Eröffnung des § 129b-Prozesses gegen Mehmet D. vor dem OLG Hamburg

PKK-VerbotSolibündnis Freiheit für Mehmet Demir!, 11.05.2015

Am 20. Mai wird vor dem 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts das Hauptverfahren gegen den kurdische Aktivisten Mehmet D. eröffnet, der der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129b Abs.1 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB) beschuldigt wird. Er soll sich laut Anklage von Januar 2013 bis Mitte Juli 2014 als hauptamtlicher Kader der PKK und u. a. als Gebietsleiter Mitte und später Nord betätigt haben. In dieser Funktion sei Mehmet D. verantwortlich gewesen für die Beschaffung von Spenden und Beiträgen für die PKK und dafür, dass sich genügend Anhänger an Veranstaltungen und Schulungen beteiligen.

Mehmet D. wurde am 29. August 2014 in Bremen festgenommen und befindet sich seitdem in U-Haft in der Holstenglacis.

Gericht plant „kurzen Prozess“

Das OLG Hamburg hat nun versucht, das so genannte Selbstleseverfahren als eine Form der Beweiserhebung anzuordnen und allen Verfahrensbeteiligten bereits Wochen v o r Eröffnung des Prozesses umfangreiches Dokumentenmaterial zugeleitet.

Normalerweise wird ein solches Selbstleseverfahren von als Beweismittel dienenden Unterlagen erst in die Hauptverhandlung eingeführt. Möglich, dass die Hamburger Richter durch die vom Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr verworfenen Revisionen in mehreren § 129b-Verfahren gegen kurdische Aktivisten beflügelt worden sind, mit dem Verfahren gegen Mehmet D. im wahrsten Sinne des Wortes „kurzen Prozess“ zu machen, scheinen doch die höchstrichterlich getroffenen Festlegungen unumstößlich. Die Verteidigung wird das nicht hinnehmen.

Gericht muss sich mit Völkerrechtsfragen befassen…

Das OLG wird sich auch in diesem Fall mit den völkerrechtlichen Aspekten des kurdischen Widerstands befassen müssen und auch mit der Tatsache, dass Vertreter der türkischen Regierung seit Ende 2012 Gespräche mit Abdullah Öcalan zur Lösung der kurdischen Frage führen, er im März 2013 eine historische Phase – verbunden mit einem einseitigen Waffenstillstand – ankündigte und im Februar dieses Jahres eine Verständigung zwischen Regierung und Politiker*innen der HDP (Demokratische Partei der Völker) in Form eines 10-Punkte-Programms zur Fortführung des Lösungsprozesses der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Nicht zuletzt werden die Äußerungen von Cemil Bayik, Co-Vorsitzender des Exekutivrates der Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans (KCK) in einem Interview mit dem NDR/WDR von Anfang April von Bedeutung sein, in dem er sich u.a. im Namen der PKK „beim deutschen Volk“ für die gewaltsamen Auseinandersetzungen bei kurdischen Demonstrationen in den 1990er Jahren entschuldigte und gleichzeitig darauf hinwies, dass sich die heutige PKK mit der damaligen ganz grundsätzlich unterscheide.

In den Zeitraum der gegen Mehmet D. erhobenen Beschuldigungen fallen zudem die Ereignisse im Mittleren Osten, wo die PKK-Guerilla mit den kurdischen Peschmerga im Nordirak und in der nordsyrischen Region Kobanê (Rojava) einen erbitterten Widerstandskampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ führten und weiterhin führen – nicht zuletzt mit Waffen aus Deutschland.

Diese Entwicklungen lösten in der Bundesrepublik vielfältige Diskussionen aus um eine Neubewertung der PKK bis hin zu Forderungen, das PKK-Betätigungsverbot aufzuheben.

Im Oktober 2010 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), den §129b StGB auch gegen die PKK anzuwenden, woraufhin das Bundesjustizministerium am 6. September 2011 den Staatsanwaltschaften eine weitreichende Ermächtigung zur entsprechenden strafrechtlichen Verfolgung erteilte. Sie umfasst zurückliegende und künftige Straftaten von Angehörigen der Europaführung, von Deutschlandverantwortlichen und Leitern von Regionen und Gebieten der PKK sowie ihrer europäischen Teilorganisation CDK (Kurdische Demokratische Gesellschaft).

