Dritte Wege zwischen allen Antipoden

Der Hegemonialkrieg zwischen dem Pazifik, geführt von China, und dem Atlantik, geführt von den USA, stellt immer deutlicher die politischen Strategien und Taktiken des 20. Jahrhunderts auf den Kopf. Der brutale Machtkampf zwischen den beiden Hegemonien wird vielerorts auf der Welt in einem Wirtschafts- und Handelskrieg ausgetragen. Wirtschaftlich schwache Nationalstaaten weltweit müssen sich dem Konkurrenzkrieg stellen und trachten nach dem Erhalt ihres Status quo. Sie sind über diesen Krieg gezwungen, sich für einen der Giganten zu positionieren. Auf dem asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Kontinent beeinflusst dieser Aufteilungskrieg das Leben der Zivilbevölkerung direkt. Wachsende Armut, Landflucht, die Privatisierung natürlicher Ressourcen wie Gewässer, Wälder, Böden durch ausländische Firmen sowie die Privatisierung von Bildung und Gesundheit sind die Folgen.

Rechtsruck in Europa

In Europa signalisiert der immer stärker werdende Rechtsruck die Schwächung des Jahrhundertprojekts EU. Denn vor allem in den EU-Staaten hält der Rechtsruck in der Politik weiterhin an. Wie zuletzt am Beispiel Griechenlands. Nationalstaaten treten immer mehr in den Vordergrund. Wie beim Brexit im UK.

In Deutschland entwickelt sich dieser Rechtsruck wie ein Damoklesschwert über Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch gegen Oppositionspolitiker der Linken. Bis auf Lippenbekenntnisse geht der bundesdeutsche Staat nicht gegen diese Rechte an, wie er es gegen die Linke getan hat und tut. Die Bekämpfung des Rechtsrucks markiert auch ein deutliches Zeichen der Schwäche der Linken und der demokratischen Kräfte in den Ländern. Es ist die hauptsächliche Aufgabe und Verantwortung der Linken und Demokraten, die wachsende Ader des Nationalismus zu bekämpfen. Sie allerdings begnügen sich damit, den Staat zu kritisieren, anstatt auf die Bevölkerung zuzugehen und ihr Alternativen zu bieten. Was die linke Opposition nicht tut, füllt die Rechte aus. Der Rechtsruck in Deutschland wird zunehmen, je mehr die Bundesregierung auf expansionistische Ambitionen setzt. Ein starkes Deutschland in der EU wird auch starke deutsche Interessen weltweit bedeuten. Denn es hat mit seiner Wirtschaftsmacht das Sagen in der EU. Die Wahl Frau von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin wurde als Deutschisierung der EU bezeichnet.

Deutsche Nahostpolitik: Investieren in die kranken Staaten

In der Nahostpolitik setzt Deutschland wie in den beiden Weltkriegen auf den »kranken Mann am Bosporus«. Auf die aktuelle Anfrage der USA, die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) in Syrien mit zu unterstützen, folgte eine negative Antwort. Neben vielen anderen ist die 150-jährige Bündnispolitik zwischen Ankara und Berlin ein ausschlaggebender Grund.

Nicht nur im Falle der Türkei, auch im gegenwärtigen Konflikt mit dem Iran geht Deutschland als NATO-Partner und Bündnispartner der USA seinen eigenen Weg, während die USA in Syrien mit Frankreich und im Konflikt mit dem Iran mit Großbritannien zusammen agieren. Um den britischen und französischen Einfluss in Europa im 20. Jahrhundert zu bekämpfen, ging Deutschland dagegen das Bündnis mit dem Osmanischen Reich ein. Da heute die USA die führende Macht in dieser Region sind, bedeutet die gegenwärtige Türkei- und Iran-Politik Deutschlands eine Haltung gegen die USA. Wieder einmal sieht es so aus, dass Deutschland in den »kranken Mann am Bosporus« investiert. Aber auch das iranische Regime ist krank.

