben, die Gründe und Ursachen so zu benennen, führt zum besseren Verständnis der heutigen Situation und des Bündnisses.

Dabei fällt auf, dass beide Seiten sich gegenseitig auf vielfältige Weise brauchten. Auch wurden beide Imperien von ähnlichen Feinden umzingelt und unter Druck gesetzt. Durch die gegenseitige Abhängigkeit und den Kampf gegen denselben Feind wurden die Beziehungen immer mehr gestärkt. Der mit dem Bau der Berlin-Bagdad-Bahn begonnene Prozess der Partnerschaft führte zur Schicksalsgemeinschaft im Ersten Weltkrieg gegen den britisch-französisch-russischen Block und ermöglichte den Bestand beider Imperien.

Aus Sicht der Deutschen Reichs bot sich das vom Kapitalismus bisher nicht in Beschlag genommene große Territorium des Osmanischen Reichs als Raum für Investitionen an. Zudem eröffnete sich damit die Möglichkeit, im asiatischen Raum gegen die europäische und russische Konkurrenz zu agieren. Nachdem der deutsche Kapitalismus seine Einheit herstellte und sich reformierte, verfolgte er das Ziel, zu einer globalen Hegemonie zu werden und die Führung über die kapitalistische Moderne zu übernehmen. Diese Strategie diente dazu, führende hegemonische Macht weltweit zu werden. Es ist bekannt, dass eine solche Strategie und Praxis verfolgt wurden.

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts begann dieser sich durch eine zunehmende Militarisierung kennzeichnende Prozess. Aufgrund der vielfältigen Beziehungen und Bündnisse mündete der Prozess in den ersten Weltkrieg. Es ist bekannt, dass der erste Weltkrieg im Wesentlichen ein deutsch-britischer Krieg war. Wir wissen auch, dass das System der kapitalistische Moderne entwickelt wurde, um selbst zur globalen Hegemonie zu werden, also sich überall zu verbreiten. Gleichzeitig fand ein Verteilungskampf zwischen den führenden kapitalistischen Kräften statt. Der späte Aufbruch und der Eifer des deutschen Imperialismus gegen die sich bereits kolonialistisch entwickelten Mächte Großbritannien, Frankreich und Russland führte zu einem erneuten Verteilungskampf und zum Krieg um die Eroberung und Einflussnahme neuer Gebiete.

Es ist bekannt, dass in diesem Kampf, in dem es vor allem um die Neuaufteilung der von England angeführten kapitalistischen Moderne ging, die osmanischen Gebiete – gekennzeichnet von Ausbeutung der eigenen Gebiete und als Eintrittspforte nach Asien – der Strategie des deutschen Kapitalismus am meisten dienten.

Es ist offensichtlich, dass die Beziehungen zum Osmanischen Reich dem Deutschen Reich im Kampf gegen die englische Vorherrschaft große Vorteile brachten. Daher hat es stets Wert darauf gelegt, mit der zentralen Führung des Osmanischen Reiches Beziehungen aufzubauen. Die Suche des Osmanischen Reiches nach externen Verbündeten, um dem Niedergang durch die Expansion des englischen und französischen Kapitalismus in Europa und der Einengung durch das Zarenreich zu entgehen, präsentierte sich das Deutsche Reich als Retter in der Not. Das waren die Ursachen und Motive ihrer Partnerschaft, die zum schicksalshaften Bündnis im Ersten Weltkrieg führte. Für die Osmanen, die sich in der Defensive befanden und von der Allianz der Briten, Franzosen und Russen bedroht wurden, war der externe Halt durch das Deutsche Reich eine verteidigungsstrategische Notwendigkeit.

Für das Deutsche Reich, welches eine etatistisch-kapitalistische Entwicklung vollzog, war eine zentrale Motivation für dieses Bündnis, wie bereits gesagt, das Territorium des Osmanischen Reichs als Absatzmarkt und das sich damit öffnende Tor nach Indien und Asien. In diesem Zusammenhang spielte das Osmanische Reich für die Interessen des Deutschen Reiches eine außerordentliche Rolle.

Mit dem Bau der Berlin-Bagdad-Trasse in der Mitte des 19. Jahrhunderts intensivierten sich die Beziehungen. So erreichte Deutschland eine wichtige Ausbeutungsbasis. Dieses Bündnis nutzte eine Zeitlang beiden Kräften. Diese Phase gipfelte im ersten Weltkrieg. Hier konnte trotz aller Bestrebungen das genannte Bündnis den Angriffen aus England und Frankreich nicht stand halten. Beide Mächte waren somit mit ihrer Strategie gescheitert. Deutschland konnte nicht zur führenden globalen Macht werden. Später erfolgte der Versuch, dieses Ziel mittels des Hitler-Faschismus zu erreichen. Das Osmanische Reich konnte sich nicht vor dem Zerfall retten. Auf den Trümmern des osmanischen Reiches gründete sich, wie wir wissen, die Republik Türkei, die sich mit der kemalistischen Bewegung von den Kriegsverlusten zu erholen versuchte. Während das Osmanische Reich unter der Einheitsregierung zerfiel, erlangte eine kemalistische Gruppe, die ein kleiner Ableger dessen war, die Initiative. Sie nutzte die Chance und gründete einen neuen Staat in Form der Republik Türkei. Deutschland hingegen versuchte, sich ebenfalls von der Niederlage zu erholen, was in den Hitler-Faschismus mündete.

Wie bewerten Sie in diesem Zuammenhang den deutschen Imperialismus? Was sind seine zentralen Charakteristika?

Zunächst einmal muss erwähnt werden, dass sich der deutsche Kapitalismus im europäischen Kontext recht spät entwickelt hat. Es ist zudem wichtig festzustellen, dass es sich um einen Kapitalismus handelt, der sich durch Reformierung von oben in Anlehnung an den Staat entwickelt hat. Demgegenüber haben sich das kapitalistische System und die kapitalistischen Beziehungen in zahlreichen anderen europäischen Staaten dadurch entwickelt, dass die feudalen Strukturen durch Weiterentwicklung in zunehmendem Widerspruch zum Bestehenden standen.

In Deutschland vereinigten sich die Fürstentümer mit den preußischen Kräften und so entstand eine Staatsführung. Die kapitalistischen Beziehungen lehnten sich an diese Staatsmacht an; sie wurden als staatlicher Kapitalismus etabliert und in Wirtschaft und Politik dominant. So unterschied sich die Entwicklung des deutschen Kapitalismus grundlegend von der anderer europäischer Staaten. Eine gegenteilige Formatierung ist der Fall: Eine Veränderung von oben, eine durch die Staatmacht herbeigeführte. Sie ist von Beginn an zentralistisch, monopolistisch und hegemonisch, was zu einer stärkeren Schwächung führt, aber auch die Aggressivität steigert.

Wir müssen daher folgendes erkennen: Es handelt sich um einen verspäteten Kapitalismus. Ein Kapitalismus, der sich mit Staatskraft entwickelt, ist somit weniger stark, sehr aggressiv, zentralistisch und monopolistisch. Die kapitalistischen Führungsbestrebungen Deutschlands führten zum ersten Weltkrieg.

Der Hauptgrund für den Angriff auf Russland im zweiten Weltkrieg liegt nicht, wie von einigen gedacht und oft zur Sprache gebracht, darin, gegen den Kommunismus zu sein, den sowjetischen Kommunismus besiegen zu wollen und zum Verteidiger des Kapitalismus zu werden. Es ging um mehr, als nur die Vorherrschaft über die kapitalistische Moderne zu erlangen. Es ging vielmehr darum, über den Kaukasus den Iran und von dort aus Indien zu erreichen.

Sicherlich hat der anti-sozialistische, anti-kommunistische Charakter eine Rolle hierbei gespielt. Durch den Kampf mit der Sowjetunion sollte die englische und französische Regierung in den Hintergrund gedrängt werden. Man wollte Vorteile daraus generieren, sich als Verteidiger sowie Vorreiter der kapitalistischen Welt zu präsentieren. Auf diese Weise sollten alle kapitalistischen Kreise angesprochen und ihre Unterstützung gesichert werden. Dies sind alles Einflussfaktoren, jedoch stellen sie nicht den ausschlaggebenden Grund dar. Beabsichtigt war, Indien zu erreichen und England so von einer derartigen Expansion fern zu halten. In diesem Sinne stehen auch die Bestrebungen, die Sowjetunion zu schwächen und über den Kaukasus und den Iran nach Indien zu gelangen. Somit spielt der Widerstand der Sowjetunion gegen den Hitler-Faschismus eine zentrale Rolle, wenn es um die Vereitelung der deutschen imperialistischen Strategie geht. So wurden die Angriffe Hitlers auf sowjetischem Boden sowie die Expansion nach Kaukasien und in den Iran gestoppt.

An diesem Punkt blieb Hitler einzig die Chance, Beziehungen zur Republik Türkei aufzubauen und auf diesem Wege nach Südasien zu gelangen. Doch aufgrund des Einflusses von Staaten wie England, Frankreich und der Sowjetunion auf die Inönü-Regierung stand dieser Weg dem deutschen Kapital und der Hitler Regierung nicht zur Verfügung. Auch wenn sie im Krieg die Hitler-Regierung unterstützte, musste sie aus Angst vor der Allianz der genannten Staaten die Forderungen des Hitler-Faschismus ablehnen. Der deutsche Imperialismus wurde ein zweites Mal besiegt.

