„Grünes Licht für türkische Geheimdienstaktivitäten gegen Kurden in Deutschland“

Pressemitteilung, Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V., 14.10.2017

Zwei Jahre auf Bewährung – So lautet das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts im Prozess gegen einen mutmaßlichen türkischen Geheimdienstagenten, der darauf angesetzt war, kurdische Politiker in Deutschland zu liquidieren. Doch nachdem Mehmet Fatih S., der als Journalist getarnt den Kontakt zu kurdischen Vertretern wie Yüksel Koç suchte, erst auf öffentlichen Druck hin von der Polizei festgenommen wurde, kam es nun zu einem Richterspruch von zwei Jahren auf Bewährung für den Angeklagten. Dass der Mordauftrag im Prozess gar nicht zur Debatte stand, hatten kurdische Vertreter bereits als Skandal gewertet. Doch die Empörung nach dem Urteil ist nun sogar noch größer. Wir haben den KCDK-E Ko-Vorsitzenden Yüksel Koç um eine Stellungnahme zum Prozessausgang gebeten, den wir im Folgenden wiedergeben möchten:

„Wir haben ein solches Gerichtsurteil erwartet. Und unsere Erwartungen sind nun zur Wirklichkeit geworden. Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts kommt einer Zustimmung für die schmutzige Politik des türkischen Staates gleich. Es scheint fast so, als wurde die Unabhängigkeit der Justiz für die  politischen Interessen der Bundesrepublik geopfert. Obwohl wir wissen, durch wen der mutmaßliche Agent gelenkt wird und obwohl wir all unsere Hinweise den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt haben, hat das Gericht noch nicht einmal das Interesse gezeigt, die von uns vorgelegten Beweise zu untersuchen.

Es handelt sich bei diesem Spionagefall um keine persönliche Angelegenheit zwischen mir und dem Angeklagten. Der Angeklagte wurde durch den türkischen Staat gegen mich in meiner Position als Ko-Vorsitzender des KCDK-E (Demokratischer Gesellschaftskongress der Kurdinnen und Kurden in Europa), angesetzt. Aus diesem Grund werden wir uns als Institution beraten, wie wir dieses Urteil bewerten werden. Allerdings sind wir uns bereits jetzt einig, dass wir das Urteil anfechten und in Revision gehen werden.

Es ist allgemein bekannt, dass die Sicherheitsbehörden in Deutschland kurdische Institutionen und Politiker kriminalisieren. Mir ist auch klar, dass in diesem Rahmen mein Telefon abgehört und meine Aktivität als kurdischer Repräsentant penibel verfolgt wird.  Deshalb kann uns niemand erzählen, dass der deutsche Staat sich nicht im Klaren darüber ist, dass kurdische Politiker, wie ich, im Visier des türkischen Geheimdienstes stehen. Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts sagt vor diesem Hintergrund deshalb aus, dass Deutschland den türkischen Geheimdienstaktivitäten gegen kurdische Aktivisten in diesem Land ein grünes Licht erteilt hat.

Ich möchte nochmals Folgendes unterstreichen: Wir haben alle Beweise für die Attentatspläne des türkischen Geheimdienstes auf deutschem Boden den hiesigen Sicherheitsbehörden übermittelt. Weil darauf keine praktischen Schritte folgten, haben wir die Informationen schließlich öffentlich gemacht. Ohne öffentlichen Druck wäre es wohl noch nicht einmal zu der Festnahme des Angeklagten gekommen. Der deutsche Staat hat einfach kein Interesse die schmutzigen Machenschaften des türkischen Staates zu verfolgen. Das Gerichtsurteil in Hamburg hat dies nochmals unter Beweis gestellt.“


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