Selbstverständlich geht es weder den USA noch Deutschland um die Demokratie in der Türkei oder im Iran. Einzig und allein geht es ihnen sowie allen anderen Staaten um pure Machtinteressen. Deutschland will den Status quo der Nationalstaaten des Lausanner Vertrags beibehalten, während die USA sie innerhalb der Grenzen in föderale Strukturen umformen wollen, um das gesamte Land unter Kontrolle behalten zu können. Ein deutliches Beispiel ist der Irak, der de facto föderal strukturiert ist: arabisch-sunnitisch, arabisch-schiitisch und kurdisch. Jeder dieser Teile kann jederzeit gegen die anderen eingesetzt werden. Deutschland besteht auf der Beibehaltung dieser Nationalstaaten mit den jetzigen Regimen. Allerdings wird die deutsche Politik nicht aufgehen, da allen voran die Kurden, aber auch alle anderen unterdrückten Volksgruppen, Religionsgemeinschaften und Frauen sich als Opfer dieser Staaten sehen und ihre Freiheit suchen.

Der dritte Weg für die Türkei

In diesem Kontext ist es umso wichtiger, die kurdische Alternative des »dritten Weges« zu unterstützen. Weder die Türkei, der Iran noch die USA oder Deutschland sind an den Belangen der Zivilbevölkerung interessiert. Die Organisierung und Mobilisierung der Zivilbevölkerung ist der dritte Weg. Er setzt auf keine Gewalt, sondern auf die Strategie »Staat plus Demokratie«. Demokratie repräsentieren diejenigen, die außerhalb der Macht, d. h. des Staates stehen. Der Staat kann bestehen bleiben, die Bevölkerung soll aber durch den politischen und rechtlichen Kampf, aber auch durch den Aufbau lokaler Selbstverwaltung ihre eigene Alternative schaffen können. Für den Fall der Umsetzung dieser Strategie in der Türkei hat Abdullah Öcalan bei den Treffen mit seinen Anwälten im Mai und im Juni die Türkei an die Politik der »soft power« erinnert und eigentlich die der gegenwärtigen »hard power« für erfolglos und chancenlos erklärt. Auch wenn die Strategie der »sanften Macht« eine US-Doktrin nach dem Zerfall der Sowjetunion war, so will Öcalan Erdoğan darauf hinweisen, dass eine Politik keine Chancen hat, die nur auf Aggression und Gewalt beruht. Die Menschen, die Opposition in der Türkei hat er zu einer gesellschaftlichen Versöhnung aufgerufen. Sein Vorschlag an die Kurden war, Vorreiter dieser Strategie zu werden. Gesellschaftliche Versöhnung bedeutet, dass all diejenigen, die durch die rassistische, nationalistische und sexistische Spaltungspolitik gegeneinander aufgehetzt wurden, zusammenkommen müssen. Dem kurdischen Widerstand empfiehlt er, sich mit den Methoden Gandhis auseinanderzusetzen. Was im Grunde Aktionsformen des dritten Weges beinhaltet, also die Türkei mit friedlichen Mitteln zur Demokratie zu zwingen.

Erdoğans »Vision 2023« ist ein Glücksspiel für die Türkei

Sowohl Öcalans Vorschläge als auch die Wahlniederlage der Diktatur Erdoğans bieten heute große Möglichkeiten für den Kampf um Demokratie in der Türkei. Klar und deutlich zeigten die Wahlen, dass Erdoğan die Kurden verloren hat. Mit seiner rassistischen Argumentation und der systematischen Bombardierung Südkurdistans (Nordirak), den Angriffen auf Rojava, dem Aufhetzen des Iran gegen die Kurden hat er alle Kurden gegen sich aufgebracht.

Es wird immer offensichtlicher, was die Strategie des türkischen Staates namens »Vision 2023« in der Ära Erdoğan bedeutet. Bis zum hundertsten Jahrestag des Lausanner Vertrages von 1923, dem zufolge nur ein kleiner Teil des ehemaligen Osmanischen Reiches der neu konstruierten türkischen Republik zugefallen war, sollen durch die Annexion von Nordsyrien (Rojava) und Nordirak (Südkurdistan) eben diese Teile zurück an die Türkei gehen. Diese Erbstücke seiner Väter (Osmanen) seien ihm (Erdoğan) gestohlen worden.