Obwohl Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg umfangreiche Vorbereitungen zur Kolonialisierung des Mittleren Ostens traf, erlitt es eine große Niederlage. Historiker bezeichnen dies sogar als das „Mesopotamien-Trauma Deutschlands”. Was sind ihrer Meinung nach die Interessen Deutschlands im Mittleren Osten?

Deutschland führt über Istanbul im Grunde seit den letzten 150 Jahren eine ernstzunehmende Kolonialisierung im Mittleren Osten aus. Dieser Prozess begann mit dem Bau der Berlin-Bagdad-Bahn und dauert trotz einiger Unterbrechungen an. Auch heute sind der deutsche Staat und das deutsche Kapital die Kraft, die die besten Beziehungen zur Istanbuler Bourgeoise und der türkischen Republik haben. Die umfassendsten Handelsbeziehungen bestehen zwischen diesen beiden. An führender Position in der türkischen Wirtschaft steht immer Deutschland. Folglich gibt es eine Kolonialisierung in einem sehr bedeutenden Raum im Mittleren Osten. Innerhalb der Grenzen der Türkei beutet zuallererst deutsches Kapital das Land aus. Auch im Iran gehört das deutsche Kapital zu den ausbeutenden Kräften. Auch hier steht vielleicht das deutsche Kapital an erster Stelle der Ausbeutung.

Abseits davon bleibt der arabische Raum. Das deutsche Kapital ist im Hinblick auf den arabischen Raum eventuell keine führende ausbeutende Kraft. Da jedoch das deutsche Kapital in der Türkei und im Iran, den beiden hegemonialen Regionalmächten des Mittleren Ostens, an vorderster Stelle steht, kann man keinesfalls davon sprechen, dass es keine Ausbeutung des Mittleren Ostens durch deutsches Kapital gebe.

Der strategische Rahmen des deutschen Kapitals, über das Osmanische Reich seinen Einfluss bis nach Indien auszuweiten, ist fehlgeschlagen. Der Grund dafür ist, dass trotz des Baus der Berlin-Bagdad-Bahn, die sogar bis nach Basra reicht, die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und militärischen Aktivitäten der sich im Bündnis befindlichen Länder England, Frankreich, Sowjetunion sowie der erste Weltkrieg den Prozess abgebrochen haben. Das deutsche Imperium hatte zum Ziel, seine wirtschaftlichen, politischen und militärischen Beziehungen mit dem Osmanischen Reich soweit auszubauen, um ohne Krieg bis an die Tore Indiens zu kommen. Seine Feinde haben dies unter anderem auch durch den ersten Weltkrieg verhindert und den Weg versperrt. Das ist der einzige Punkt, an dem die Deutschen nicht erfolgreich waren und eine Niederlage einstecken mussten.

Ein anderer Punkt ist, dass die deutsche Politik und das deutsche Kapital im Mittleren Osten immer Partner zentraler Staatsstrukturen waren. Die Führung des Osmanischen Reichs war der einzige Gesprächspartner. Das gleiche gilt auch für den Iran. Das deutsche System hat den lokalen Autoritäten im Osmanischen System nicht sehr viel Beachtung geschenkt und damit einhergehend auch keine Beziehung aufgebaut. Wenn wir bedenken, dass im arabischen Raum solche lokalen Autoritäten stärkeren Einfluss haben, dann hat Deutschland auch an diesem Punkt verloren.

Dagegen haben Länder wie Frankreich und England, anstatt die zentralen Leitungen zur Grundlage zu nehmen, mehr Beziehungen zu lokalen Autoritäten ausgebaut. Damit haben sie an vielen Orten des Mittleren Ostens, besonders im arabischen Raum an Einfluss gewonnen und trotz des Osmanischen Reichs die Kontrolle über einen Großteil des Mittleren Ostens gewinnen können. Dies hat dazu geführt, dass die Öl- und Energiequellen unter die Kontrolle von Ländern wie England und Frankreich gerieten und das deutsche Kapital dieser Quellen beraubt wurde. Dies kann aus zwei Blickwinkeln bewertet werden. Erstens ist die Strategie, durch das Verlegen von Schienen und Straßen auf einfache Weise nach Indien zu kommen, durch den ersten Weltkrieg abgebrochen worden. Zweitens hat die Politik Deutschlands, mit lokalen Autoritäten keine Beziehungen aufzubauen, dazu geführt, dass zum einen England und Frankreich insbesondere im arabischen Raum die Kontrolle über Energieressourcen erhielten, und zum anderen Deutschland durch die Beziehung mit der zentralen osmanischen Autorität nicht alle Quellen innerhalb des Osmanischen Reichs unter Kontrolle bekommen konnte.

Das hängt mit dem deutschen Politikstil und der Art der Ausbreitung des Kapitals zusammen. Beispielsweise ist der Stil von Frankreich, England und sogar Amerika ein anderer. Amerika hat im Mittleren Osten einen ähnlichen Stil wie England und Frankreich verfolgt. Es hat mit breiteren Kreisen, mehr mit lokalen Autoritäten Beziehungen geknüpft, sich nicht auf ein Gebiet begrenzt und Rückschläge an einem Ort mit Erfolgen an anderen Orten ausgeglichen.

Die Art der Beziehung, Ausbreitung und Einflussnahme des deutschen Kapitals und der deutschen Politik ist anders. Es hat immer die zentrale Planung, das zentrale System und sich selbst als Ausgangspunkt genommen. Dies hängt mit seiner eigenen Entstehungsweise zusammen. Wir haben bereits zuvor den Zusammenhang mit der Entstehungsweise des deutschen Kapitalismus erwähnt. In Deutschland ist die kapitalistische Entwicklung aus der Transformierung der feudalen Fürstentümer hervorgegangen. Es ist monopolistisch und hat damit in der politischen und wirtschaftlichen Ausdehnung immer das zentrale System als Ausgangspunkt genommen. In der Vergangenheit hat sich dies in der Beziehung mit dem Osmanischen Reich widergespiegelt. Gestützt auf die Beziehungen und die geschaffene Basis mit dem Osmanischen Reich hat Deutschland einen Großteil des osmanischen Bodens ausgebeutet. Bis zur Niederlage im ersten Weltkrieg war der osmanische Boden der wirksamste Bereich der Ausbeutung für das deutsche Kapital. Auch wenn es eine kurze Unterbrechung im Krieg gab, gab es einen regen Austausch zwischen der türkischen Republik und Deutschland, die bis zum Niedergang des Hitler-Faschismus andauerte. Die Türkei hatte unter İsmet İnönü bis ins Jahr 1944 die besten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen. Hitler gewährleistete das für den Krieg nötige Rohmaterial über die Beziehungen mit der Türkei.

Es ist auch eine offenkundige Tatsache, dass nach dem zweiten Weltkrieg und der Gründung der EU und der NATO vor allem Deutschland als westliches Land mit der Türkei wirtschaftliche Beziehungen knüpfte. Wir erwähnten dies bereits zuvor. In dieser Hinsicht sind die Interessen Deutschlands im Mittleren Osten die wirtschaftlichen Beziehungen, die mit den zentralen Systemen geführt werden. Dies wird auch heute auf wirksame Weise mit der Türkei und dem Iran durchgesetzt.

Wir wissen nicht genau wie das „Mesopotamien-Syndrom“ entstanden ist, aber das deutsche Imperium hatte mit der Berlin-Bagdad-Bahn ein großes Projekt begonnen. Es plante eine langfristige Ausbeutung. Ziel war es, den Mittleren Osten auch mit der Beziehung zum Osmanischen Reich zum eigenen Einflussraum zu machen. Doch dies ist mit der Niederlage im ersten Weltkrieg ins Leere gelaufen. Deutschland konnte diesen Plan nicht umsetzen. Wenn das mit dem Begriff „Mesopotamien-Syndrom“ gemeint ist, stimmt er.

Es ist bekannt, dass in der Phase der globalen Hegemoniewerdung des Kapitalismus der erste Weltkrieg ein Krieg zwischen Deutschland und England um die Kontrolle des Mittleren Ostens war. Die Politik Deutschlands hat ein Bündnis zwischen England, Frankreich und Russland mit sich gebracht. Indem dieses Bündnis mit lokalen Autoritäten des Mittleren Ostens Kontakt aufnahm und den Mittleren Osten auf die Agenda brachte, wurde dem Ersten Weltkrieg, der eigentlich ein Kampf um den Mittleren Osten war, der Weg bereitet.

