Friedensabkommen zwischen YPG und FSA

ypg_fsaPressemitteilung, Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V., 22.02.2013
Kurdische Volksverteidigungseinheinten (YPG) und Freie Syrische Armee einigen sich nach Gefechten in Serê Kaniyê (arab. Ras al Ayn) im Norden Syriens

Am 03.02.2013 hatten wir in einer Pressemitteilung berichtet, dass islamistische Gruppierungen in Serê Kaniyê (Westkurdistan/Nordsyrien) einen Waffenstillstand fordern. Jetzt kam es laut Angaben mehrerer kurdischer und arabischer Zeitungen am 17.02.2013 zum Abschluss eines Friedensabkommens zwischen der Freien Syrischen Armee (FSA) und den kurdischen Volksverteidigungseinheiten der YPG. Dem Abkommen nach, sollen sich sämtliche bewaffnete Gruppen aus der umkämpften Stadt Serê Kaniyê (arab. Ras al Ayn) zurückziehen.

Zuvor kam es in Serê Kaniyê mehrfach zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Volksverteidigungseinheiten (YPG) und zur FSA gehöriger Gruppierungen. Am 6. Februar traf sich eine Delegation unter der Führung von Michel Kilo, einem syrisch-christlichen Schriftsteller und Gründungsmitglied des Koordinationskomitees für Demokratischen Wandel mit dem Kurdischen Hohen Rat (DBK). Zeitgleich kam es zur Einstellungen der seit Wochen anhaltenden militärischen Auseinandersetzungen zwischen FSA-Kämpfern und Angehörigen der YPG.

Durch die Vermittlung des Kurdischen Hohen Rates und der Delegation um Michel Kilo kam es zu einem Treffen zwischen Vertretern der FSA und der YPG, in dessen Folge am 17.02.2013 ein elf Punkte umfassendes Abkommen ausgehandelt wurde.

Dem Abkommen nach, werden sich sämtliche bewaffnete Gruppen aus Serê Kaniyê zurückziehen. Des Weiteren sieht das Abkommen vor: 

1. Die bewaffneten Gruppen haben Serê Kaniyê zu verlassen

2. Ein Ausschuss, der auf beiden Seiten gegründet wird, wird sich um die Beobachtung der Einhaltung des Abkommens kümmern.

3. Ein ziviler Rat, bestehend aus VertreterInnen sämtlicher Völker Syriens, soll gegründet werden.

4. Die Kontrolle über die Grenzübergänge wird vom zivilen Rat ausgeübt.

5. Die zivile Organisation Serê Kaniyês wird vom Rat geleitet. Militärisches Eingreifen ist untersagt.

6. YPG und FSA errichten gemeinsame Kontrollpunkte an den Ein- und Ausgängen von Serê Kaniyê.

Die al Qaida nahe salafistische Organisation Al NusraFront und die radikal islamistische Guraba Al Sham sollen sich ebenfalls an das Abkommen halten. So erklärte Michel Kilo in einem Interview mit der französischen Nachrichtenagentur (AFP), dass die Guraba Al Sham das Abkommen unterstützen würde und die Mehrheit ihrer Kämpfer Serê Kaniyê schon verlassen hätte. „Die FSA hat das Abkommen im Namen aller Gruppen, bis auf die Al Nusra Front, die in den letzten Angriffen nicht involviert war, unterzeichnet. Jedoch war die Al Nusra Front ebenfalls an den letzten Gesprächen beteiligt und gab mündlich das Versprechen, das Abkommen nicht zu brechen“, so Kilo weiter.

In einem Gespräch mit Civaka Azad deutete Salih Mülsim, Kovorsitzender der Partei für Demokratische Einheit (PYD) und Mitglied im Kurdischen Hohen Rat (DBK), das Abkommen als einen wichtigen Schritt, „denn nur eine Politik, die auf dem demokratischen Willen der Bevölkerung basiert, kann das Land aus dem bestehenden Chaos führen“. Weiter erklärte Müslim, „durch das Einmischen ausländischer Akteure wurde der syrische Aufstand, der zunächst als friedliche Revolution der Völker von Syrien begann, militarisiert und in einen blutigen Bürgerkrieg überführt. Hierbei gilt es auch die FSA richtig zu deuten. Denn entgegen vieler Interpretationen aus Europa handelt es sich bei der Freien Syrischen Armee um ein äußerst heterogenes Gefüge, welches über keine wirkliche zentrale Administration verfügt. Daher erschien es lange Zeit schwer, einen Dialogpartner zu finden. Die kurdische Seite ist sich dem Abkommen, das sich auf Serê Kaniye bezieht, einig. Wir sind der Überzeugen, dass die Vereinbarung, die hinsichtlich der Stadt erzielt wurde, auch eingehalten wird. In Serê Kaniye leben zwar mehrheitlich KurdInnen, doch wird die Stadt auch von anderen Völkern bewohnt. Wir setzen auf einen offenen Dialog. Ohne eine Lösung der kurdischen Frage kann in Syrien keine wirkliche Demokratisierung erfolgen. Es gilt daher, die Rechte sämtlicher ethnischer und religiöser Gruppen sowie der Frauen in einer demokratischen Verfassung zu formulieren und zu garantieren“.

In dessen gab die Cezire-Firat-Befreiungsfront, die im vergangenen Dezember in der Türkei (Urfa) gegründet worden ist, sowie Selim Idris, Generalstabschef der vereinten Kommandanturen der FSA, in einem Interview mit der türkischen Nachrichtenagentur AA bekannt, dass sie das Abkommen mit der YPG nicht anerkennen werden.

In seiner Kolumne für die türkische Tageszeitung Radikal erklärt Fehmi Tastekin die Situation folgendermaßen: „Unter den Unterstützern der Verhandlungsphase befand sich ebenfalls der Stellvertreter von Selim Idris, Generalstabschef der vereinten Kommandanturen der FSA und der Stabsoffizier Ebu Ömer. Dies ließ den Eindruck erwecken, dass die Kommandantur der FSA dem Abkommen zugestimmt habe. Durch die gestrige (20.02.2013) Erklärung von Idris wurde dieser Eindruck gebrochen. Auf der anderen Seite bestärkten andere Gruppen, neben der PYD die Vertreter des Kurdischen Nationalrates, die TEV-DEM (Demokratische Bewegung) und andere Führungspersönlichkeiten der Gesellschaft, das Abkommen.“

Die widersprüchliche Erklärung von Idris bewertet Tastekin in seiner Kolumne folgenderweise: „Es gilt, die Erklärung von Selim Idris, drei Tage nach der Unterzeichnung des Abkommens im Hinblick auf den bestehenden Einfluss der Türkei auf die Politik der FSA, zu bewerten. Bei dem Generalstab der vereinten Kommandanturen der FSA handelt es sich um einen Überbau, der darauf abzielt, ein einheitliches Bild der militärischen Front der Syrischen Nationalkoalition zu vermitteln. Daher scheint es nicht wahrscheinlich, dass er sich nun von der Türkei aus [zum Abkommen] bekennt und Ankara verärgert.“

Schreibe einen Kommentar