Seit 2012, dem Beginn des Aufbaus Rojavas als eine kurdisch geführte Selbstverwaltung, hat die Türkei diese bekämpft. Zuerst mit der Unterstützung für den Islamischen Staat (IS), jetzt, nachdem dieser IS von YPG/YPJ/QSD erfolgreich militärisch besiegt wurde, mit ihrer Armee. Koste es, was es wolle, die Türkei will Rojava annektieren. Unter dem Vorwand einer »Sicherheitszone« will sie es besetzen. Obwohl die Selbstverwaltung der Empfehlung Öcalans im Mai, türkische Phobien zu berücksichtigen, nachgekommen ist und vorgeschlagen hat, die Türkei könne unter UN-Aufsicht fünf Kilometer jenseits ihrer Grenze in Rojava präsent sein, besteht Erdoğan darauf, 32 Kilometer ins Landesinnere vorzurücken. Dies bedeutet, er will nicht die Grenze schützen, sondern in die kurdischen Städte, um sie zu besetzen, wie es am 18. März 2018 mit Efrîn gemacht wurde.

Traum des Misak-ı Millî

Unter dem Vorwand der PKK-Präsenz belagert die Türkei gegenwärtig Südkurdistan. Angesichts der Standorte der türkischen Stützpunkte in den nördlichen Bergregionen in Südkurdistan erkennt man die Grenzlinien des Misak-ı Millî und weiß, dass die PKK nur eine Ausrede ist, aber auch diejenige Kraft, die gegen die türkische Okkupation Widerstand leistet.

Misak-ı Millî bedeutet übersetzt Nationalpakt oder Nationaleid. Er sollte in den Verhandlungen mit den Siegermächten über das Osmanische Reich die neuen Grenzen des türkischen Staates nach dem Ersten Weltkrieg markieren. Diesem Pakt zufolge sollte die Aufteilung des Osmanischen Reiches im Lausanner Vertrag erfolgen, wobei zum türkischen Territorium neben Batumi und Thrakien auch die alten Provinzen Mossul (das heutige Südkurdistan bis zur kurdischen Stadt Silêmanî an der iranischen Grenze) und Aleppo (neben der Region Aleppo das gesamte Rojava/Nord- und Ostsyrien) gehören sollten.

Türkei will vom Chaos im Nahen Osten profitieren

Der Appetit des türkischen Expansionismus wird durch die Multipolarität der Weltpolitik angeregt, die aufgrund der starken Konkurrenz unter den Staaten vor allem im Nahen Osten Chaos und große Leerstellen mit sich bringt. Im Aufruhr des Krieges um die Aufteilung der Region sind die regionalen Nationalstaaten wie Syrien, Irak und Iran schwach. Die Türkei erhofft sich endlich den Traum von Misak-ı Millî realisieren zu können. Ihren Besatzungskrieg hat sie vor allem mit der zunehmenden internationalen Isolierung und Umzingelung des Iran verstärkt. Sie glaubt im Falle des Sturzes des iranischen Regimes dessen Position als Regionalmacht im Nahen Osten übernehmen zu können. Ohnehin war das türkisch-iranische Verhältnis seit der osmanischen Zeit stets auf Konfrontation angelegt gewesen; Kooperation fand immer mit antikurdischer Ausrichtung statt. Da aber die Kurden ähnlich wie in Syrien auch im Iran auf den dritten Weg setzen, kann die Türkei den Iran nicht wie gewünscht über die antikurdische Schiene auf ihre Seite bringen. Der kurdische dritte Weg für den Iran heißt Demokratisierung von innen zusammen mit allen ethnischen, religiösen Gruppen des Landes ohne externe Intervention.

