Lösungsvorschläge für die kurdische Frage in der Türkei

konferansAbschlussresolution der Konferenz für Demokratie und Frieden, 27.05.2013

Die Abschlussresolution der Konferenz für Demokratie und Frieden, die vom 25. bis 26. Mai in Ankara stattgefunden hat, ist nun veröffentlicht worden. Der Zweck der Versammlung der Konferenz für Demokratie und Frieden war eine Analyse über die notwendigen Schritte während des Verhandlungsprozesses zur Lösung der Kurdenfrage. Dazu kamen unterschiedliche Gruppierungen zusammenkamen die in der Abschlussresolution unterstrichen haben, dass „zur erfolgreichen Fortführung und Entwicklung der Verhandlungen die Voraussetzungen für die Gesundheit, Sicherheit und Freiheit von Herrn Abdullah Öcalan, der sich in dieser Phase nur sehr eingeschränkt bewegen kann, sichergestellt werden müssen sowie Kommunikationsmöglichkeiten unterschiedlicher Gruppierungen ermöglicht werden müssen“.

Neben der Proklamation der Konferenz, dass die Verhandlungen ununterbrochen weitergeführt werden müssen und man dazu Entschlossenheit und Anstrengungen aufwenden werde, wurde folgende Resolution verkündet:

„Wir Alewiten, Armenier, Aramäer, Kurden, Türken, Sunniten, Araber, Roma, mit anderen Worten, die unterschiedlichen Völker und Glaubensgruppen, Atheisten, Intelektuelle, Akademiker, junge Menschen, Frauen, LGBTler, Werktätige, Gewerkschafter, politische Parteien und Gruppen haben uns, zur Hinführung der begonnenen Verhandlungen in die richtige Richtung, zum Aufbau eines bleibenden Friedens, zur Schaffung einer demokratischen, alle Rechte und Freiheiten umfassenden, gleichberechtigten und gemeinsamen Zukunft, dazu entschlossen, gemeinsam zu agieren, eine Lösungsinitiative zu entwickeln und eine kollektive Friedensbewegung zu errichten.

Wir, die auf dieser Konferenz zusammengekommen sind, sind uns bewusst, dass sich die Türkei heute beim Lösungs- und Friedensprozess in einer wichtigen Phase befindet. Wir glauben daran, dass es notwendig ist, diesen Prozess der Gespräche zur Lösung der Kurdenfrage zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Wir erklären, dass unsere Konferenz zur ununterbrochenen Weiterführung des Verhandlungsprozesses eine entschiedene Haltung und Aktivität einnimmt.

Wir betonen, dass es zur Erlangung eines bleibenden Friedens unabdingbar ist, eine pluralistische, gleichberechtigte und freiheitliche Demokratie, die alle Institutionen umfasst, zu aktivieren. Erneut stellen wir fest, dass Demokratie und Frieden in Relation zueinander stehen und Schritte hin zur Demokratie auch den Friedensprozess vorwärts bringen werden.

Wir beobachten, dass einige aktuelle Ansätze sich als Probleme darstellen, den Friedens- und Demokratisierungsprozess in gegenseitigem Vertrauen fortzuführen. Wir betonen, dass die AKP-Regierung mit ihrem hegemonialen und autoritären Politikverständnis dem Verlauf eines erfolgreichen Lösungsprozesses keine Probleme bereiten darf. Wir laden die Regierung dazu ein, Schritte dahingehend zu tun, Problembereiche nicht einzuengen, damit die Schaffung von Vertrauen nicht nur einer Seite auferlegt wird, das gegenseitige Vertrauen und so der Lösungs- und Friedensprozess gestärkt wird.

