Kisanak: Die AKP Regierung ist für die Spannungen verantwortlich

gultan kisanakIm Folgenden veröffentlichen wir Auszüge einer Reportage der Nachrichtenagentur ANF mit der Kovorsitzenden der BDP, Gültan Kışanak. 30.08.2013

(…) Wir sehen keine Entschlossenheit der Regierung, die notwenigen Schritte für die Verhandlungen einzuleiten. Und hier liegt das Problem. Die Regierung erklärt nicht, dass sie die Verhandlungen abbrechen will. Auf dem Verhandlungstisch erklärt sie, dass sie entschlossen sind dieses Problem zu lösen. Es gibt viele Worte, doch keine Taten. (…)

Es sind nur noch wenige Tage bis zum 1. September und alle schauen auf die Erklärungen der AKP und KCK. Die KCK sagt, dass die Regierung die notwenigen Schritte für die Erfüllung der zweiten Etappe tun muss, um in die dritte Etappe fortzuschreiten. Dafür hat sie eine Frist bis zum 1. September gesetzt. Nach Aussagen der Regierung verläuft ihr der Rückzug (der Guerillakräfte) zu langsam und man befinde sich so immer noch in der ersten Etappe befände. In welcher Etappe befindet sich der Prozess der BDP zufolge?

Ganz klar befindet sich der Lösungsprozess in der zweiten Etappe. Das weiß auch die Regierung und die türkische Öffentlichkeit. In der zweiten Etappe liegt die Verantwortung eigentlich bei der Regierung und dem Parlament; es ist eine Etappe, in der Schritte in Richtung Demokratisierung erfolgen müssen. Leider nähert sich die Regierung diesem Thema seit Monaten nicht an. Und das bringt den Lösungsprozess in eine schwierige Situation.

In den kommenden Tagen wird die Ankündigung eines Reformpakets unter dem Namen „Demokratisierungspaket“ von der AKP erwartet. Wenn wir auf die Stellungnahmen von AKP-Mitgliedern schaut, gibt es keine Inhalte zu den Hauptforderungen der Kurden wie muttersprachlicher Unterricht oder die Senkung der Wahlhürde. Wie ist Ihre Stellung zu solch einem Paket?

Erstens sagen sie seit genau zwei Monaten, dass das Paket bald verkündet wird. Seit zwei Monaten wird die Öffentlichkeit hingehalten. Allein dies ist ein Grund zur Kritik. (…) Es ist eine Situation des Abwartens entstanden. Selbst diese Herangehensweise ist ein Problem. Zweitens ist es auch ein großes Problem, dass dieses Paket nur von einer Seite vorbereitet wird. (…) Es war notwendig, dass die Diskussionen zur Vorbereitung des Pakets der Öffentlichkeit geöffnet und mit der BDP geteilt werden musste.

Wurde die Meinung Ihrer Partei zu einem Demokratisierungspaket nie angefragt?

Nein. Die Politik unserer Partei ist klar. Wir wissen nicht, ob die AKP-Regierung diese beachten wird, da sie kein Paket öffentlich macht. Als BDP haben wir vor zwei Monaten einen Demokratisierungspaket mit 25 Artikeln erstellt und der Regierung übergeben. Auch hierbei haben wir keine Antwort erhalten. Wir wissen nicht, ob unsere Vorschläge akzeptiert werden. Das ist keine richtige Leitung des Prozesses. Es ist keine demokratische Herangehensweise alles in die eigenen Hände zu nehmen.

Was wird das für ein Paket in dieser Situation?

Es gibt keine Informationen und Erklärungen über die Inhalte des Pakets. Man kann höchstens über einige Nachrichten in den Medien Bewertungen abgeben. Doch das ist auch nicht richtig. Es gibt in der Öffentlichkeit nur eine klare Sache, die Erklärungen des Ministerpräsidenten. Und diese Erklärungen unterstreichen keine Demokratisierung, sondern den Erhalt des Status quo. Es sind Erklärungen, die die monistische Staatsmentalität und den autoritären Führungsstil ausdrücken. Und das kann nicht als Demokratisierung bezeichnet werden.

Wie sehen Sie den Verhandlungsprozess gegenwärtig; ist er ins Stocken geraten, schreitet er fortan; wie ist Ihrer Meinung nach der Stand?

Bezeichnen wir es nicht als Stocken sondern es gibt eine Anspannung. Der Grund hierfür ist, dass die Regierung der auf ihr liegenden Verantwortung nicht gerecht wird und sie nicht die Schritte tätigt, die die Gesellschaft und die demokratischen Kräfte erwarten. Dies erzeugt eine Anspannung. Es gibt auch einen zeitlichen Druck. Dieser Punkt ist sehr wichtig. Der zeitliche Druck ist nicht durch die BDP, die kurdische Politik erzeugt. Wir legen nicht aus Lust und Laune Termine fest. Die Politik der Türkei befindet sich sowieso in einem Zustand des zeitlichen Drucks. Denn vor uns liegen die Wahlen. Wir können den Lösungsprozess nicht auf die Zeit nach den Wahlen verschieben. Durch Verschiebungen würde der Lösungsprozess ins Leere laufen. Der eigentliche Verantwortliche für den Zeitdruck ist die AKP-Regierung. Sie ist unter Druck, weil sie die Dinge seit elf Jahren verschiebt. Die Verhandlungen haben Ende letztes Jahr begonnen. Es sind nun acht Monate vergangen, ohne dass etwas getan wurde. Sie sagen „Warum legen die Termine fest“. Wir haben diesen Druck nicht erzeugt. Es liegt eine reale Tatsache auf der Hand. Vor uns liegen die Monate September und Oktober. Im November beginnen die Gespräche bezüglich des Parlaments und dann beginnen auch bald die Wahlen. Wenn in den kommenden zwei Monaten nichts getan wird, wird sich auch nichts mehr tun. Wir sind gezwungen dies öffentlich zu sagen.

Die AKP erklärte am Anfang, dass sie entschlossen sei. Es gab Erklärungen die besagen, dass der Ministerpräsident Erdoğan Risiken auf sich genommen hat. Was ist passiert, dass der Prozess nicht voranschreitet. Plant Erdoğan den Prozess nach den Wahlen fallen zu lassen?

Wenn sie den politischen Diskurs der Regierung betrachten, ist auch hier eine Unentschlossenheit zu erkennen. Wir sehen keine Entschlossenheit der Regierung, die notwenigen Schritte für die Verhandlungen einzuleiten. Und hier liegt das Problem. Die Regierung erklärt nicht, dass sie die Verhandlungen abbrechen will. Auf dem Verhandlungstisch erklärt sie, dass sie entschlossen sind dieses Problem zu lösen. Es gibt viele Worte, doch keine Taten.

Was wird die BDP tun, wenn der Lösungsprozess verschoben wird?

Die BDP wird die demokratische Opposition und die gesellschaftlichen Dynamiken stärken. Vor uns liegt der 1. September. An diesem Tag wird das Volk sprechen. Alle, die für den Weltfrieden, Frieden in der Region und in der Türkei stehen, müssen an diesem Tag auf den Plätzen stehen.

Quelle: ANF, 30.08.2013, ISKU

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