Den genannten Plänen Deutschlands wurde mit dem ersten Weltkrieg ein Strich durch die Rechnung gemacht, aber diese Pläne waren entscheidende Faktoren für die Entwicklung und den Ausbruch des Krieges. Einer der Hauptgründe für das Bündnis dreier großer Staaten wie England, Frankreich und Russland war die Strategie des deutschen Imperiums, auf Basis der aufgenommenen Beziehungen mit dem Osmanischen Reich den Mittleren Osten unter Kontrolle zu bekommen. Denn dass diese Staaten zu einem Bündnis zusammenkommen oder solch ein Weltkrieg ausbricht, ist keine einfache Sache. Natürlich gibt es auch noch andere Faktoren, aber es ist wichtig, auch diese Realität als einen wichtigen Grund für den Ausbruch eines solch großen Krieges wie dem ersten Weltkrieg zu sehen.

Wie haben sich die deutsch-türkischen Beziehungen seit der Gründung der NATO entwickelt? Sind die grundlegenden Faktoren wirtschaftliche Interessen? Was für eine Bedeutung tragen die Beziehungen Deutschlands mit der Türkei?

Ohne Zweifel haben die türkisch-deutschen Beziehungen nicht mit der Gründung der NATO oder dem Eintritt der Türkei und Deutschlands in die NATO begonnen. Die Beziehungen reichen zurück bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Vor allem beruhen sie auf dem Anfang des 20. Jahrhunderts aufgebauten deutsch-österreichisch-osmanischen Bündnis gegen die Triple Entente. Ich habe bereits darüber gesprochen. In dieser Hinsicht wäre es auf keinen Fall richtig, die sich innerhalb des NATO-Systems entwickelnde Beziehung zwischen beiden Ländern als Ausgangspunkt der türkisch-deutschen Beziehung zu sehen. Das wäre ein Bruch mit der historischen Realität und würde verhindern, die grundlegenden Besonderheiten zu begreifen.

Die Beziehungen, die zwischen dem deutschen und dem osmanischen Reich Mitte des 19. Jahrhunderts aufgenommen wurden und Ende des Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts ausgebaut wurden, haben einige grundlegenden Merkmale. Wir haben versucht, diese aufzuzählen, und zweifellos ist ein Punkt, dass das deutsche Kapital mithilfe des Osmanischen Reiches den Mittleren Osten mit seinen reichen Energievorkommen und natürlichen Ressourcen ausbeuten wollte. Doch das ist nur eine Dimension der Beziehung, und es sollte nicht alles darauf beschränkt werden. Die türkisch-deutschen Beziehungen werden oft nur als wirtschaftliche Beziehungen betrachtet, doch dies ist nicht der Fall. Daneben gibt es auch politische, militärische und sicherheitstechnische Aspekte. Deshalb muss man die türkisch-deutschen Beziehungen ganzheitlich betrachten. Ein Charaktermerkmal neben vielen anderen ist, dass die Beziehung zwischen beiden aus der Ausbeutung der Ressourcen des Mittleren Ostens durch das deutsche Kapital und der Sicherheitsbedenken des Osmanischen Reichs gegen die Expansion Englands, Frankreichs und Russlands herrührt. Beispielsweise ist sich die kapitalistische Transformation in Deutschland und der Türkei ähnlich. In Deutschland wird diese Art der kapitalistischen Entwicklung als „Junker“ bezeichnet, in dem Sinne, dass es eine Monopolisierung durch den Staat gab. Auch in der Türkei sind die kapitalistischen Beziehungen auf zentrale Weise durch den Staat von oben entwickelt worden. In dieser Hinsicht gibt es im türkischen und deutschen Kapitalismussystem keine Demokratie, sondern es werden Diktatur und Zentralismus zur Grundlage genommen. Repressive Autorität steht im Vordergrund. Kapitalismus bedeutet maximaler Profit. Der deutsche und türkische Kapitalismus haben einen Charakter, der auf brutalster Ausbeutung basiert. Deshalb ähneln sich die Systeme und sie kommen gut miteinander zurecht. Diese kolonialistischen Beziehungen können sie gegenseitig einfacher und wirksamer entwickeln. Dies ist der Grund, warum sich die türkisch-deutschen Beziehungen so schnell entwickelt haben und immer funktional waren.

Ein weiterer Punkt ist, dass der osmanische Boden für die Strategie des deutschen Kapitals, die Herrschaft auszudehnen und primäre hegemoniale Kraft des Kapitalismus zu werden, eine strategische Bedeutung innehat. Selbstverständlich war nicht nur der osmanische Boden für Deutschland von strategischer Bedeutung. Ähnliches gilt auch für den Iran, den Kaukasus und Mittelasien. Das deutsche Kapital hatte geplant, über diese Wege bis nach Indien vorzurücken, aber das Gebiet des Osmanischen Reichs bot immer das Potential, die Strategie dort umzusetzen. Auf dieser Basis wurde die Beziehung zwischen dem deutschen und osmanischen Imperium aufgebaut. Die heute noch sehr starken türkisch-deutschen Beziehungen rühren daher. Das deutsche Kapital hat immer noch ähnliche Tendenzen. Folglich wird die Türkei immer als ein Ort betrachtet, an dem die eigene Strategie umgesetzt werden kann. Deshalb ist es falsch, in der Beziehung nur die wirtschaftlichen Interessen zu sehen.

Für das Osmanische Reich und später die Türkei war das deutsche Imperium und später der deutsche Staat – das faschistische Hitler-Regime eingeschlossen – immer eine externe Sicherheitsgarantie. Das sind die wichtigen Faktoren der türkisch-deutschen Beziehungen. Die wirtschaftlichen Profitinteressen haben sich in diesem Rahmen entwickelt. Das heißt, dass die Beziehung strategisch ist. Die türkischen Autoritäten haben die Beziehungen mit Deutschland immer als strategisch betrachtet und wertgeschätzt. Das deutsche Kapitalsystem hat immer einen strategischen Ansatz gezeigt, da die Beziehungen mit dem Osmanischen Reich und der Türkei seiner globalen Ausdehnung dienten. Das bedeutet nicht, dass die wirtschaftlichen Interessen nur im Hintergrund stehen. Auch sie haben eine wichtige Bedeutung.

Nach dem zweiten Weltkrieg haben im Rahmen der NATO-Partnerschaft Deutschland und die Türkei Platz in der Neustrukturierung durch die USA bekommen. Sie waren Teil der Truman-Doktrin und des Marshall-Plans. Der Türkei wurde als ein Teil des globalen kapitalistischen Systems als Südostflanke der NATO gestärkt. Die Türkei wurde als ein Land betrachtet, das im Mittleren Osten die Interessen der NATO und der USA verteidigt. Deshalb wurde die Türkei unterstützt. Die Türkei war ein Modell der neuen Kolonialisierung durch die USA. Die Türkei erfuhr sowohl im Rahmen des Marshall-Plans als auch der Truman-Doktrin finanzielle, politische und militärische Unterstützung.

Als in diesem Rahmen beide Länder im Rahmen der NATO nach dem Zweiten Weltkrieg neustrukturiert und auch die alten Beziehungen wiederaufgenommen wurden, entwickelten sich engste wirtschaftliche Beziehungen. Die gegenwärtigen wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands mit der Türkei befinden sich wirklich auf höchstem Niveau. Der wichtigste Ausbeutungsbereich des deutschen Kapitals ist immer die Türkei. In dieser Hinsicht gibt es eine Verflechtung des türkischen und deutschen Kapitals auf höchstem Niveau. Es gibt eine gemeinsame Monopolisierung, die so ausgeprägt ist, dass es oft schwer fällt, beide voneinander zu trennen. Es ist fast als, ob es zwei Staaten mit einem gemeinsamen Kapitalismus sind. Man weiß sowieso nicht, wie sehr es wirklich zwei verschiedene Staaten sind.

Wie bekannt, saßen wir sechs Jahre im deutschen Gefängnis. Wir diskutierten sechs Jahre jede Woche zwei Tage mit dem Richter und den Anwälten und kamen zu folgender Schlussfolgerung: „Wird die Türkei durch die Regierung in Ankara oder durch die damalige deutsche Regierung in Bonn, heute Berlin, regiert? Die deutschen Richter und Anwälte legten eine politische Haltung an den Tag, als ob es keine türkische Regierung gebe. Die Regierung in Ankara wurde als eine Kolonialprovinz betrachtet. Es wirkte so, als ob der deutsche Staat die Türkei leitete. Alles in der Türkei wurde als Angriff auf die eigenen Interessen gesehen. „Unseren Interessen wird geschadet“, hieß es. Sie bewerteten es so, als ob gegen Deutschland gekämpft und der politisch-militärische Kampf der PKK gegen den türkischen Staat gegen Deutschland geführt werde. Dem liegt die genannte Verflechtung zu Grunde. Dies gilt sowohl für das Wirtschaftliche als auch das Strategische. In Hinsicht auf die Expansion des deutschen Kapitals ist die Türkei ein wichtiger Partner. Für die Sicherheit des türkischen Staatssystems ist Deutschland immer noch eine äußere Stütze. Wie eine Kolonialmacht steht sie über der Türkei. Die Türkei hingegen sieht den deutschen Staat als seinen Beschützer. Also kann die türkisch-deutsche Beziehung aus den genannten Gründen nicht eindimensional bewertet werden. Das wäre eine beschränkte Betrachtungsweise und würde den breiten Rahmen nicht fassen.