Wir heben die Notwendigkeit hervor, dass zur erfolgreichen Fortführung und Entwicklung der Verhandlungen die Voraussetzungen für die Gesundheit, Sicherheit und Freiheit von Herrn Abdullah Öcalan sichergestellt werden müssen und Kontaktmöglichkeiten zwischen ihm und Delegationen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen geschaffen werden sollten. Momentan sind seine Möglichkeiten sehr stark eingeschränkt. Wir betonen die Wichtigkeit einer friedensschaffenden und nicht hasserfüllten Sprache, gegenseitigem Verständnis, was überlebenswichtig für einen positiven Verlauf dieses Prozess ist.

Zur Vergesellschaftung eines friedvollen Umfelds und der Verhandlungen erinnern wir an die Wichtigkeit der Aufhebung von Behinderungen gegenüber der demokratischen Bewegung. Die Meinungs-, Organisierungs- und Versammlungsfreiheit darf nicht eingeschränkt werden.

Wir fordern ohne Verzug gesetzliche Regelungen zur Freilassung der politischen Gefangenen, insbesondere der erkrankten und der minderjährigen Gefangenen.

Wir heben auch erneut hervor, dass das Recht auf Sprache, Kultur, Glaube und Identität der Völker universell ist und nicht verhandelbar sein kann. Dieses Recht ist eine Notwendigkeit für eine gleichberechtigte Staatsbürgerschaft. Wir glauben zudem daran, dass in jeder Phase des Lösungs- und Demokratisierungsprozesses Schritte zur Gewährleistung des Rechts zur Gleichstellung zwischen den Geschlechtern und der sexuellen Neigung und die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann sichergestellt werden müssen, um so einen dauerhaft und wirklichen Frieden zu erreichen.

Wir, die Teilnehmer dieser Konferenz, haben uns selbst damit beauftragt, den Prozess der Verhandlungen und des Friedens zu beobachten.

Wir betonen die Notwendigkeit, nie wieder zur [bisherigen] Sicherheitspolitik zurückzukehren, den Prozess nicht zum Abbruch zu bringen sondern auszuweiten und erklären daher unsere Entschiedenheit darin, alle erdenkliche Bemühungen dafür aufzuwenden. Einstimmig betonen wir, dass zur Schaffung eines wirklichen Friedens die Notwendigkeit zur Konfrontation mit allen Massakern, Opfern unbekannter Täter, Verschwundenen, Völkermorden, von der Vergangenheit bis heute besteht und dass wir alles erdenkliche tun, um alle Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ohne ein Recht auf Verjährung, aufzudecken und Gerechtigkeit zu schaffen.

Wir appellieren an alle politischen Parteien im Parlament, da wir der Einschätzung sind, dass eine Lösung allein durch einseitige Opferbereitschaft nicht erreichbar ist. Unsere Forderung an Regierung und Opposition besteht darin, Schritte zu gesetzlichen Reformen und zur Demokratisierung zu beschleunigen, die Erarbeitung einer neuen Verfassung vor den Wahlen zu beenden, ein dem Lösungsprozess entsprechendes Arbeitstempo einzulegen und Verhalten und die Sprache innerhalb des Parlaments anzupassen.

Wir weisen darauf hin, dass das Ziel des gemeinsamen Kampfes der Konferenzteilnehmer nicht nur die Realisierung des Friedens in der Türkei, sondern auch dem im Mittleren Osten und Syrien ist und unterstreichen, dass das Massaker von Reyhanli aufzeigt, wie dringend notwendig der Frieden ist.

Als Teilnehmer der Konferenz geben wir kund, dass wir in der Lösung der Kurdenfrage, dem Frieden und der Demokratisierung gemeinsame Forderungen und Ansätze verfolgen und zur Umsetzung dessen, den Kampf gemeinsam führen werden.

Wir appellieren als Teilnehmer dieser Konferenz an alle Personen und Institutionen, die für den Frieden, die Demokratie und die Rechte der Werktätigkeiten sind, den Kampf für Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und Demokratie in der Türkei gemeinsam zu führen und am Lösungs- und Friedensprozess teilzunehmen.

