Dringender Aufruf: Damit es morgen nicht zu spät ist für Sur!

SurDringender Aufruf der HDP für den Bezirk Sur, 19.02.2016

Die unbegrenzten Ausgangssperren rund um die Uhr, die die AKP-Regierung in kurdischen Provinzen seit dem 16. August 2015 erklärt hat, verschärfen weiterhin die Notsituation, welche grundlegende Menschenrechte und Freiheiten in der Region, einschließlich dem Recht auf Leben und persönliche Sicherheit, untergräbt.

Bis jetzt bestanden Ausgangssperren in sieben Provinzen und zwanzig Landkreisen für eine Gesamtdauer von 395 Tagen. Diese Politik der Ausgangssperren verletzt direkt und deutlich sowohl zwingende Bestimmungen der Verfassung der Türkischen Republik wie auch grundlegende Prinzipien des internationalen humanitären Rechts, in erster Linie und besonders die Bestimmungen der Genfer Konvention zum Schutz von Zivilisten in Kriegen und Konfliktzonen.

Das aktuellste und zerstörerischste Beispiel von systematischer Gewalt und Drohungen mit Massakern während der bestehenden Ausgangssperre geschah in der Stadt Cizre, Provinz Şırnak, vor den Augen der gleichgültigen türkischen und internationalen Öffentlichkeit: mindestens 165 Zivilisten, die inmitten von Militäroperationen Zuflucht in den Kellern von Wohnhäusern gesucht hatten, wurden von türkischen Sicherheitskräften zu Tode gebombt.

Während sich die AKP-Regierung weiterhin von der Verantwortung für die Grundlagen des Massakers an Zivilisten in Cizre jenseits der abgedroschenen Phrase vom „Kampf gegen den Terror“ freispricht, sind wir erneut geschockt von den Nachrichten aus dem Bezirk Sur der Stadt Diyarbakır.

Sur steht seit 78 Tagen, seit dem 11. Dezember 2015 unter Ausgangssperre. Laut lokalen Angaben und der Presse sind –Stand 18.Februar- rund 200 Menschen, einschließlich Kindern und verletzten Individuen, weiterhin eingeschlossen in den Kellern von Wohngebäuden des Bezirks Sur, wo bewaffnete Zusammenstösse stattgefunden haben.

Seit zwei Tagen versuchen unsere Parteioffiziellen und Parlamentsmitglieder mit Repräsentanten der Regierung zu kommunizieren. Sie verlangen eine offizielle Untersuchung dieser Meldungen und die Öffnung eines sicheren Korridors für die Evakuierung der eingeschlossenen Zivilisten. Doch alle unsere Bemühungen und Forderungen bleiben unbeantwortet. Wir sind extrem besorgt über die Möglichkeit, dass sich das Massaker von Cizre in Sur wiederholen könnte.

Unter diesen Umständen sind wir außerdem besorgt über das weiterhin vorherrschende Schweigen der internationalen Öffentlichkeit gegenüber der Gewalt und den Massakern in kurdischen Städten. Während der militärischen Angriffe gegen die eingeschlossenen Zivilisten in Cizre hatten wir der internationalen Öffentlichkeit mitgeteilt, dass ihr Schweigen und ihre Gleichgültigkeit die AKP-Regierung und deren Sicherheitskräfte bei ihren ungesetzlichen und unmenschlichen Handlungen in kurdischen Städten stärken. Wenn die Weltöffentlichkeit ihre mächtige Stimme für den Schutz von Leben und Sicherheit der eingeschlossenen Zivilisten in Cizre erhoben hätte, dann hätten wir heute vielleicht nicht hunderte von toten Körpern aus den Ruinen von Cizre bergen müssen. Nun, am Beginn einer möglicherweise ähnlichen Tragödie, die im Bezirk Sur droht, appellieren wir erneut an die internationale Gemeinschaft.

Wir rufen alle internationalen Institutionen, humanitären Organisationen und AktivistInnen auf, dringend Verantwortung zu übernehmen und von der türkischen Regierung ohne jede Verzögerung eine Beendigung der Ausgangssperren und der staatlichen Gewalt in kurdischen Städten zu fordern sowie besonders für den Schutz der Leben von eingeschlossenen Zivilisten in den Kellern von Sur einzutreten.

Lassen wir es nicht zu, dass es morgen vielleicht zu spät ist für Sur!

Hişyar ÖZSOY
Stellv. Co-Vorsitzender der HDP und Sprecher für internationale Beziehungen