Sie sind einer der im Rahmen des „Düsseldorfer Verfahrens“ Ende der 1980er verhafteten Politiker. Der deutsche Staat hat von Anfang an eine feindselige Haltung gegen die Freiheitsbewegung eingenommen. Warum?

Wir haben diese Frage zum Teil in den Antworten zuvor gegeben. Warum geht der deutsche Staat seit Beginn an feindlich mit der Befreiungsbewegung Kurdistans um? Man muss dies mit der historischen Basis der türkisch-deutschen Beziehungen und der heutigen Verflechtung beider Staaten erklären. Die Feindschaft muss man hier sehen. Wir haben bereits die historische Dimension dieser Beziehung und die Bedeutung für beide Seiten zu erklären versucht.

In der gegenwärtigen Situation verändert die Freiheitsbewegung Kurdistans, die vorsieht, die vorherrschende Mentalität und Politik im türkischen Staat radikal zu ändern, nicht nur die Türkei. Sie trägt die Besonderheit, auch die deutsche Mentalität und Politik, die der türkischen ähnelt und mit ihr zusammensteht, zu ändern. Die Türkei drückt dies bei jeder Gelegenheit auf diese Weise aus. Der deutsche Staat, seine Machtstrukturen und die Kapitalkräfte kennen diese Strategie sehr gut. Deshalb betrachten sie die kurdische Existenz und Freiheit als konträr ihren eigenen Interessen gegenüber.

Denn wir haben folgendes erklärt: England, Frankreich, Russland und die USA haben im Mittleren Osten Strategien verfolgt, die mehr darauf abzielten, mit lokalen Autoritäten und verschiedenen gesellschaftlichen Kräften Beziehungen aufzubauen. Die deutsche Staatspolitik und Kapitalexpansion hingegen versucht, alles über die zentralen Beziehungen mit dem Osmanischen Reich und dem Iran und später der Türkei aufzubauen. Damit werden die Interessen des deutschen Kapitals und Staates eins mit den Interessen der zentralen Machtstrukturen in der Türkei. Damit werden jeder Gedanke und Kampf, die das Osmanische Reich und später die Türkei schwächen und bedrohen, als Schwächung des deutschen Kapitalsystems und der Staatsstrategie gesehen und als gemeinsamer Feind betrachtet. Das ist seit Beginn der Beziehung mit dem Bau der Berlin-Bagdad-Bahn Ende des 19. Jahrhunderts der Fall. So wie das Osmanische Reich die lokalen Verwaltungen in Kurdistan im 19. und 20. Jahrhunderts immer als separatistisch gesehen hat, hat auch das deutsche Kapital und die deutsche Staatspolitik diese so bewertet.

In den Gerichtsprozessen haben wir versucht, dies historisch darzulegen und die politische Lage in historische Beziehungen einzubetten. Wir sind bei unseren Analysen und Bewertungen bis zu den Kreuzzügen zurückgegangen.

Wie bereits erwähnt, betrachtet die deutsche Regierung die Türkei wie ein Bundesland. Wir können die Türkei zu der Zahl der deutschen Bundesländer addieren.

Die Migration türkischer Arbeiter nach Deutschland und das Zusammenkommen der Gesellschaften haben diese Situation noch mehr gestärkt. Es entstand ein neuer Faktor, neben den politischen, militärischen, strategischen und wirtschaftlichen Aspekten.

Als ein Faktor muss auch das NATO-System bewertet werden. Insbesondere in der Zeit des faschistischen Militärputsches vom 12. September 1980 haben wir gesehen, dass das Türkei-Departement der NATO seinen Sitz in Deutschland hat. Ja, dass NATO-Zentrum ist in Brüssel und von dort wird das NATO-System koordiniert und geleitet, aber es gibt auch ein Departement für die Türkei in Deutschland. Im Rahmen der Neustrukturierung Deutschlands und der Türkei nach dem zweiten Weltkrieg im Rahmen des Marshall-Plans und der Truman-Doktrin wurde das Türkei-Departement der NATO anscheinend in Deutschland aufgebaut. Man hatte auch die wirtschaftlichen und strategischen Beziehungen beider Länder im Blick. Folglich war das Hauptquartier des Militärputsches 1980 in Deutschland. Der Putsch wurde nicht in Ankara, sondern in Deutschland geleitet. Der erste Angriff gegen den Kampf der PKK und die Vorbereitungen des Guerillakampfes erfolgte aus Deutschland. Provokative, destruktive und separatistische Tendenzen und Kräfte wurden unterstützt und Agenten auf die PKK gehetzt.

Damit gab es nicht nur Feindschaft, sondern Deutschland war das Zentrum, in dem die Mentalität und die Politik, die die Kurden vernichten und verleugnen, aufgebaut werden sollte. Es geht nicht nur um Feindlichkeit der kurdischen Befreiungsbewegung gegenüber. Deutschland ist das Zentrum, in dem die Strategien und Taktiken aufgebaut und angewandt werden, um die Bewegung zu besiegen und zu unterdrücken. Der Krieg gegen die PKK in den letzten Jahren wird im Wesentlichen über Deutschland organisiert, geplant, geleitet und koordiniert.

In letzter Zeit ist davon die Rede, dass sich dies geändert habe und das NATO-Hauptquartier nach Frankreich verschoben worden sei. Auch von anderen Orten ist die Rede, aber wir wissen nicht, ob es zutrifft. Wenn man sich die aktuelle Situation anschaut, dann sieht es nicht so aus. Vielleicht tritt es nicht in den Vordergrund wie davor, aber im System Europas und der NATO – egal wie angeschlagen die Beziehungen sind – befinden sich die türkisch-deutschen Beziehungen immer, ob geheim oder offen, auf höchstem Niveau.

Während der deutsche Staat gegen die PKK eine Kriminalisierungspolitik verfolgt, werden der PDK politisch, wirtschaftlich und diplomatisch alle Möglichkeiten bereitgestellt, obwohl eigentlich alle Vorwürfe gegen die PKK auch für die PDK gelten. Was versucht Deutschland in Kurdistan zu machen? Was für eine „Kurdenpolitik“ hat Deutschland?

Das ist eine Frage, die intensiv bedacht, recherchiert und diskutiert werden muss. Was für eine Kurdenpolitik hat Deutschland wirklich? Hat sie eine oder nicht? Akzeptiert Deutschlands die kurdische Existenz oder nicht? Sieht sie die Kurden als eine Nation oder nicht? Wenn sie die Kurden als Volk betrachtet, akzeptiert sie dann die ihr zustehenden demokratischen und politischen Rechte, oder nicht? All dies ist unklar. Die Politiker in Deutschland sind diejenigen, die am meisten von Menschenrechten sprechen. Sie sprechen auch von den Kurden. Es werden kurdische Konferenzen in Deutschland veranstaltet und sie nehmen daran teil. Man kann in Deutschland Begriffe wie die „Rechte der Kurden“ nutzen. Wir haben ähnliche Ansätze von den Richtern und Anwälten im Düsseldorfer Prozess gesehen. Zum Bespiel sagte der Richter: „Wir sind auch für die Existenz und die Rechte der Kurden, aber gegen die Terrororganisation PKK“. Mein Anwalt formulierte folgende Formel: „Kurde=PKK=Apo“. Das ist die Formel, sagt er. Diejenigen, die diese Formel nicht akzeptieren, geben nur Lippenbekenntnisse zu den Rechten und der Existenz der Kurden ab. Der Richter wollte uns in eine bestimme Richtung drängen. In dieser Zeit war die Politik der deutschen und türkischen Regierungen etwas widersprüchlich. Die deutsche Regierung wollte die Türkei wirtschaftlich noch stärker ausbeuten. Sie wollte Verträge für die Ausbeutung erreichen und übte daher Druck auf die türkische Regierung aus. Der Richter in Düsseldorf sagte: „Kritisiert nicht Deutschland und nicht die deutsch-türkischen Beziehungen, aber die Regierung in der Türkei könnt ihr als faschistisch bezeichnen oder sagen, was ihr wollt“. Damit sollte die Türkei noch intensiver an Deutschland gebunden werden. Wir sollten als Trumpf gegen die Türkei benutzt werden, um von der Regierung der Türkei noch mehr wirtschaftliche Zugeständnisse zu bekommen. Die Akzeptanz der kurdischen Existenz Deutschlands und die Kurdenpolitik kann man in diesem Rahmen betrachten.

Deutschland wollte sonst in Kurdistan nichts anderes tun. Es will Kurdistan ausbeuten und die kurdische Existenz und die demokratischen Rechte der kurdischen Gesellschaft dafür ausnutzen. Das tut sie gegen die türkische, aber auch gegen die iranische Regierung. Das tut sie auch in Kurdistan selbst und mit anderen Kräften im Mittleren Osten.

