Drei “Bereitschaftsjournalisten” der Özgür Gündem verhaftet

BereitschaftsjournalistenCivaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 21.06.2016

Die türkische Justiz hat am 20. Juni drei Journalisten und Menschenrechtsaktivisten inhaftiert, die im Rahmen der Kampagne “Bereitschaftsjournalismus” für die Tageszeitung Özgür Gündem gearbeitet haben. Bei den betroffenen Personen handelt es sich um den Türkeiexperten von “Reporter ohne Grenzen” Erol Önderoglu, die Vorsitzende der Türkischen Menschenrechtsstiftung (TIHV) Sebnem Korur Fincani und den Journalisten Ahmet Aziz Nesin. Alle drei wurden wegen “terroristischer Propaganda” angeklagt und inhaftiert. Önderoglu, Fincanci und Nesin hatten im Mai sich bereit erklärt, an der Kampagne “Bereitschaftsjournalismus” teilzunehmen und die Chefredaktion der Zeitung Özgür Gündem für eine gewisse Zeit zu übernehmen. Nun wurde sie aufgrund der publizierten Inhalte in der Zeitung angeklagt und inhaftiert. An der Kampagne beteiligen sich zahlreiche Journalisten, die sich aufgrund der Repressionen des türkischen Staates gegen die Tageszeitung mit Özgür Gündem solidarisieren und deshalb für eine bestimmte Zeit bei der Zeitung mitwirken. Özgür Gündem ist eine der wenigen Zeitungen in der Türkei, die ausführlich über die Folgen des Krieges der AKP-Regierung in den kurdischen Siedlungsgebieten berichtet.

‘Wir werden uns weiter solidarisieren’

Vor dem Haftrichter hat Önderoglu vor seiner Inhaftierung betont, dass sie sich weiter mit Journalisten und Medien, die staatlichen Repressionen ausgesetzt sind, solidarisieren werden. Önderoglu wies auf die direktive der Regierung im vergangenen Juli an die Journalisten hin und erklärte, dass jeder, der sich nicht an diese hielte, mit den “Anti-Terrorgesetzen” konfrontiert werde.

Auch Nesin und Fincanci erklärte, dass sie sich im Rahmen der Presse- und Meinungsfreiheit mit Özgür Gündem solidarisiert haben. “Wir kennen die Inhalte der Zeitung”, sagte Fincanci und fügte hinzu, dass sie ihre Solidaritätsarbeit fortsetzen werden.

Özgür Gündem: Ein Versuch alle zum Schweigen zu bringen

Inzwischen veröffentlichte auch Özgür Gündem eine Presseerklärung zu den Verhaftungen ihrer symbolischen Chefredakteure. “Der Staat will mit den Verhaftungen jedem die Message geben: Solidarisiert euch nicht. Das Ziel ist es, jeden zum Schweigen zu bringen. Wir sind ihre Zielscheibe, weil wir die Wahrheit schreiben. Wir bedanken uns bei jedem, der sich mit uns solidarisiert und Teil dieser Kampagne ist”.

Can Dündar: Lasst uns die Solidarität weiter stärken

Als Reaktion auf die Festnahmen übernahm der Journalist und Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet Can Dündar im Rahmen der Kampagne für einen Tag den Posten des Chefredakteurs der Zeitung Özgür Gündem. Dündar, selbst von den Repressionen des türkischen Staates betroffen und durch ein Gericht Anfang Mai zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, erklärte, dass durch die Inhaftierungen am Vortag eine klare Botschaft an alle Journalisten gerichtet wurde. “Wenn ihr auf der Seite der Wahrheit seid, werden ihr verhaftet”, so die Message dahinter laut Dündar. Doch der Chefredakteur von Cumhuriyet ruft trotz der anhaltenden Angriffe seine Berufsgenossen dazu auf, zusammenzustehen. “Nur so können wir diese Entwicklung aufhalten. Jetzt müssen wir die Solidarität erst recht stärken”, so Dündar.

Türkische Journalistenvereinigung: Jeden Tag ein Schritt in Richtung Krise und Ungewissheit

Die türkische Journalistenvereinigung (Türkiye Gazeteciler Cemiyeti) TGC erklärte in einer Pressemitteilung, dass die Türkei von Tag zu Tag tiefer in eine Krise und in die Ungewissheit schreite. “Die Verhaftungen werden die Lage der Presse- und Meinungsfreiheit weiter verschlechtern,” hieß es in der Erklärung.

Die TGC wies darauf hin, dass eine dunkle Zukunft auf das Land erwarte, was durch die Verhaftungen von Önderoglu, Fincanci und Nesin beweise. Weiter heißt es in der Erklärung: “Unter diesen Umständen ist es nicht mehr möglich, unabhängig zu berichten. Unter dem Deckmantel ‘terroristischer Propaganda’ sollen kritische Journalisten praktisch mundtot gemacht und eine einheitliche, regierungsnahe Presse etabliert werden. Wir verlangen von der Regierung diese weltweit einzigartigen Angriffe auf die Presse einzustellen. Wir möchten erklären, dass wir trotz allen Repressalien keinen gleichgeschalteten Journalismus betreiben werden.”