Ein Jahr nach den Morden von Paris – Wir fordern weiter Gerechtigkeit

Fidan Dogan, Sakine Cansiz und Leyla SaylemezKurdisches Frauenbüro für Frieden – Cenî, 09.01.2014

Vor genau einem Jahr, dem 09.Januar 2013, wurden drei kurdische Revolutionärinnen Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Saylemez im Kurdistan-Informationszentrum mitten in Paris brutal ermordet. Sakine Cansiz war Gründungsmitglied der PKK und eine der ersten Frauen, die sich dem kurdischen Freiheitskampf anschloss. Fidan Dogan war Vertreterin des Kurdistan Nationalkongresses (KNK) in Frankreich. Leyla Saylemez war Aktivistin der kurdischen Jugendbewegung. Ihre Ermordung mitten in Europa war ein Schock für die gesamte kurdische Bevölkerung und die Freundinnen und Freunde des kurdischen Freiheitskampfes. Dementsprechend groß waren die Trauer und die Wut nach der Ermordung. Und diese Wut und Trauer halten weiterhin an.

Zwar wurde kurz nach der Ermordung ein Tatverdächtiger durch die französische Polizei  erfasst, doch genauere Informationen über die bisherigen Untersuchungen der französischen Behörden gibt es derzeit nicht. Der Verdacht, dass der Tatverdächtige Ömer Güney über Hintermänner in der Türkei verfügt, die wahrscheinlich bis in die dunklen Strukturen des türkischen Staates hineinreichen, ist groß. Güney reiste vor dem 9. Januar 2013 bis zu zehn Mal in die Türkei. Er schleuste sich vor dem Mord in den kurdischen Verein in Paris ein und es gelang ihm dort schnell das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Selbst nach dem Mord soll Güney nicht direkt untergetaucht sein, sondern sich im Kreise der Trauernden aufgehalten haben. Sein kaltblütiges Verhalten vor und nach dem Mord unterstreicht den Verdacht, dass es sich bei Güney um einen ausgebildeten Mörder handelt. Auch behauptete ein ehemaliger Agent des türkischen Geheimdienstes MIT, der zuvor selbst in die Strukturen der türkischen Linken eingesetzt worden war, dass Güney ebenfalls Mitglied des türkischen Geheimdienstes ist und mit einem klaren Auftrag nach Europa  geschickt worden ist.

Die Wut der Menschen richtet sich nicht nur auf Ömer Güney und seine Hintermänner. Sie richtet sich auch gegen den französischen Staat. Aus Verhandlungsakten gegen kurdische Aktivisten in Frankreich geht hervor, dass sowohl die ermordete Sakine Cansiz als auch das Kurdistan-Informationszentrum unter ständiger Beobachtung des französischen Geheimdienstes standen. Wie unter solchen Umständen ohne vermeintliche Mitwissenschaft der französischen Behörden dieser Mord vonstattengehen konnte, wirft genauso viele Fragezeichen auf, wie die Tatsache, dass  Ömer Güney so unbehelligt in der französischen Hauptstadt agieren konnte. Hinzu kommen weitere berechtige und offen Fragen: Schweigt die französische Regierung weil sie mitschuldig ist? Werden Wollen diese wirklich die Tat einschließlich aller Strukturen, die darin verwickelt sind, aufdecken? Oder werden sie die Hintermänner der Tat unter den Teppich kehren, wohlmöglich auch, um eine mögliche eigene Verstrickung in die Tat zu verleugnen? Fest steht, dass bis zu einer vollständigen Aufklärung der Tat, sich dem Verdacht einer Mittäterschaft nicht entziehen werden kann.

Nach den Morden im vergangenen Jahr versammelten sich tausende Menschen in Paris, um ihrer Trauer und ihrer Wut gegenüber diesem unmenschlichen Verbrechen Ausdruck zu verleihen. Als die Leichname unserer drei Freundinnen Kurdistan erreichten, versammelten sich auch dort hunderttausende Menschen, um Sakine, Fidan und Leyla auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Zu keiner Zeit im letzten Jahr verstummte der Protest gegen die Morde in Paris. In vielen europäischen Städten versammelten sich kurdische Frauen jeden Mittwoch vor den französischen Konsulaten und in den Innenstädten, um nach Gerechtigkeit und Aufklärung zu fordern. Vor dem Jahrestag der Morde flammten auch die Proteste in Kurdistan wieder auf. Vielerorts kam es zu Auseinandersetzungen mit den türkischen Sicherheitskräften, nachdem diese die Demonstrationen zu unterbinden versuchten. Und auch heute, am Jahrestag der Morde, wird es überall in Kurdistan und Europa zu Protesten und Kundgebungen kommen. Für Samstag den 11.Januar hat die kurdische Frauenbewegung zudem zu einer europaweiten Demonstration in Paris aufgerufen, die um 10 Uhr am Gare du Nord, unweit des Tatorts, beginnen wird.

Bis zur Aufklärung der Morde werden unter Führung kurdischer Frauen die gesamte Bevölkerung durch Proteste die Verantwortlichen des französischen Staates und der NATO Mitglieder darunter auch die  Türkei zur Rechenschaft ziehen.

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