Warum baut Deutschland gute Beziehungen zu der PDK auf, während es die PKK ablehnt? Weil die PKK den Willen der freien Kurden repräsentiert. Akzeptiert Deutschland die PKK, kann es die Ausbeutung nicht fortsetzen. Die PDK vertritt keinerlei freien Willen. Beziehungen mit der PDK erlauben Deutschland, in Kurdistan zu tun, was es will. Der „Terrorismus“-Begriff ist in diesem Sinne ein leerer und bedeutungsloser Begriff. Es ist im Grunde ein Begriff, der erfunden wurde, um die Gegner der herrschenden staatlichen Ordnung zu verunglimpfen. Es wird damit versucht, die Opposition zu unterdrücken. Damit werden Ausbeutungsverhältnisse aufgebaut. Im Namen des Antiterrorkampfes werden viele Interessensbeziehungen hervorgebracht. Alles, was den eigenen Interessen entspricht, wird befürwortet. Dann kann passieren, was will, ob Menschenrechtsverletzung, Despotie, Diktatur oder Faschismus. Dazu werden die Augen verschlossen. Geht es jedoch gegen die eigenen Interessen, wird selbst gegen die demokratischste Kraft feindselig vorgegangen. Das sind die Maßstäbe. Es ist das Grundprinzip des europäischen Kapitalismus. Für Profit tun sie alles.

In dieser Hinsicht ist Deutschland nicht in der Position, irgendeine Gesellschaft in Kurdistan und demokratische Rechte zu akzeptieren. Sie sprechen nur von Kurden und Kurdistan, um die Rohstoffe auszubeuten. Mit denen, die den Zugang öffnen, bauen sie gute Beziehungen auf, diejenigen, die den Zugang verschließen, werden als „Terroristen“ diffamiert.

Aus dem gegenwärtigen Diskurs geht nicht hervor, dass Deutschland wirklich die Kurden anerkennt und für ihre Rechte ist. So etwas gibt es im deutschen System auf keinen Fall. Es geht nur um Interessen, Ausbeutung und Profit. Ihr Prinzip ist Ausbeutung. Das gilt für sie.

In diesem Punkt sehen sie die Kurden als ihre historischen Feinde. Sie sehen sie als Hindernis für die globale Expansion des deutschen Kapitals. Weil sie immer eins mit dem Osmanischen Reich und der Türkei waren, fassen sie die kurdische Existenz und die Freiheitsbewegung als Feinde auf. Auch wenn sie von Zeit zu Zeit von Kurden sprechen, hat es keine andere Bedeutung als die kurdische Gesellschaft und die Demokraten zu betrügen.

1993, einen Tag vor dem 15. Gründungsjahr der PKK, wurde das PKK-Verbot erlassen. In welchem Kontext kam es dazu? Was war beabsichtigt?

Im November 1993 erklärten die deutsche Regierung und das Parlament die PKK zu einer kriminellen Vereinigung und verboten sie. Da es am Vortag des 15. Gründungsjahres augesprochen wurde, kann man es als Antwort auf den Jahrestag werten. Eine solche Herangehensweise erscheint möglich. Doch als jemand, der diese Zeit unmittelbar miterlebt hat, denke ich, dass dies eher nicht so ist.

Als die deutsche Regierung im November 1993 die PKK als kriminelle Vereinigung verboten hat, schaute sie nicht auf den Jahrestag, sondern auf den in Düsseldorf andauernden Prozess. Der Prozess stagnierte, konnte nicht fortgeführt und nicht beendet werden. Sechs Haftjahre waren verstrichen; sie konnten keinerlei Beweise gegen die seit sechs Jahren Inhaftierten anbringen und diese daher nicht verurteilen. Der Prozess hatte sich um vier Jahre verlängert. Der Prozess war für den deutschen Staat zu einem Problem, zu einer Last geworden.

Der Prozess war mit umfassender Propaganda gestartet, hatte jedoch zu einer Dechiffrierung der deuschen Politik und der Kurdenpolitik Deutschlands geführt. Die anti-demokratische Haltung war demaskiert worden. Es kam die Frage auf, wie der Staat damit umgeht, mit welchen Urteilen bzw. Strafen der Prozess beendet wird. Die größte Aufregung verspürten die Richter und Staatsanwälte des Düsseldorfer Gerichts.

Was geschah vor Gericht, bevor die Regierung eine solche Entscheidung getroffen hat? Dies ist keinem bekannt. Bisher hat uns auch niemand gefragt. Wir hatten nicht die Gelegenheit, die Geschehnisse zu erläutern. Doch nun können wir, da sich die Gelegenheit ergibt, darüber sprechen. Es wurde vor der Verbotsverfügung gefordert, über eine Einigung mit den Richtern und Staatsanwälten den Prozess zu beenden und auf diese Weise Deutschland von dieser Last zu befreien. Unsere Anwälte informierten uns über den Gesprächswunsch der Richter und Staatsanwälte. Als Angeklagte haben wir diesem zugestimmt. Wir haben zwecks Verhandlungen in unseren Zellen gemeinsam mit unseren Anwälten eine Sitzung mit den Richtern abgehalten.

Gegenstand der Verhandlungen war folgende: „Wir möchten den Prozess beenden. Es kann so nicht weitergehen. Sie befinden sich seit sechs Jahren in Haft. Deutschland wird sich selbst nicht für schuldig erklären und sie freisprechen. Daher müssen Sie eine Strafe erhalten. Für eine Verurteilung bedarf es einer Straftat. Wenn Sie verurteilt werden, Ihre Schuld eingestehen, werden Sie umgehend freigelassen. Sie haben bereits die dem Strafmaß entsprechende Zeit in Haft verbracht. Der deutsche Staat hätte Ihnen eine Strafe auferlegt und so seine Ehre gerettet; Sie würden freigelassen. Lassen Sie uns auf diese Weise übereinkommen.” Sie haben uns diesen Vorschlag unterbreitet. An geheimen Orten haben wir diese Verhandlungen geführt.

Eine solche Situation überraschte uns. „Warum sollen wir eine Straftat akzeptieren, wenn wir unschuldig sind? Wir haben bereits ausreichend Zeit im Gefängnis verbracht. Wenn ein solches Angebot gekommen wäre, ohne inhaftiert gewesen zu sein, wäre es nachvollziehbar gewesen. Dabei haben wir sechs Jahre in Haft verbracht. Nun sollen wir unsere Schuld akzeptieren, damit wir frei kommen. Sie werden den Prozess beenden. Der deutsche Staat hätte seine Ehre gerettet. Was ist mit uns? Was ergibt sich für uns? Wir werden aus der Haft entlassen. Wir sind seit sechs Jahren in Haft, wir werden weitere sechs Jahre in Haft bleiben.“ Mit diesen Worten haben wir Haltung gezeigt und ihre Vorschläge abgelehnt. Das überraschte die Richter und Staatsanwälte sehr. Sie trugen die Situation an die Regierung heran.

Das Gericht konnte keine juristische Strafe verhängen und auch keine Einigung mit uns erzielen. Es blieb also nur die Option, die PKK als kriminelle Vereinigung zu deklarieren. Dies wiederum konnte nur die Regierung vornehmen. Aus diesem Grund verhängte die deutsche Regierung im November 1993 das PKK-Verbot. Die Regierung erklärte sie zur „kriminellen Vereinigung”, der Bundestag entschied entsprechend. Die Richter des Düsseldorfer Prozesses verhängten auf Grundlage dessen eine sechsjährige Haftstrafe gegen mich. Dabei war ich im April 1988 verhaftet worden. Damals gab es kein Gesetz, dass die PKK als eine kriminelle Vereinigung definierte. Der Beschluss von 1993 wurde rückwirkend angewendet und wir wurden unrechtmäßig verurteilt.

So endete der Düsseldorfer Prozess. Die Regierung und der Bundestag haben einen Beschluss gefasst, ein Gesetz verabschiedet. Das Gericht hat entsprechend entschieden und das Verfahren beendet. Im Frühjahr 1994 wurden wir freigelassen. Einige Monate vergingen mit Diskussionen. Das ist der Kontext des PKK-Verbots. Es gibt keinen anderen Grund. Es hatte keinen Zusammenhang mit dem Kampf in Kurdistan, den Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei oder dem Kampf in Deutschland. Es wurde versucht, einen solchen Zusammenhang herzustellen. In Deutschland habe es Proteste gegeben und das Verbot sei aus diesem Grund verhängt worden. Jedoch hatte es absolut gar nichts damit zu tun.

Einziger Grund für das Verbot 1993 war die Notwendigkeit, den Düsseldorfer Prozess abschließen zu können. Um die Menschen, die seit sechs Jahren unrechtmäßig inhaftiert waren, musste eine Straftat generiert werden, auf deren Grundlage eine Verurteilung möglich ist. Die Straftat wurde geschaffen, indem der Bundestag den Beschluss fasste, dass die PKK eine kriminelle Vereinigung sei. Eine andere Straftat konnten sie nicht finden. „Die PKK ist eine kriminelle Vereinigung, sie sind PKK-Mitglieder”, dafür wurden wir schuldig befunden und verurteilt. Wie legitim das PKK-Verbot ist, soll die Öffentlichkeit bewerten.

