Erneute Angriffe des Islamischen Staates in Shengal

shengal_angriffErklärung der êzîdischen Verbände NAV-YÊK, SMJÊ und HCÊ, 24.10.2016

In den frühen Morgenstunden des 24.10.2016 hat der Islamische Staat IS mit fünf Truppen von fünf Seiten aus Şengal angegriffen. Der Angriff richtet sich gegen die Dörfer Til Qasab, Rambosi, Kizil Kent und Solaq sowie gegen eine Zementfabrik woraufhin es zu starken Gefechten zwischen den Widerstandseinheiten Şengal YBŞ / Widerstandseinheiten der Frauen von Şengal YJŞ und den Angreifern kam. Der Angriff auf Şengal weckt böse Erinnerungen an den Angriff vom 3. August 2014 als der Islamische Staat IS Şengal angriff und Massaker verübte mit dem Ziel eines Völkermords an den Êzîden.

Die Gefechte verlagerten sich im Laufe des Vormittags und konzentrierten sich vor allem auf die Dörfer Cidale und Skinye. Es gibt Meldungen nach denen die Peşmerge, deren Einheiten dort von Êzîden die der KDP nahe stehen gebildet werden, sich vom Dorf Cidale haben zurückziehen müssen. Es gibt Tote und Verletzte unter ihnen. Im Laufe der heftigen Gefechte haben die Truppen der Koalition aus der Luft die Verteidiger unterstützt und einen Autokonvoi des Islamische Staat IS in Höhe des Dorfes Til Izer angegriffen.

Auch die Rolle der Türkei muss in diesem Zusammenhang betrachtet und verurteilt werden. Der sogenannte „Kampf gegen Terror“ dient der Türkei als Legitimationsmittel für ihr mörderisches Vorgehen in Nord-Syrien, Nord-Irak und Kurdistan sowie den gesamten Nahen Osten. Es gibt unzählige Beweise, dass der türkische Staat der Beschützer der terroristischen Organisationen wie dem Islamischen Staat IS und weiterer islamistischer und terroristischer Organisationen aufritt und handelt.

Die Glaubensgemeinschaft der Êzîden gehört zu den ältesten noch bestehenden Glaubensgemeinschaften der Welt. Der Großteil dieser Gemeinschaft lebt – bedauerlicherweise gegenwärtig in der Vergangenheitsform, „lebte“ – im Şengal-Gebiet (Süd-Kurdistan/Nord-Irak). Über Jahrhunderte hinweg erlebten die Êzîden Verfolgung, Unterdrückung, Zwangskonvertierung/Zwangsislamisierung, Verleumdung, unzählige Massaker und Genozide. Seit der Staatsgründung des Iraks – im Zuge der territorialen Verschiebungen nach dem 1. Weltkrieg – bis heute, hat man es versäumt der Stimme der Êzîden Gehör zu verleihen. So wurde der Status der Êzîden als Glaubensgemeinschaft bisher nicht anerkannt; weder durch den Irak, noch durch die Vereinten Nationen. Ein Versäumnis, das bittere Konsequenzen nach sich zog und zieht.

Durch den Angriff des Islamischen Staat IS  am 3. August 2014 wurde die êzîdische Gemeinschaft in ihren Grundfesten erschüttert. Mord, Vergewaltigung, Enthauptung, Verschleppung von Frauen und Kindern, Zwangskonvertierung/Zwangsislamisierung, Zwangsverheiratung, Sklaverei sowie eine Massenflucht von Hunderttausenden von Êzîden aus ihrer Heimat brachte die Barbarei des Islamische Staat IS über die êzîdische Glaubensgemeinschaft. Ein Genozid im 21. Jahrhundert mit solch einer Brutalität ist ein Armutszeugnis für die Weltgemeinschaft, da dieser verhindert werden konnte.

Wir appellieren an alle Freundinnen und Freunde sowie Verteidiger und Schützer der Werte der Menschheit und der Menschlichkeit – lasst uns gemeinsam weiterhin für Şengal und die Êzîden und auch Christen einstehen.

Es wird dringend Unterstützung für den Widerstand und den Wiederaufbau von Şengal benötigt.

Unter anderem fordern wir um weitere Angriffe zu verhindern:

>Ein noch konsequenteres und gemeinsames Handeln gegen die Terrormiliz Islamischer Staat IS.

>Die Anerkennung und Ausrüstung der êzîdischen ‘Widerstandseinheiten Şengal’ (YBŞ) und die ‘Widerstandseinheiten der Frauen von Şengal’ (YJŞ), welche den Schutz und zur Verteidigung der Êzîden im Şengal gewährleisten, zur weiteren Bekämpfung des Islamischen Staates IS.

>Die Unterstützung Şengals sowie aller Regionen der Êzîden und Christen auf allen Ebenen, zur Prävention weiterer Massaker.

>Die internationale Anerkennung der Êzîden als eigenständige und unabhängige Glaubensgemeinschaft.

>Die Selbstverwaltung der Êzîden soll durch die EU, USA und die UN anerkannt, und deren demokratische Bestrebungen unterstützt werden.

>Internationale Fonds sowie politische und militärische Unterstützung beim Widerstand und beim Wiederaufbau des Şengal-Gebiets sowie die Errichtung eines Hilfskorridors, um den dort erforderlichen Widerstand und Wiederaufbau zu ermöglichen.

NAV-YÊK – Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V.   /   SMJÊ – Dachverband der Êzîdischen Frauenräte / HCÊ – Bündnis der Êzîdischen Jugend, 24.10.2016