Kurdisch als Wahlfach, ein weiterer Versuch der Assimilation

cemil bayikCemil Bayik

Cemil Bayik ist Mitglied des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans KCK. Er hat in einer Kolumne am 11.06.2012 in der Yeni Özgür Politika die grundlegende Sicht der Freiheitsbewegung Kurdistans in Hinsicht auf die Entwicklungen und Krieg in der Türkei und Nordkurdistan bewertet.

Anhand der verzeichnenden Praxis des türkischen Staates lässt sich erkennen, dass außer den Willen des kurdischen Volkes zu brechen und den kulturellen Genozid fortzuführen, keinerlei andere Politik betrieben wird. Auf der einen Seite ist eine Hinhaltepolitik zu erkennen, zeitgleich wird auf der andere Seite die Unterdrückung des kurdischen Volkes erheblich forciert.

Ein Tag nach dem Zusammenkommen des Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan und dem CHP-Generalsekretär Kemal Kiliçdaroglu werden sämtliche Bürgermeister von Wan (Van) festgenommen. In vielen Städten kam es zu Festnahmen von Dutzenden MedizinstudentInnen. Der Krieg gegen das kurdische Volk erreicht einen neuen Höhepunkt.

Die Zusammenkunft der Generalsekretäre der CHP und AKP lässt keine wirkliche Ernsthaftigkeit erkennen. Die CHP kann keinen wirklichen Lösungsvorschlag vorweisen. Die AKP hat nur das Ersuchen der CHP akzeptiert, um das kurdische Volk und die demokratischen Kräfte weiter hinzuhalten. Dieses Treffen soll Erwartungen wecken. Die Fasson der AKP ist auf Hinhalten und auf die Legitimierung ihrer Politik konstruiert. Speziell in der kurdischen Frage kommt permanent diese Methodik zur Anwendung. Die Anwendung dieser Manier bei einer solch ernsten Problematik verdeutlicht die fehlende Ernsthaftigkeit der AKP. Nicht die Interessen des Volkes der Türkei spielen dabei eine Rolle, sondern die des eigenen Klientels. Mit der Mentalität, ich werde die kurdische Freiheitsbewegung am besten unterdrücken, erfährt die klassische Politik des Staates einen neuen Protagonisten.

Solange der politische Wille des kurdischen Volkes und eine demokratische Selbstbestimmung nicht anerkannt werden, bleibt die kurdische Frage ungelöst. Obwohl dies allen bewusst ist, ist an diesen Punkten kein positiver Ansatz zu erkennen. Die neue politische Hegemonie und die Politik des kulturellen Genozids, die die AKP an dem kurdischen Volk nicht durchsetzen konnte, soll nun mit dem CHP-AKP-Bündnis bewältigt werden. Deshalb beinhaltet dieses Treffen keinerlei weitere Bedeutung.

Zum einen die Hinhaltetaktik, dann das Brechen des Willens des kurdischen Volkes und der Versuch die eigenen Politiken beim kurdischen Volk durchzusetzen, dies ist die derzeitige Politik des türkischen Staates.

Besir Atalay (Vize-Ministerpräsident) hat mit der Erwähnung von Waffenniederlegung und der neuen Form von den Sprachkursen als Wahlfach ihr eigentliches Programm offenbart. So soll die Forderung nach muttersprachlichem Unterricht abgeblockt werden. Genauso soll der Wille des kurdischen Volkes nach Selbstverwaltung durch eine geringe Erweiterung der Rechte der Stadtverwaltungen ins Leere laufen gelassen werden. Im Konkreten wird die Politik der Leugnung, der Assimilation, der Vernichtung der KurdInnen in neuer Form weitergeführt.

Die Aussage von Besir Atalay bezüglich der Waffenniederlegung offenbart ihre Politik. Bei einer solch intensiven Kriegs- und Genozidpolitik und dem Beharren auf der Nicht-Lösung des Konflikts, kann vom kurdischen Volk nur eine Ausweitung des Widerstandes erwartet werden. Andere Aussagen und Bewertungen diesbezüglich gehören zur psychologischen Kriegsdimension der Hinhalte- und Vernichtungspolitik. Deshalb handelt es sich bei den Aussagen von Besir Atalay in jeder Beziehung um eine Operation der psychologischen Kriegsführung. Abgesehen davon hat sie keine Bedeutsamkeit oder Relevanz.

Kurdisch als Wahlfach hat nicht die Bedeutung, dass die kurdische Identität anerkannt wird und die Assimilation beendet wird. Wenn überhaupt kann es als Mittel zur Verdeckung des kulturellen Genozids bewertet werden. Mit der neuen Version der seit Jahren getätigten Wiederholungen kann die kurdische Frage nicht gelöst werden. Diese Haltung bedeutet nichts anderes als, dass die Kurden als Objekt und nicht als Subjekt gesehen wird. Es könnte sein, dass die Türkei anhand dieser neuen Form der Verleugnung und Hegemonie mit einigen externen Kräften und einigen Kurden eine Übereinkunft bezüglich der Waffenniederlegung getroffen hat. Jedoch handelt sich um deren eigene Träume. Denn es ist weder möglich, dass die kurdische Freiheitsbewegung sich von solch einer Politik täuschen lässt, noch dass sie zu solchen Resignationstheorien ja sagt.

Bei einer richtigen Analyse fällt auf, dass Aussagen dieser Art in den Tagen, in denen die Vernichtungswellen stärkere Formen annehmen, auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die BürgermeisterInnen werden inhaftiert, die demokratischen PolitikerInnen nicht frei gelassen, die Gefängnisse sind mit Jugendlichen überfüllt, die Bevölkerung wird terrorisiert. Genau in dieser Phase wird der Eindruck zu vermitteln versucht, dass die Regierung etwas für die Lösung der kurdischen Frage machen möchte. Die kurdische Frage kann nicht durch die Sprachkurse, die als Wahlfach einen offiziellen Charakter erhalten sollen und als Mittel der Verdeckung der Assimilation dienen, gelöst werden. Damit soll der AKP-Faschismus verdeckt werden. Es soll verhindert werden, dass die Verhaftungen der BürgermeisterInnen und anderer kurdischer PolitikerInnen auf die Tagesordnung gelangen. Die Inhaftierungen von kurdischen Studierenden und die Angriffe auf sie allerorts werden zu gewöhnlichen Nachrichten geformt, diese Angriffe sollen zur Normalität gehören.

Während das kurdische Volk diesem Terror ausgesetzt wird, ist das Sprechen von einer Lösung, geschweige denn sich diesen Diskussionen zuzuwenden, nichts anderes als sich selbst zu belügen und zum Instrument der Vernichtungspolitik der AKP zu werden. Die Haltung der CHP zur Nicht-Lösungspolitik der AKP zeigt ebenso eine Politik der Nicht-Lösung. Ganz im Gegenteil dient sie der Hinhalte-Politik der AKP.

Aus diesem Grund kann nicht von eine Lösung oder einer Entspannung gesprochen werden. In dieser Atmosphäre kann nur davon gesprochen werden, den Widerstand gegen die Politik der AKP überall zu erhöhen. Jedem von der AKP geführten Angriff soll mit einer Erhöhung des Widerstandes geantwortet werden. Jeglicher anderer Gedanke ist, um es vorsichtig auszudrücken, nichts anderes als Fahrlässigkeit.

Quelle: Yeni Özgür Politika, 11.06.2012, ISKU

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