Übergeordnete Instanzen revidierten das Urteil. Der EGMR befand den deutschen Staat für schuldig, war aber nicht konsequent genug. Das Urteil hätte strenger ausfallen können. Denn wir wurden sechs Jahre als Geiseln gehalten. Ohne juristischen Rückhalt, ohne irgendeinen konkreten Vorwurf waren wir sechs Jahre inhaftiert. Wo war die Gerechtigkeit, wo die Demokratie? Geht es um Kurden, funktionieren Demokratie, Recht und Justiz nicht. Jeder kann mit den Kurden nach Belieben umgehen, sie unschuldig inhaftieren und schließlich mit ihnen verhandeln.

Es gab Appelle ihrer Bewegung an den deutschen Staat. Haben Sie jemals eine positive Antwort erhalten oder gab es eine Phase des Dialogs?

Ich kenne nicht alle dieser Entwicklungen vollständig, weil ich für die Beziehungen der PKK zu Deutschland nicht zuständig war. Bis zum internationalen Komplott hat der Vorsitzende Abdullah Öcalan diese Angelegenheiten koordiniert. Danach gab es eine kollektive Führung. Verschiedene Freundinnen und Freunde haben zu unterschiedlichen Zeiten die Bewegung geleitet, ihre Politik bestimmt und die diplomatischen Beziehungen geführt. Politisch-diplomatische Beziehungen, Gespräche und Diskussionen gab es mit Deutschland und anderen Staaten, Organisationen und politischen Kräften. Ich weiß, dass Deutschland ein wichtiges Zentrum im Hinblick auf die faschistische, kolonialistisch-repressive Politik gegen das kurdische Volk ist. Die deutsche Politik ist einflussreich. Hinsichtlich der Widersprüche und Auseinandersetzungen zwischen dem Freiheitskampf des kurdischen Volkes und dem kolonialistisch-repressiven System gehört Deutschland zu letzteren. Damit ist Deutschland Partei in diesem Kampf.

Außerdem bestehen intensive wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei. Aus diesem Grund schadet jede Bewegung mit Türkeibezug den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands. Wirtschaftskreise und politische Kräfte sind sehr vorsichtig, wenn es um die Vermeidung von solchen Schäden geht. Wir wissen, dass die deutsche Politik und die Regierung sich aus diesem Grund intensiv mit dem Kampf in Kurdistan befassen.

In Deutschland lebt eine große türkische Community, aber auch zahlreiche Kurden leben dort. Die Kurden sind aus dem von der Türkei besetzten Nordkurdistan sowie aus anderen Teilen Kurdistans als Arbeitsmigranten oder Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Sie stellen eine wichtige Gruppe dar. Somit beeinflusst jeder Konflikt zwischen Türken und Kurden unmittelbar Deutschland.

Die Auswirkungen der aggressiven Haltung der Regierung Tayyip Erdoğans gegenüber Deutschland in der letzten Zeit sind bekannt. Ebenfalls bekannt ist, wie stark die Aktivitäten des MIT die öffentliche Ordnung in Deutschland stören, zumal sie in terroristische Akte münden. Der Existenz- und Freiheitskampf des kurdischen Volkes beeinflusst auch aus dieser Perspektive heraus die internen Strukturen Deutschlands. Wir wissen, dass die deutsche Politik die Entwicklungen in Kurdistan und den Kampf der Kurden aufmerksam verfolgt und versucht zu kontrollieren. Von daher gab es von Zeit zu Zeit Gespräche zwischen Vertretern des deutschen Staates und unserer Parteiführung.

Hat Deutschland als Staat jemals eine Lösung der kurdischen Frage angestrebt? Ich persönlich glaube es nicht. Das gilt selbstverständlich nicht für deutsche Demokraten, Sozialisten und einzelne Politiker, sondern hinsichtlich der Regierung. Die Sympathisanten und Freunde der kurdischen Freiheitsbewegung sind in Deutschland sehr stark. Wir haben deutsche Mitglieder, Gefallene und Verwundete. Ich richte ihnen allen meine Grüße aus. Wir schätzen sie sehr. Ich spreche jedoch über die Regierungspolitik. Dies darf nicht miteinander vermengt werden.

In den 1990er Jahren kam es vereinzelt zu Festnahmen durch die Guerilla. In diesem Zusammenhang gab es ebenfalls Kontakte mit dem deutschen Staat. Diese haben jedoch nicht zu einer Diskussion auf politischer Ebene oder zu gegenseitigen Versprechen geführt. Es war kein Dialog in Bezug auf eine Lösung der kurdischen Frage, es ging vielmehr darum, negative Auswirkungen des Kampfes in Kurdistan auf Deutschland zu verhindern. Es waren eher Dialoge mit Vertretern aus dem entfernteren Umfeld der Regierung, mit Personen aus dem Nachrichtendienst-Sektor.

Deutschland ist nicht wie die anderen Staaten. Grundlegende Staatspolitik ist es, von bestehenden Konflikten zu profitieren. Wir wissen, dass vor allem Deutschland von den Widersprüchen und Auseinandersetzungen zwischen der PKK und der Türkei profitiert. Es würde sich lohnen, zu recherchieren, welche ökonomischen Zugeständnisse und Gewinne Deutschland mit dem Kampf gegen die PKK erwirkt hat.

Ich glaube auch nicht, dass unsere Bewegung im Hinblick auf eine Lösung der kurdischen Frage an den deutschen Staat appelliert hat. Es gab sicherlich Apelle der PKK im diesem Sinne: „Sie werden Teil der Verbrechen in Kurdistan. Das sollte nicht so sein; erforderlich sind ein demokratischer Umgang und Respekt gegenüber der Existenz und Freiheit der Kurden.” Auch an die Türkei hat unsere Bewegung solche Appelle gerichtet. Im Hinblick auf eine Lösung der kurdischen Frage haben wir in der Vergangenheit an alle Seiten appelliert.

Deutschland hatte auch beschlossen, den Vorsitzenden Abdullah Öcalan zu verhaften und ihm in Düsseldorf den Prozess zu machen. Es gab einen Haftbefehl. Dieser Beschluss existierte bis zu dem Zeitpunkt, als der Vorsitzende Apo nach Rom ging. Wenn Deutschland sich an seine eigenen Gesetze gehalten hätte, hätte es von Italien die Auslieferung Öcalans verlangen und ihn vor Gericht stellen müssen. Doch Deutschland hat es nicht gemacht. Es hat auch den Vorschlag Italiens, eine kurdische Konferenz durchzuführen, abgelehnt. Der 1987 erlassene Haftbefehl wurde Anfang 1999 aufgehoben und Öcalan zur „Persona non grata” erklärt. Die Einreise nach Deutschland wurde verboten. All diese Aspekte sind bekannt. Eine solche Kraft kann kein Partner im Hinblick auf eine Lösung der kurdischen Frage sein.

Im Allgemeinen wird gesagt, dass die deutsch-türkischen Beziehungen derzeit eher schlecht sind. Stimmen Sie dem zu?

Es heißt ja, dass auch eine kaputte Uhr zwei Mal am Tag die richtige Uhrzeit anzeigt. Die Spannungen und Widersprüche in den deutsch-türkischen Beziehungen sollte in diesem Rahmen bewertet werden. Es ist ein Streit unter Geschwistern, die sich um das Erbe der gemeinsamen Eltern nicht einigen können. Darüber hinaus gibt es keine wirkliche Konfrontation in den deutsch-türkischen Beziehungen. Die deutsch-türkischen Beziehungen basieren auf einem tiefgreifenden Interessensystem. Innerhalb dieses Systems versuchen beide Seiten, ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Die Spannungen entstehen durch diesen Konkurrenzkampf.

Deutschland hat die Türkei unter Kontrolle. Die Türkei wiederum massakriert in Kurdistan und begeht Menschenrechtsverletzungen. Kann man behaupten, dass deutsche Politiker dies nicht wissen? Und wie können sie wohlwissend diese Massaker unterstützen und sich gleichzeitig als demokratisch bezeichnen? Wenn es eng wird, wird die Schuld der Türkei zugeschoben, politisch ändert sich jedoch nichts. In letzter Zeit wurde die Türkei wegen verschiedener Rechtsverletzungen beschuldigt, auch wegen der Kriegsverbrechen in Kurdistan. Doch die Panzer und Waffen, die dabei im Einsatz sind, sind „Made in Germany“.

Deutschland hat keine Probleme mit dem Verkauf von Panzern und Waffen. Im Gegenteil, es wird immer mehr verkauft. Die grundlegenden politisch-wirtschaftlichen Beziehungen geraten nie in Turbulenzen. Diese laufen im Hintergrund ungehindert weiter. Manchmal wird unter Geschwistern gestritten und man redet eine Zeitlang nicht miteinander. Die Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei kann man auf diese Weise bewerten. Erdoğan ist in der letzten Zeit ein wenig zu weit gegangen und hat Deutschland als „Nazis“ und „Nachfolger des Hitler-Regimes“ beschimpft. Und trotzdem geben sich die Politiker die Hand. Der deutsche Außenminister war in den vergangenen Wochen mehrmals unter strenger Geheimhaltung bei Erdoğan. Als Resultat wurden einige Journalisten unter „rechtsstaatlichen Bedingungen“ freigelassen.