… und mit der Rechtmäßigkeit des § 129b

Es wird auch in diesem Verfahren die Frage der Rechtsstaatlichkeit dieser Regelung thematisiert werden, bleibt es doch einzig der Exekutive – hier dem Bundesjustizministerium – überlassen zu entscheiden, ob eine Vereinigung im Ausland als Befreiungsbewegung anerkannt oder als terroristisch einzustufen und mithin strafrechtlich zu verfolgen ist. Dies bedeutet praktisch, dass das deutsche Strafrecht im Wortsinne über Grenzen hinaus ausgeweitet wird und die Strafverfolgungsbehörden für Konflikte im Ausland instrumentalisiert werden.

Nichts ist von Dauer, auch das Unrecht nicht

Insbesondere vor dem Hintergrund des seit Jahren laufenden Gesprächsprozesses zwischen türkischer Regierung, Abdullah Öcalan und weiteren kurdischen Repräsentant*innen hätte das Justizministerium die Ermächtigung gegen Mehmet D. nicht erteilen dürfen. Stattdessen wäre eine Unterstützung des politischen Verständigungsprozesses zur Beilegung des türkisch-kurdischen Konflikts durch die Bundesregierung das richtige Zeichen der Zeit.

Politische Verfolgung zieht weitere Kreise in Hamburg

Seit kurzem sind die Anklageschriften der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der letzten Hausbesetzung in der Breiten Straße in Hamburg raus. Das Konstrukt der Ermittlungsbehörden des gemeinschaftlich versuchten Totschlags bleibt bei drei Beschuldigten weiter bestehen. Der Vorwurf zeigt deutlich wie hoch dieses Verfahren nach wie vor gehängt wird und auch, dass für die Betroffenen Freiheitsstrafen auf dem Spiel stehen. Bei Weiteren lauten die Anklagen auf gefährliche Körperverletzung. Mittlerweile ist klar, dass die Verfahren zusammengezogen und damit zusammen verhandelt werden. Die ersten Verhandlungstage sind für August diesen Jahres angesetzt. Die gesamte Vorgehensweise der Ermittlungsbehörden macht deutlich, dass das Interesse der Anklage an diesem Prozess nicht nur juristisch, sondern vor allem auch politisch motiviert ist.

Wie seit einiger Zeit öffentlich bekannt ist sitzt im Zusammenhang mit der Besetzung in der Breiten Straße in Hamburg aktuell eine Person in U-Haft. Zwei andere Personen die in diesem Zusammenhang in U-Haft saßen sind nach wie vor draußen. Einer wurde nach der ersten Haftprüfung entlassen, der andere erst nach ca. 4 Monaten und einer weiteren Haftprüfung. Diese Entlassung war an Auflagen gekoppelt. Alle Beschuldigten haben Bescheide zur DNA-Abgabe erhalten und allen wurde trotz juristischen Widerspruchs mittlerweile DNA zwangsweise abgenommen. Im Zusammenhang mit der Besetzung in der Breiten Straße, bedeutet die Entnahme von DNA eine Ausweitung der laufenden Ermittlungen und zeigt deutlich wie groß das Interesse daran ist die Beschuldigten zu überführen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind. Daher ist es nach wie vor wichtig aufmerksam und vorsichtig zu sein.

Lasst die Beschuldigten nicht alleine. Denn es gibt viele Gründe sich mit ihnen aber auch der Praxis von Hausbesetzungen und dem aktiven Widerstand gegen die Herrschafts-Verhältnisse und ihre Schützer*innen zu solidarisieren. Lassen wir nicht Polizei-Konstrukte und Repression unsere Solidarität bestimmen.

Solidarität und Widerstand gegen Staat und Repression!
Kommt zur Kundgebung am 20.05. um 8:00 Uhr vor dem Gericht!