Wir sind offen für unterschiedliche Stimmen, Meinungen, Arten und weisen darauf hin, dass sich alle in Bewegung setzen müssen. Auf dieser Konferenz, die sehr unterschiedliche Gruppen der Gesellschaft zusammengebracht hat, hat sich ein Wille zur Lösung, zum Frieden und zur Demokratisierung herausgebildet. Wir sind entschieden darin, unsere weiteren Aktivitäten als ‚Wahrheits-, Konfrontations- und Gerechtigkeitskommission‘, als ‚Rechts-, Bereinigungs- und Neuverfassungskommission‘, als ‚Kollektive Verhandlungs- und Demokratische Politikkommission‘ und deren Koordination weiterzuführen.

Voller Bewegungsdrang rufen wir, die Teilnehmer dieser Konferenz, aus, dass wir gemeinsam und mit starken Willen für die Erweiterung und Entwicklung der Kollektivierung des Friedens und der Verhandlungen und der Gleichberechtigung, Freiheit, die Rechte der Werktätigen, die ökologische Gerechtigkeit in die Demokratie führen wollen.

Aus diesem Grund betrachten wir als vorrangige Aufgaben die Organisierung einer Friedensbewegung von unten, um einen dauerhaften Frieden zu schaffen. Unabhängig von den Belastungen und der erwünschten Politik der AKP ist es unsere Aufgabe, die Friedensbewegung zu stärken, den Verhandlungsprozess aus nächster Nähe zu beobachten und an der Seite des kurdischen Volkes zu stehen.

Das Vorlegen von Informationen und Berichten der ’Kommission der Weisen‘ nur an die Regierung ist unvereinbar mit dem Verhandlungsprozess. Unsere Konferenz sieht es als notwendig an, die Ergebnisse mit allen Parteien und mit der Bevölkerung zu teilen und weist darauf hin, dass der Verhandlungsprozess transparent geführt werden muss.

Unsere Konferenz betrachtet den Widerstand gegen Interventionen, Okkupationen, gegen Massakern wie in Reyhanli und gegen Krieg als menschliche Haltung und sieht einen, isoliert von der Region und dem Mittleren Osten geführten Verhandlungs- und Friedensprozess als unmöglich an.

Der Frieden wird in dieser Hinsicht nur durch den Widerstand unter Einbindung der unterdrückten Völker gewonnen werden. Die Ansicht, dass auf der einen Seite des Tisches der Staat und auf der anderen nur die Kurden sitzen, ist nicht richtig. Die gemeinsame Feststellung unserer Konferenz ist, dass die Verhandlungen nicht nur zwischen Staat und Kurden, sondern zwischen Staat und allen Unterdrückten notwendig ist und dadurch eine gemeinsame Position der Unterdrückten erreicht werden muss. Dieser Phase liegt die Vergesellschaftung der Verhandlungen zugrunde. Die gesellschaftlichen Stützpfeiler der Friedensbewegung müssen erweitert werden. Die Wünsche der Völker jeder Nation, jeder Sprache, jedes Glaubens und jeder Kultur der Türkei und ein Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen in der Kurdenfrage müssen garantiert werden und mit einem demokratischen und dauerhaften Frieden vollendet werden.

Ausgehend von diesen Erkenntnissen haben wir aus der Versammlung als erste Stufe zur Koordinierung unserer Aktivitäten, zur noch aktiveren Teilnahme am Friedensprozess und zur Weiterführung und Entwicklung weiterer Aufgaben und Schritte, intern eine Kommission bestimmt.

Diese Kommission beobachtet nach Wünschen der Beteiligten den Prozess und wird, falls dieser ins Stocken gerät, mit allen Seiten Gespräche führen, um Probleme zu überwinden. Gleichzeitig wird sie mit dem Ziel einer Vergesellschaftung des Friedens regionale Konferenzen oder ähnliches an Aktivitäten organisieren.“

Quelle: ANF, ANKARA, 27.05.2013, ISKU

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