Wir stehen für eine politische Lösung

manheim festKCK verkündet ihre Haltung zum aktuellen Stand des Lösungsprozesses, 10.10.2013

Mit einer umfassenden Deklaration haben die Kovorsitzenden des KCK-Exekutivrates die Haltung der kurdischen Freiheitsbewegung zum aktuellen Stand des Lösungsprozesses bekannt gegeben.
In der Deklaration listen sie die drei Hauptforderungen der KurdInnen im Lösungsprozess auf, ohne deren Erfüllung alle andere Schritte keinerlei Bedeutung hätten. Diese Forderungen sind: der verfassungsrechtliche Schutz der kurdischen Identität und Kultur, die Anerkennung der Demokratischen Autonomie sowie das Recht auf muttersprachlichen Unterricht. „Im Falle, dass das Recht auf ein freies und demokratisches Leben nicht anerkannt wird, ist es ein legitimes Recht, dass die KurdInnen mit ihrem eigenen Willen und ihrer eigenen Kraft das freie und demokratische Leben aufbauen. In diesem Falle wird die neue Phase eines vieldimensionalen Widerstands beginnen“, heißt es in der Deklaration.

Alle Teile der kurdischen Freiheitsbewegung würden eine politische Lösung im Rahmen des von Abdullah Öcalan am 21. März dieses Jahres verkündeten Manifests unterstützen. Ob aber die Phase der Gefechtslosigkeit weiter anhalten werde, hänge davon ab, welchen Weg die AKP-Regierung und der türkische Staat in den kommenden Tagen einschlagen werden, erklärt die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans KCK.

Scharfe Kritik wird in der Deklaration gegenüber das „Demokratisierungspaket“ der AKP-Regierung geübt. Weder das einseitige Zusammenschüren solcher Reformpakete unter Nicht-Beachtung der kurdischen Seite, noch die Inhalte seien nicht im Sinne des Lösungsprozesses. Das „Demokratisierungspaket“ habe deshalb große Teile der Gesellschaft enttäuscht. Jede Aktion der Regierung, die nicht den Willen und die Forderungen der kurdischen Seite ernst nehme, sei deshalb als Teil einer Hinhalte- und Betrugsmasche zu bewerten, so die KCK-Exekutivratsvorsitzenden.

In der Deklaration wird ein Überblick von den Anfängen der kurdischen Frage hin zur Entstehung der kurdischen Freiheitsbewegung als dessen Folge, von den bisherigen einseitigen Friedensinitiativen der PKK bis zu der aktuellen Entwicklung im gegenwärtigen Friedensprozess gegeben.

Im Folgenden dokumentieren wir den Schlussteil der Deklaration im Wortlaut:

Drei Hauptforderungen
Für eine tiefgreifende Lösung der kurdischen Frage gibt es drei grundlegende Forderungen. Ohne ein Erfüllen dieser Hauptforderungen macht es keinen Sinn über Details zu sprechen. Diese grundlegenden Forderungen, Parameter und Bedingungen sind klar. Sie drücken ein Ganzes aus, welches nicht voneinander zu trennen ist.

Erstens: Die verfassungsrechtliche und gesetzliche Sicherung der Existenz, Identität und Kultur der Kurden; die Anerkennung des Denkens in kurdischer Identität und der Organisierungsfreiheit.

Zweitens: Die Akzeptanz der Demokratischen Autonomie, für die Akzeptanz der Kurden als Gesellschaft.

Drittens: Aus der Tatsache, dass mit dem kulturellen Genozid ein Volk verleugnet wird, die Akzeptanz muttersprachlichen Unterrichts auf allen Ebenen.

Dies sind Forderungen von denen das kurdische Volk nicht abrücken wird. Es kann ohne die Umsetzung dieser drei Hauptforderungen nicht von einem Abrücken von Vernichtung und Assimilation, sowie des kulturellen Genozids gesprochen werden. Bestenfalls kann man sagen, dass die Vernichtung, Assimilation und der kulturelle Genozid unter neuen Bedingungen fortgeführt wird. Die drei Hauptforderungen, die die Vernichtung, Assimilation und den kulturellen Genozid beenden werden, können nur mit einer demokratischen Verfassung begegnet werden und sind Forderungen, die sich zusammen vervollständigen. Wenn auch nur eine fehlt, können die anderen keinen Sinn mehr ergeben. Das freie und demokratische Leben mit kurdischer Identität ist nur gemeinsam mit diesen drei integralen Bestandteilen möglich. Wie diese konkretisiert und umgesetzt werden können, kann über Diskussionen, Verhandlungen und Vereinbarungen erfolgen. Ohne die Kurden als Gesprächspartner anzunehmen, ihren Willen anzuerkennen und ohne mit ihren Vertretern zu verhandeln, können diese Hauptforderungen nicht verwirklicht werden. Denn die Anerkennung der Gesprächspartner und des politischen Willens der Kurden ist mit einem Mentalitätswechsel hinsichtlich der kurdischen Frage verbunden. Der reale Lösungswille wird sich mit dem Ablegen der alten Mentalität und Annäherungsweise zeigen und verwirklichen.

