Erstmalig in einem § 129b-Verfahren gegen kurdische Aktivisten: Haftbefehl gegen Düzgün C. nach vier Verhandlungstagen aufgehoben

azadi-transparent2Pressemitteilung von AZADÎ e.V., Mai 2015

Düzgün C., angeklagt der mutmaßlichen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129b StGB), ist am 28. Mai nach vier Verhandlungstagen vor dem Oberlandesgericht Koblenz aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

Im Verlaufe des Verfahrens hatten sowohl der Senat des OLG als auch die Staatsanwaltschaft ein „kleines Verfahren“ zugelassen, so dass die Anklage gegen den 57-Jährige schlussendlich auf Verstoß gegen das Vereinsgesetz beschränkt wurde (§ 154 Strafprozessordnung).

Düzgün C. war Mitte Dezember vergangenen Jahres festgenommen worden. Die Strafverfolgungsbehörden beschuldigten ihn, seit Mai 2013 das Gebiet „Saarbrücken“ als „hauptamtlicher Kader“ der PKK verantwortlich geleitet zu haben und für die Regelung der „organisatorischen, finanziellen, personellen sowie propagandistischen Angelegenheiten“ in seiner Region zuständig gewesen zu sein.

Die gestrige Entscheidung des OLG Koblenz sollte Schule machen.

Es ist schlicht nicht weiter akzeptabel, dass kurdische Aktivisten der PKK in der BRD als „Terroristen“ angeklagt und stigmatisiert werden, während Selbstvereidigungseinheiten der Organisation gemeinsam mit ihren Verbündeten im Mittleren Osten seit vielen Monaten einen erbitterten Widerstand gegen die Terrormiliz des IS führen.

Nicht weiter hinnehmbar sind diese politischen Prozesse auch vor dem Hintergrund der zahlreichen friedenspolitischen Initiativen der kurdischen Freiheitsbewegung sowie des seit Ende 2012 stattfindenden Verständigungsprozesses zwischen der türkischen Regierung, dem PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan und weiteren kurdischen Politiker*innen.

Die Bundesregierung muss – nach 22 Jahren Verbotspraxis – ihren eindimensionalen Blick auf die Arbeiterpartei Kurdistans erweitern und einen ernsthaften, gleichberechtigten Dialog mit der kurdischen Bewegung aufnehmen mit der Intention, den Prozess zur Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts zu unterstützen.

Ein erster Beitrag wäre zweifellos, die exilpolitischen Aktivitäten von Kurdinnen und Kurden in Deutschland zu entkriminalisieren und den Ermächtigungen des Bundesjustizministeriums zur Strafverfolgung kurdischer Politiker*innen nach § 129b StGB ein Ende zu bereiten. Diese Regelung nämlich stellt den mehr als fragwürdigen Versuch dar, deutsche Strafgewalt im Wortsinne nahezu grenzenlos auszuweiten. Denn ob eine solche Verfolgungsermächtigung gegen eine bestimmte Vereinigung irgendwo auf der Welt erteilt wird oder nicht, entscheidet das Ministerium allein nach politischen Interessenserwägungen der Bundesrepublik.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, vor dem am 20. Mai der § 129b-Prozess gegen Mehmet D. begonnen hat, sollte sich die Entscheidung des OLG Koblenz zum Vorbild nehmen und den Angeklagten vom Vorwurf des Terrorismus befreien.