Deutschland hat erklärt, es sei eine Entscheidung der „unabhängigen türkischen Justiz“ gewesen. Das war es natürlich nicht. Es wurde wie auf einem Markt über die Freilassung dieser Menschen verhandelt. Ohnehin war die Verhaftung auf die oben genannten Spannungen im Rahmen des Interessensystems zurück zu führen. Was sonst wurde diesen Menschen vorgeworfen? Nichts! Ihre Verhaftung war ein schweres Vergehen. Sie wurden Opfer der Interessen des Staates.

Während überwiegend linke und grüne Parteien den Faschismus und den Ausnahmezustand in der Türkei sowie die totale Isolation auf Imrali kritisieren, gilt dasselbe nicht für Staatsfunktionäre und Wirtschaftskreise. Zwischen den USA und der Erdoğan-Clique bestehen ernstere Widersprüche als jene mit Deutschland. In Deutschland haben beispielsweise viele türkische NATO-Soldaten um Asyl gesucht. Diese gelten aktuell als Problem und dienen Deutschland als Druckmittel. Ich denke nicht, dass darüber hinaus Probleme bestehen. Der Faschismus des Erdoğan-Bahçeli-Regimes und die Massaker in Kurdistan interessieren den deutschen Staat nicht im Geringsten. Tagtägliche Spannungen werden mit tagtäglichen Verhandlungen überwunden.

In den letzten zwei Jahren ist der Druck auf die kurdische Freiheitsbewegung in Deutschland gestiegen. Hierzu zählen Verbote von Öcalan-Bildern, PKK-Fahnen und sogar legaler Einrichtungen und Vereine in Deutschland. Menschen bekommen Strafanzeigen, weil sie in den sozialen Medien YPG/YPJ-Fahnen teilen. Wie denken Sie darüber und warum geschieht dies gerade jetzt?

Diese Frage sollten Freunde aus Deutschland und Europa beantworten. Warum jetzt? Ich stimme dem nicht zu, dass die Repression in den letzten zwei Jahren angestiegen ist. In der Vergangenheit war sie nicht viel weniger.

Ich persönlich habe ohne jegliche Grundlage sechs Jahre in deutscher Haft verbracht. Ab 1988 wurden viele Menschen auf die gleiche Weise verhaftet und in Einzelhaft gesteckt. Der deutsche Staat hat speziell für uns einen unterirdischen Gerichtssaal für acht Millionen D-Mark bauen lassen. Wir wurden im „Düsseldorfer Prozess“ mit einem großen Medienaufgebot vor Gericht gestellt. Auf diese Weise sollte der deutschen Öffentlichkeit ein Bild sehr gefährlicher Terroristen präsentiert werden.

Die Repression ist also nichts Neues, erst recht nicht in den letzten zwei Jahren. In der Vergangenheit war es nicht anders. PKK-Fahnen durften auch in der Vergangenheit nicht getragen werden. Wir durften während der Gerichtsverhandlungen keine PKK-Abzeichen tragen. Demonstrationen und Kundgebungen wurden kriminalisiert, Fahnen und Symbole der kurdischen Freiheitsbewegung oder Bilder Abdullah Öcalans waren Grund für Hausdurchsuchungen, Einschüchterungsversuchen oder Verhaftungen. In einigen Fällen wurden Menschen sogar abgeschoben.

Das einzig Neue in den letzten zwei Jahren sind vielleicht die Symbole der YPG/YPJ und die Verbreitung über die sozialen Medien. Insbesondere letztere ist ein neues Medium zur Informationsverbreitung. Die Repression jedoch reicht bis in die Vergangenheit. Der deutsche Staat verfolgte seit jeher eine unterdrückerisch-koloniale Politik gegenüber dem kurdischen Volk und der kurdischen Freiheitsbewegung. Nicht nur als dritte oder vierte Partei innerhalb des Konflikts, Deutschland sah sich verantwortlich für die Unterdrückung in Kurdistan und den faschistischen Kampf gegen die kurdische Guerilla und das Volk. Deutschland war und ist Teil des Kriegs gegen die Kurden.

Das Zentrum der NATO war in Deutschland und hat den Krieg in Kurdistan organisiert. Aus dieser Zentrale wurden die größten Verbrechen und Massaker in Kurdistan geplant und ausgeführt. Neben der Repression in Deutschland hat der deutsche Staat die Türkei aktiv im Krieg gegen die kurdische Freiheitsbewegung unterstützt. Dies wurde unter dem Deckmantel der „bilateralen Beziehungen“ und mit der NATO-Partnerschaft begründet. Deutschland war und ist jedoch nach wie vor Teil des Kriegs. Dieser Fakt muss einem bewusst sein.

Wenn die Fakten nicht beim Namen genannt werden, dann entsteht ein verzerrtes Bild, und die deutsche Schuld am Krieg wird geringer dargestellt als sie ist. Als ob Deutschland nicht an der faschistischen Front an der Seite der Türkei teilnehmen würde, sondern lediglich einige wenige Maßnahmen ergreifen würde. Dies ist auf gar keinen Fall so. Die deutsche Verantwortung sollte gut erkannt werden. Kurdische Aktivisten werden jahrelang hinter Gitter gesteckt, Demonstrationen werden verboten oder kriminalisiert. Grundlegende demokratische Rechte wie das Hissen einer Flagge werden verboten.

Aktuell richtet sich die Repression gegen die YPG und YPJ. Diese Organisationen sind das Sinnbild für den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat. Selbst die USA haben erklärt, dass man der YPG und YPJ danken müsse. Die YPG und YPJ haben in der Tat im Namen der Menschheit gekämpft. Das Verbot der YPG und YPJ kommt einer Erlaubnis des IS gleich. Es gibt eine internationale Koalition gegen den IS. Deutschland ist angeblich Teil dieser Koalition. In dieser Koalition befinden sich auch die YPG und YPJ. Deutschland sieht es als „notwendiges Übel“ und definitiv nicht als Grund, von seiner Politik abzuweichen. Der Beitrag Deutschlands zu dieser Koalition ist eher symbolischer Natur. In Wahrheit verbindet Deutschland nichts mit den Kräften, die gegen den IS kämpfen. Es ist beschämend, dass Menschen in Deutschland Strafen erhalten, weil sie YPG- und YPJ-Symbole zeigen.

In Frankreich wurden YPJ-Kommandantinnen im Elysee-Palast empfangen. Die USA haben sich öffentlich bedankt. Diejenigen Kräfte, die die Menschheit von solch einer Bedrohung befreien, zu verbieten, wirft die Frage auf, ob Deutschland sich an der gegenüberliegenden Front positioniert. Diese Frage stellt sich unweigerlich angesichts der Repression. Es ist unmöglich, gleichzeitig gegen den IS und gegen die YPG/YPJ zu sein. Sich gegen die YPG/YPJ zu positionieren, bedeutet eine verdeckte Unterstützung des IS. Dies ist aus der Sicht Deutschlands eigentlich sehr fatal. Faktisch befindet sich Deutschland auf dem gleichen Niveau wie das Regime, von dem es „Nazi“ genannt wird. Dies wird mit deutschen Interessen begründet.

In einer früheren Ausgabe des Kurdistan Report hatten Sie die demokratische Internationale dazu aufgerufen, den demokratischen Konföderalismus anstelle des proletarischen Internationalismus zu diskutieren. Wie denken Sie, müsste im Hinblick der Repression gegen die deutsche Linke der gemeinsame Widerstand gestaltet werden?

Diese Frage bedarf einer gründlichen Analyse, auf welche wir hier nicht eingehen können. Allerdings muss die internationale Solidarisierung und Zusammenarbeit neu definiert werden. Während der Zeit des Realsozialismus entstand der Begriff „proletarischer Internationalismus“. In diesem Rahmen wurde insbesondere die dritte Internationale organisiert. Sozialistische Organisationen verbündeten sich unter einem Dach. Staaten, die sich als „sozialistisch“ bezeichneten, pflegten Beziehungen miteinander, aber nach kurzer Zeit traten Interessenskonflikte in den Vordergrund. Dieses auf Nationalstaaten basierende Paradigma resultierte in positiven sowie negativen internationalen Beziehungen. Es ging um die internationale Dimension des ideologisch-politischen Widerstands für Freiheit, Gleichheit und Sozialismus basierend auf dem Nationalstaat. Über internationale Solidarität wurde viel gesprochen. Internationalismus stach als Prinzip hervor. Allerdings traten immer mehr staatliche Interessen in den Vordergrund und verdrängten die Solidarität. Dies galt zum Beispiel für die Sowjetunion und China. Der Internationalismus verblieb als Theorie. Die Politik war dominiert von Interessen. Sozialistische Prinzipien traten in den Hintergrund. Das hat der internationalen Solidarität geschadet.