Türkei im Konflikt mit der NATO

Gegenwärtig bietet nicht nur die innenpolitische Schwäche der AKP und Erdoğans eine große Chance für Demokratie, sondern auch die internationalen und regionalen Konflikte, die der türkische Staat mit seiner Expansionspolitik erzeugt hat. Seit 1952 musste die Türkei im Nahen Osten als NATO-Mitglied ihre Rolle als Bollwerk für die atlantischen Interessen spielen. Nunmehr will sie raus aus dieser Rolle und die Position des Iran übernehmen und selbst Regionalmacht werden. Aus dieser Tatsache resultieren ihre Konflikte mit den USA und anderen NATO-Staaten. Der Ruf Erdoğans nach dem Misak-ı Millî gerade am 24. Juli, dem Jahrestag der Unterzeichnung des Lausanner Vertrages, war unüberhörbar. Dem folgt der Krieg an den gewünschten Grenzen des Misak-ı Millî in zwei Teilen Kurdistans. Rojava/Nord- und Ostsyrien ist stark gefährdet, da die Türkei ihre Militärpräsenz an der Grenze seit einigen Wochen verstärkt hat. In Südkurdistan bewegt sich das türkische Militär in Richtung Qandil, um so zur iranischen Grenze zu gelangen.

Der Misak-ı Millî wird vor allem wegen der alten Provinzen Aleppo und Mossul nicht möglich sein, da die Kurden unter der PKK vehement gegen die Besetzung ihres Landes sind. Auch wenn der Iran bislang zu den Luftangriffen an seiner Grenze in Südkurdistan schweigt, wird er die Expansion auf Dauer nicht tolerieren können, denn wenn es die Türkei militärisch von Qandil nach Silêmanî schafft, dann wird sie direkt zur iranischen Grenze gelangen.

Der türkische Besetzungskrieg wütet gerade in der Region Xakurkê im Dreiländereck Türkei, Irak, Iran. Hier stößt er auf den erfolgreichen Widerstand der kurdischen Guerilla der PKK. Weder die USA noch der Irak haben sich bislang gegen diesen illegalen Akt der Türkei geäußert. Den USA liegt eine möglichst schwache kurdische Bewegung am Herzen, mit der sie ihren Entwurf für Rojava umsetzen können. Das gesamt Nord- und Ostsyrien umfassende Demokratiemodell Rojavas war und ist ihnen ein Dorn im Auge. Denn es verhindert die Spaltung und Separierung der Völker und dass sie künftig gegeneinander ausgespielt werden können. Es verhindert ganz klar, dass sich Syrien zu einem Irak entwickelt.

Die Regierung in Bagdad ist im Hinblick auf die Konflikte zwischen den USA und dem Iran gespalten und daher schwach. Diese Situation bietet der Türkei die Möglichkeit, ihren Okkupationsfeldzug fortzusetzen.

Türkei in der Sackgasse zwischen Eurasien und NATO

Mit dem kürzlich erfolgten Kauf des russischen S-400-Raketenabwehrsystems will die Türkei den Druck auf die USA wegen deren Syrienpolitik verstärken, um unbedingt die gegen den IS entwickelte militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und den QSD aufzubrechen. Mit dem Kauf signalisierte sie ihre Bereitschaft, sich der russisch geführten Strategie für Eurasien anzuschließen. Ohnehin sind Erdoğans Vordenker alte Ultra-Kemalisten, die der Auffassung sind, die Türkei müsse wie zu Zeiten des Kalten Krieges von den Konflikten zwischen der NATO und der Shanghai-Kooperation profitieren. Auch wenn die Türkei durch den S-400-Raketen-Deal ein Stückchen näher an die Eurasien-Strategie gerückt ist, kann sie sich nicht von der NATO lösen, da die NATO-Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg intensiv in die Türkei investiert haben.

Der russischen Seite wiederum hat die Türkei etliche Versprechungen gemacht, die sie nicht einhalten kann. Eine Bedingung Russlands dagegen war gewesen, dass Ankara das Assad-Regime anerkennt. Dem wurde Folge geleistet. Mehrere Besuche türkischer Delegationen nach Damaskus fanden in letzter Zeit statt.

