Nach dem Beginn des Lösungsprozesses in der Türkei haben sich die Beziehungen mit der syrischen Opposition intensiviert

salih_muslimmSalih Müslim im Interview mit Ezgi Basaran

Der Kovorsitzende der Partei der Demokratischen Einheit PYD und politische Vertreter der KurdInnen in Syrien, Salih Müslim, ist nicht nur ein wichtiger Mensch für die KurdInnen in seinem Land, sondern im gesamten Mittleren Osten. Denn die Ausrufung der Demokratischen Autonomie in Westkurdistan (Syrien) hat nicht nur die Beziehungen zu den Nachbarländern, sondern auch die mit der syrischen Opposition verändert. Im folgenden Interview geht Müslim auf den Demokratischen Konföderalismus, den aktuellen Friedensprozess in der Türkei und den Beziehungen zur syrischen Opposition ein.

Wie wurde die Newroz-Botschaft Öcalans von den Kurden in Westkurdistan angenommen?

Die Worte der Botschaft haben wir nicht zum ersten Mal gehört. Weil wir Öcalan verfolgen, haben uns die Worte „Der bewaffnete Widerstand endet“ nicht überraschst. Wir haben sehr gut verstanden, was er sagen wollte.

Was wollte er vermitteln?

Das die bewaffnete Phase beendet ist, das wir uns in einer Phase befinden bzw. hineinbegeben in der sich die Bedingungen für den bewaffneten Kampf aufheben werden. Dies wird auch eine große Bedeutung für die KurdInnen Syriens haben. Seit der Gründung des türkrischen Staates wurde positives zugunsten der KurdInnen behindert. Der türkische Staat hatte immer eine Rolle in der Teilung Kurdistans 1929, der Hinrichtung Qazi Mohammed (Regierungschef der kurdischen Republik Mahabad) und der Beendigung der Revolution Barzanis 1975. Heute hat er auch seinen Einfluss darin, dass wir uns mit den Regimegegnern nicht verstehen.

Wie meinen sie das?

Schauen sie, wir KurdInnen sind diejenigen, die am meisten der Demokratie bedürfen. Wir sagten der Opposition „Lasst uns gemeinsam agieren“. Diese, also der Syrische Nationalrat und die Koalition der Syrischen Opposition sagten „Nein“. Sie akzeptieren nicht die verfassungsmäßige Garantie unsere Existenz (als KurdInnen); die demokratischen Rechte, die sie für sich selbst fordern, sehen sie nicht für uns vor. Das haben sie auch zwei Jahre zuvor auf der Konferenz der Opposition in Ägypten zum Ausdruck gebracht. Damals verließen wir den Raum und ich kann sagen, wir stehen immer noch auf derselben Stelle. An dieser Haltung der syrischen Opposition spielt auch die Türkei ihre Rolle. Sie geben alle mögliche Unterstützung: finanzielle, moralische und militärische. Damit diktiert sie diese Haltung.

Hat der neue Friedensprozess in der Türkei dieses Gleichgewicht zugunsten der KurdInnen in Syrien begünstigt?

Wir hoffen es. Die Türkei setzte die syrische Opposition unter Druck, damit diese wiederum die KurdInnen unter Druck setzten; dies wird nun aufhören. Die syrische Opposition wird sagen: „Du sagst, kooperiert nicht mit den KurdInnen, aber triffst dich in deinem eigenen Land mit den kurdischen Anführern; du verträgst dich mit deinen KurdInnen. Wenn das so ist, lass uns doch auch mit ihnen verständigen.“

Werden sie das sagen?

Sicherlich werden sie das sagen. Denn die Koalition hat begonnen uns aufzusuchen. Noch heute Morgen (13. April) habe ich solch einen Anruf erhalten. Der Gedanke „Eine Koalition ohne die KurdInnen ist unvollständig“ breitet sich in der syrischen Opposition aus. Seitdem der Lösungsprozess mit Imrali begonnen hat, haben sich die Beziehungen zur syrischen Opposition verstärkt. Noch indirekt über einen Vermittler, doch sie sind intensiviert worden.

Der (türkische) Ministerpräsident sagte letzte Woche, das sich ein Teil der syrischstämmigen PKKler innerhalb der Türkei sich zurückgezogen haben sollen. Es ist unbekannt wohin. Können Sie sagen, wo sie sich befinden?

Auf unsere Seite (gemeint ist Syrien) ist niemand gekommen. Das sind alle unsere Kinder, glaubt uns, wenn sie gekommen wären, wüssten wir es. Die KCK hat sowieso erklärt, dass es noch keinen Rückzug aus der Türkei gibt. Wir brauchen außerdem als PYD nicht so eine Hilfe.

Hatte die PYD mit Assad einen Deal damit sie sich nicht einmischt’?

Nein. Das ist Anti-Propaganda. Waren die Beziehungen der Türkei mit Assad ab 2000 nicht gut? Wir waren schon zu dieser Zeit gegen Assad, und das sind wir auch heute. Und während die Beziehungen der Türkei mit Assad gut waren, wurde Assad zu unserem Henker. Zum Beispiel haben sie den Vertag von Adana unterzeichnet. Danach hat Assad 200 PKKler an die Türkei ausgeliefert. Wir waren der Folter ausgesetzt. Ich kann die Namen und Biografien der in dieser Zeit getöteten KurdInnen auflisten. Deswegen kann nicht die Rede davon sein, dass wir an der Seite Assads unseren Platz haben. Wir haben zudem nicht die von der Türkei gewollte Rolle gespielt.

Gegen die Freie Syrische Armee zu kämpfen?

Ja, wir haben das nicht gewollt, weil wir Erinnerungen an die Osmanische Zeit haben. Wir haben uns diesmal dafür entschieden, nicht als muslimische Brüder zusammenzustehen sondern unser eigenes Volk und unsere eigenen Rechte zu schützen. Das bringt uns letztendlich dazu gegen Assad zu kämpfen, aber nicht zusammen mit der FSA. Das Regime kannte uns nicht. Auch die Opposition akzeptiert uns nicht. Sie sagten, schließt euch der FSA an und leugnet eure Identität und Ideologie. Und wir haben das nicht akzeptiert. Sie haben daraus gefolgert: Die Kurden kooperieren mit dem Regime. Kann so was sein! Zuletzt haben wir gegen das Regime in Halep 60 Märtyrer gegeben!

Niemand hatte erwartet, dass Assad solange aushält. Haben Sie das erwartet?

Ja, denn wir kennen das Regime sehr gut. Seit den 1960er Jahren hat das Baath-Regime, die Wurzeln des Staates gefestigt. Es wird nicht so leicht wie mit Libyen oder Ägypten werden. Mit der Positionierung der eigenen Männer auf alle wichtige Postionen des Staates hat Assad eine Oligarchie aufbauen können.

Quelle: Radikal, 15.04.2013, ISKU

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