Wir wollen zusammen mit unserer Kritik am Realsozialismus eine neue theoretische Formulierung, eine neue ideologisch-politische Linie sowie neue Wege für einen strategisch-taktischen Widerstand entwickeln. Dies ist unser neues Verständnis von Revolution. Abdullah Öcalan hat dies grundlegend analysiert und bewertet. Das „demokratische Gesellschaftsparadigma“ basierend auf gesellschaftlicher Ökologie und Frauenbefreiung ist das Ergebnis dieser Analyse. Demnach streben sozialistische Parteien nicht nach Nationalstaat oder Macht, sondern nach gesellschaftlicher Ökonomie, Frauenbefreiung und einer demokratischen Gesellschaft. Abdullah Öcalan legt dar, dass es ein Fehler ist, die Zerschlagung und Ersetzung eines Nationalstaats durch einen anderen als Revolution zu bezeichnen. Selbst wenn die Führung eines Staates ausgetauscht wird, haben Ausbeutung und Interessenskonflikte in einem Nationalstaat immer Bestand. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der neu aufzubauende Nationalstaat auf dem Proletariat anstelle des Bürgertums basiert. Jegliche Art von Staat besitzt die Eigenschaft, die Gesellschaft zu unterdrücken. Daher kann nicht zwischen „guten“ und „schlechten“ Staaten unterschieden werden.

Im Realsozialismus haben wir beobachtet dass die Mittel zum Ziel wurden. Es wurde behauptet, dass der bürgerliche Staat schlecht, der neue Staat aber gut sein werde. Sozialismus kann nicht auf einem nationalstaatlichen Paradigma aufgebaut werden. Staatliche und sozialistische Prinzipien stehen im Widerspruch.

Abdullah Öcalan hat dieses nicht-staatliche System als demokratischen Konföderalismus bezeichnet, der auf demokratischer Autonomie basiert. Es handelt sich um ein System, in dem sich alle gesellschaftlichen Gruppen organisieren und auf gleiche Weise vertreten sind. Es ist ein demokratischer Zusammenschluss, in dem alle Bestandteile über eigene Besonderheiten verfügen und diese mit ihrem freien Willen vertreten. Dieses System dient als alternativer Vorschlag zum Nationalstaat und den durch ihn erschaffenen gesellschaftlichen Problemen. Dabei steht eine Organisierung „von unten nach oben“ auf lokaler und kommunaler Ebene im Fokus.

Daher können unsere internationalen Beziehungen nicht lediglich auf internationaler Solidarität oder Internationalismus aufbauen, wenn wir eine solche Revolutionstheorie vorschlagen. Das wäre viel zu kurz und oberflächlich. Wir müssen eine umfassendere Definition finden, die auf einem globalen demokratischen Konföderalismus basiert. Das bedeutet, dass die Beziehungen und die Solidarität weit über einfache Erklärungen hinausgehen und eine internationale Zusammenarbeit im Rahmen des demokratischen Konföderalismus stattfindet. Dadurch wird ein ganz neues Maß an Zusammenarbeit, Unterstützung und Solidarität definiert, das unweigerlich eine gemeinsame Organisierung und Aktionsplanung voraussetzt.

Auf dieses Ziel sollte hingearbeitet werden. Dafür müssen gemeinsame Komitees, die diese Art von Zusammenarbeit diskutieren und Aktionen planen, ins Leben gerufen werden. Dies kann mit einfachen Sitzungen und Diskussionsrunden auf lokaler Ebene beginnen. Auf globaler Ebene können Komitees gegründet werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir die Vorreiterrolle übernehmen. Wir müssen beweisen, dass wir uns überall organisieren, für eine demokratische Gesellschaft kämpfen und für die Freiheit von Frauen stehen, damit die internationale Solidarität und eine gemeinsame Organisierung an Form gewinnen. Dies kann nicht erreicht werden, wenn wir die nötige Effektivität nicht vorweisen können.

Leider können wir nicht von uns behaupten, dass wir in der Vergangenheit auf diesem Gebiet besonders stark waren. Dies sollte als Selbstkritik der PKK aufgefasst werden. Die kurdische Jugend- und Frauenbewegung haben gewisse Schritte in diese Richtung unternommen, als PKK haben wir diesen Ansatz jedoch noch nicht so weit entwickelt, wie es notwendig wäre. Wir müssen den demokratischen Konföderalismus auf nationaler Ebene ausbauen, damit wir ihn auch auf globaler Ebene weiter entwickeln können. Das ist eine der größten Aufgaben, die uns von unserer Ideologie und den Umständen auferlegt werden. Wir sehen es als eine Aufgabe, die uns jetzt bevorsteht.

Der Erfolg neuer demokratisch-sozialistischer Bewegungen hängt sehr stark von der Umsetzung der genannten Praxis ab. Die Revolution wird in dem Maße erfolgreich sein, wie die internationale Solidarität umgesetzt wird. Andernfalls wird sie sehr oberflächlich auf regionaler Ebene verweilen. Selbst wenn die regionale und kommunale Organisierung eine Kerneigenschaft ist – sie kann nicht überleben, wenn der regionale Widerstand nicht in internationaler Solidarität auf Grundlage des demokratischen Konföderalismus mündet.

Haben Sie zum Schluss eine Botschaft an die deutsche Regierung und Öffentlichkeit?

Der deutsche Staat hat dieses System vor 150 Jahren errichtet und weiterentwickelt. Für die Kurden waren Teilung und Vernichtung vorgesehen. Der deutsche Staat ist Begründer und Betreiber dieses Systems. Er versteht sein Handwerk besser als alle anderen. Daher muss gefragt werden: Warum unterstützt ihr wohlwissend die Vernichtung eines Volkes? Warum seid ihr nicht gegen Assimilierung und Massaker? Das kurdische Volk muss täglich seine Gefallenen beerdigen. Wird das Leid dieses Volkes niemals Beachtung finden?

Man kann nicht gleichzeitig Teil von Menschenrechtsverletzungen für die eigenen Interessen sein und von Recht und Ordnung, von Demokratie und Freiheit sprechen. Dies sind Widersprüche, die in eine Doppelmoral münden. Daher sollte der deutsche Staat entscheiden, auf welcher Seite er steht: Auf der Seite der Mörder oder auf der Seite derer, die für ihre Freiheit kämpfen. Das ist die grundlegende Frage.

Es macht keinen großen Unterschied, ob wir diese Tatsachen zur Sprache bringen. Eine Botschaft oder einen Aufruf richtet man an diejenigen, die etwas nicht wissen oder vergessen haben. Alle Regierungen kennen jedoch die Fakten. Sie verhalten sich aufgrund ihrer Eigeninteressen so.

Was kann man dazu sagen? Je größer ihr Unterdrückungswahn ist, desto schneller werden sie darin versinken. Wir können nur sagen: Ihr werdet in dem Blut ertrinken, welches ihr vergossen habt. Im 21. Jahrhundert wird niemand davon etwas haben. Wer die Kurden vernichten will, macht sich an der gesamten Menschheit schuldig.

Die Kurden sind nicht mehr wie früher. Sie sind organisiert und leisten Widerstand. Sie haben das richtige und schöne Leben im Widerstand gefunden. Vielleicht hat dieses Leben keine materielle Dimension, aber es bringt Entschlossenheit und Euphorie mit sich. Die Kurden leben in Würde und erhobenen Hauptes, selbst wenn es ein kurzes Leben ist. Und dies ist die schönste Form von Leben. Wenn es sein muss, werden sie auch noch weitere hundert Jahre so leben. Dies muss jedem bewusst sein.

Es ist nicht mehr möglich, die Kurden auszulöschen. Diese Zeiten sind dank Abdullah Öcalan vorüber. Das Volk hat die Entschlossenheit, den Mut und die Opferungsgabe, um diesen Weg bis zum Ende zu gehen. Und niemand wird die Kurden davon abhalten können. Insbesondere unseren Freunden, der demokratisch-revolutionären Öffentlichkeit, den Frauen und der Jugend sollte das bewusst sein. Jeder sollte wissen, dass die kurdischen Jugendlichen, die Frauen, die Guerilla und das Volk nicht nur für sich kämpfen. Der Kampf ist für das Dasein und die Freiheit der Kurden, die Demokratie im Mittleren Osten und die Freiheit der gesamten Menschheit.

Eine freie kurdische Identität bedeutet gleichzeitig einen demokratischen Mittlerer Osten und eine befreite Menschheit. Die Frontenbildung ist bereits soweit ausgeprägt. Die Freiheit der Kurden und die der Menschheit sind mittlerweile miteinander verflochten. Dass in Kurdistan, wo Unterdrückung und Barbarei ihren Ursprung haben, ein derartiges Bewusstsein, eine Euphorie und eine Befreiungsbewegung existieren, sollte als Indiz dafür aufgefasst werden, dass dies überall möglich ist. Überall können viel größere und stärkere Freiheitsbewegungen entstehen, wenn nur daran geglaubt und dafür gearbeitet wird.

Auf regionaler und kommunaler Ebene können Freiheits- und Demokratiebewegungen entstehen, welche wiederum in globale Bewegungen münden, die den Kapitalismus eingrenzen bzw. ihm ein Ende setzen können. Dies würde eine freiere und demokratischere Welt mit sich ziehen. Eine neue Welt und ein freies Leben sind definitiv möglich, aber dafür muss effektiv gearbeitet und das richtige Bewusstsein entwickelt werden. Auf dieser Grundlage grüße ich alle, die sich dieses Bewusstsein aneignen und Widerstand leisten.