Russland andererseits braucht die Türkei, um seinen Gegner, die USA und auch die NATO, in Syrien zu schwächen. Dazu eignete sich der Konflikt zwischen der NATO und der Türkei. Daher wurde auch der S-400-Handel durchgesetzt.
Wegen ihrer Kurdenphobie hat die Türkei starke Ambitionen, die Selbstverwaltung in Nordostsyrien, das sie als Kurdengebiet versteht, zu beseitigen. Russland war bereit gewesen, der antikurdischen Politik der Türkei entgegenzukommen, und gestattete ihr die Belagerung Efrîns als Bedingung für ihren Rückzug aus Ost-Ghuta. Das heißt, Russland nützt die antikurdische Politik der Türkei zu seinen Gunsten. Eine weitere Bedingung war gewesen, dass das russische Gas nicht über die Ukraine, sondern über die Türkei auf den Markt kommen sollte.
Die historische Tragödie ist, dass es die Waffen und das grüne Licht der NATO waren, mit denen vierzig Jahre lang die Kurden in der Türkei militärisch bekämpft wurden. Heute werden diese Waffen von der Türkei zwar nicht in Syrien, dafür aber in Südkurdistan gegen die Kurden eingesetzt.

Es wäre daher zu einfach, den Kurden vorzuwerfen, sie würden mit der NATO oder mit den USA zusammen agieren. Für die Kurden gibt es keine Sicherheit, dass die USA morgen nicht doch der Türkei grünes Licht für deren »Sicherheitszone«, d. h. die Teilhabe in Nord- und Ostsyrien geben und die Kurden selbst dafür bezahlen lassen. Es ist einzig und allein von Bedeutung, dass die Kurden mit den Arabern, Armeniern, Assyrern und den anderen Volksgruppen in Nord- und Ostsyrien sich selbst schützen können. Es ist das Jahrhundert des Machiavellismus. Ein Jahrhundert der puren Profite. Freund und Feind ändern sich ständig.

Gegenwärtig versuchen die USA zwischen der Türkei und den QSD in Nord- und Ostsyrien zu vermitteln und beide zu einem Kompromiss zu zwingen. Für die USA ist die Türkei als Staat nach wie vor wichtig. Die Kurden allerdings will sie auch nicht verlieren, da diese viel mehr als die Türkei eine Schlüsselrolle im Nahen Osten spielen, weil sie auch im Irak und im Iran leben – etwa 15 Millionen im Iran.

Ob es die USA schaffen, Erdoğan als Repräsentanten der Diktatur und der Kurdenfeindlichkeit mit den Kurden, die für Demokratie und Freiheit stehen, zusammenzubringen, wird die nahe Zukunft zeigen. Ausschlaggebend dabei wird der kurdische Widerstand sein.

Kurden in der Türkei und weltweit werden eine Besetzung Rojavas selbstverständlich nicht zulassen. Im Falle einer solchen Gefahr würde es erneut zu einem Widerstandsnest wie in Kobanê kommen. Denn die Kurden in der Türkei konnten Erdoğan bei den Wahlen einen Schlag versetzen. Aber auch der siebenmonatige Hungerstreik der politischen Gefangenen und der Politiker in Kurdistan, der Türkei, Südkurdistan, Kanada und Europa haben den Willen der Kurden demonstriert, bis wohin sie für ihre Freiheit zu gehen bereit sind. Letzten Endes war Erdoğan durch die Hungerstreiks gezwungen, nach acht Jahren Besuchsverbot die Anwälte zu Öcalan zu lassen.

Außerdem haben Millionen Menschen in der Türkei am Beispiel des kurdischen Widerstandes gesehen, dass Erdoğan und damit die Türkei gar nicht so stark sind, wie er behauptet.

Auch die internationale Öffentlichkeit wird in diesem Falle nicht schweigen. Denn eine Belagerung Nord- und Ostsyriens wird die IS-Schläfer, als bisheriges Werkzeug der Türkei, erneut aufleben lassen. Die Türkei verfügt im belagerten Idlib, Cerablus, Azaz und Efrîn ohnehin über diese Kräfte. Und im Belagerungsfall wird sie dies durch die »örtlichen« Kräfte, d. h. den IS, ausführen lassen. Wie in Efrîn. Damit wäre dann eine Besetzung nicht nur ein kurdisches Problem.

Kurdistan Report 205 | September/Oktober 2019