Ohne die Kurden als Gesprächspartner, ohne ihren politischen Willen zu akzeptieren – folglich zu sagen, das Problem wird sich lösen, ohne zu verhandeln –, bedeutet, die Kurden anzulügen und sie hinzuhalten.

Wir stehen für eine politische Lösung
Als kurdische Freiheitsbewegung stehen wir für eine demokratisch-politische Lösung. Immer haben wir dieses Verfahren bevorzugt. Der Vorsitzende Apo zeigt seit mehr als zwanzig Jahren die Mühen für diese Art und Weise. Die theoretische Neuerung und der Paradigmenwechsel der kurdischen Freiheitsbewegung bedingt solch eine Herangehensweise für die Lösung. Der Vorsitzende Apo hat in der Natur seines Newroz-Manifests 2013 dargelegt, welche Lösung er wünscht. Alle Organisationen und Elemente der kurdischen Freiheitsbewegung stehen für diesen Lösungsansatz.

Diese Form der Lösung bevorzugt unsere Bewegung auch heute auf der Basis von Verhandlungen mit dem türkischen Staat. Die vernünftige Herangehensweise und Geduld des Vorsitzenden Apo und der kurdischen Freiheitsbewegung wird deshalb bevorzugt. Diese Herangehensweise ist für den türkischen Staat und die AKP-Regierung eine historische Chance und Möglichkeit. Doch bis jetzt haben sie sich dieser Chance nur grob angenähert. Wenn Staat und Regierung sich von dieser Haltung abwenden, der Vorsitzende Apo und die Freiheitsbewegung wirklich als Gesprächspartner angenommen und gesetzliche Maßnahmen dafür getroffen werden, für die Lösung der kurdischen Frage auf Verhandlungen übergegangen wird und unabhängige Beobachter sowie wichtige Kreise der Gesellschaft sowie Intellektuelle in den Lösungsprozess eingebunden werden, erfüllen wir als Bewegung die an uns zufallenden Aufgaben – wie bisher – ohne zu zögern.

Ob und wie die Phase der Gefechtslosigkeit anhalten wird, hängt von der Haltung der AKP ab. Wenn die Pflichten für die Lösung der kurdischen Frage nicht erfüllt werden, wenn die heutige Haltung in gleicher oder veränderter Form fortgeführt wird, wird unsere Bewegung diese Situation bewerten und im Sinne unseres Paradigmas den Weg für den Aufbau des freien und demokratischen Lebens mit eigenem Willen und eigener Kraft mit neuen Mitteln und Wegen einschlagen. Im Falle, dass das Recht auf ein freies und demokratisches Leben nicht anerkannt wird, ist es ein legitimes Recht, dass die KurdInnen mit ihrem eigenen Willen und ihrer eigenen Kraft das freie und demokratische Leben aufbauen. In diesem Falle wird die neue Phase eines vieldimensionalen Widerstands beginnen. Ob die Phase der Gefechtslosigkeit anhalten wird, für welchen Weg und welche Mittel wir als Bewegung uns entscheiden werden, hängt von der Haltung der türkischen Regierung und des türkischen Staates in den kommenden Tagen ab. Die letzten Jahrzehnte haben unter Beweis gestellt, dass die Demokratisierung der Türkei und die Lösung der kurdischen Frage nur durch einen Widerstand vorangebracht werden. Der Aufruf unseres Vorsitzenden am diesjährigen Newrozfest richtete sich besonders an die Kreise, die für die Demokratisierung stehen. Er forderte vor allem die Demokratiekräfte und die kurdische Bevölkerung dazu auf, diesen Prozess zu verteidigen und zu unterstützen. Dass die AKP-Regierung keinerlei Schritte in Richtung einer Lösung unternimmt, den Prozess gar für ihr politisches Kalkül in Gefahr bringt, ist offensichtlich geworden. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Gesellschaft gegenüber dieser Haltung klar positioniert. Wir rufen die Demokratiekräfte und unsere Bevölkerung dazu auf, sich im Sinne einer Lösung zu organisieren und einen vieldimensionalen Widerstand zu leisten.

Quelle: ANF, 10.10.2013, ISKU

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