Nichtstaatliche Demokratie als Lösung der kurdischen Frage

Abdullah Öcalan über den Ausbau der Zivilgesellschaft und demokratischer Instrumente zur Lösung des gordischen Knotens in Kurdistan, 22.11.2018

Der Volkskongress (Koma Gel) ist eine Institution, die für die Organisierung mindestens so bedeutsam ist wie die Partei, vielleicht noch bedeutender. Als grundlegendes organisatorisches Dach für die Bevölkerung müssen wir eine für Kurdistan spezifische Definition des Volkskongresses durchführen. Zunächst einmal bedeutet ein Volkskongress etwas anderes als eine Partei. In Parteien überwiegt der ideologische Aspekt, beim Kongress steht die Politik im Vordergrund. Er ist der Ausdruck der Identität des Volkes, welches erwacht ist, seine Rechte fordert und nach seiner Freiheit strebt. Er ist das Entscheidungs- und Kontrollgremium für alle, die Freiheit für das Land und Demokratie für das Volk wollen, unabhängig von Ideologie, Klasse, Geschlecht, Nationalität, Meinung und Glauben. Er ist kein Parlament. In ihm werden keine klassischen Gesetze verabschiedet, sondern er ist die Kraft, die Beschlüsse fasst, damit das Volk in Freiheit und Gleichheit leben kann, und Kontrolle ausübt. Es handelt sich um ein legales und politisches Organ, das höchste Organ des Volkes, welches nicht auf den Staat abzielt. Er ist kein Organ des Staates, auch kein Organ, das eine Alternative zum Staat darstellt. Er ist die wichtigste derjenigen Institutionen, welche demokratische Kriterien zum Maßstab für alle gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit machen. Die Probleme in den Bereichen Ökonomie, Soziales, Politik, Recht, Ökologie, Medien und Selbstverteidigung werden durch den Staat nicht gelöst, sondern noch weiter verschärft.

Der Volkskongress ist für In- und Ausland die höchste Anlaufstelle im Namen des Volkes und hat die Aufgabe, in diesen Bereichen die nötigen Beschlüsse zu fassen und über ihre Umsetzung zu wachen.

Wir müssen uns die historischen und politischen Umstände vor Augen führen, die in Kurdistan den Volkskongress hervorgebracht haben. Die Schwäche des bürgerlichen Nationalismus und seine undemokratische Struktur machen für das Volk ein Leitungsgremium in der Art eines Kongresses erforderlich. Gleiches gilt für die Existenz der repressiven Nationalstaaten, die nicht für Demokratie offen sind. Es gibt keinen Staat des Volkes. Jedoch muss es einen Kongress als demokratisches Organ der Beschlussfassung des Volkes geben. Oder, um es noch deutlicher auszudrücken, da der Nationalstaat für die nationale Frage in Kurdistan kein Instrument einer Lösung im Sinne des Volkes sein kann, bleibt als das am besten geeignete Instrument ein Kongresssystem. Da das Volk offenbar das frühere Leben in Sklaverei unter keinen Umständen noch länger akzeptiert und das Streben nach einem Nationalstaat offenbar die Gefahr mit sich bringt, noch tiefer in die Sackgasse zu geraten, ist der Volkskongress das am besten geeignete Instrument für eine demokratische Lösung.

Die grundsätzliche Frage, die sich stellt, ist: Können Nationalstaat und Volksdemokratie koexistieren? In vielen europäischen Ländern und in den USA finden wir Beispiele dafür, dass eine föderale Struktur möglich ist. Zwar engt der bürgerlich-nationalistische Staat die Grenzen der Demokratie extrem ein, jedoch bleibt für das Volk immer noch ein bedeutender demokratischer Raum. Die Türkei und die anderen Staaten, die über Kurdistan herrschen, lassen wegen ihrer extrem unitären Struktur dem demokratischen Willen des Volkes kaum eine legale Chance. Die Ausgrenzung ist leitendes Prinzip der Innenpolitik. Dies bringt stets Aufstände und deren Niederschlagung mit sich. Um den entstehenden gordischen Knoten zu lösen, muss die Autorität des Volkskongresses, seine Entscheidungsbefugnis ausgeweitet werden. Solange die herrschenden Staaten sich nicht auf demokratische Kompromisse einlassen, muss das Volk zwangsläufig stets außerstaatliche demokratische Institutionen fördern. Dabei ist es weder erforderlich, durch Nationalismus die Schaffung eines konkurrierenden Staates anzustreben, noch sich dem Status quo zu beugen. Im Gegenteil ist es notwendig, die Zivilgesellschaft und demokratische Instrumente auszubauen, um ein gegenseitiges nationalistisches Abschlachten zu verhindern. Wenn es den bestehenden oder noch zu gründenden Staaten überlassen wird, die immer größer werdenden Probleme der Gesellschaft zu lösen, so werden sie immer weiter anwachsen. Es wurden 22 arabische Staaten gegründet, die Probleme wurden jedoch immer schlimmer. Afrika bekam fast fünfzig Staaten, seine Probleme wiegen schwerer als zuvor. Die Probleme, welche die europäischen Nationalstaaten geschaffen haben, kommen erst langsam durch die EU einer Lösung näher. Die 50 Bundesstaaten der USA sind ein Ausdruck der Einheit des Staates. Eine Vielzahl von Staaten ist also einer Lösung der Probleme eher hinderlich. Es wird nicht so einfach sein, neue Staaten zu gründen, und selbst wenn sie gegründet werden, können sie die Probleme nicht lösen. Auch die alten Staaten haben ihre Fähigkeit zur Problemlösung verloren. Also ist das primäre Instrument für eine Lösung der Volkskongress als nichtstaatliche Demokratie.

Die entwickelten Staaten haben ein derartiges Modell nach langen kriegerischen Erfahrungen entworfen. Die anderen Länder sind noch weit davon entfernt, diese Art einer Lösung überhaupt zu begreifen. Sie halten dies stets für eine Konzession des unitären Staates. Für sie bedeutet Patriotismus und heilige Treue zu ihren Staaten, ums Verrecken am unitären Staat festzuhalten. Dieses Verständnis hat in Jugoslawien, im Irak und sogar auf der kleinen Insel Zypern schließlich zu Resultaten geführt, mit denen sie am wenigsten gerechnet hatten. Die Republik Türkei ist noch weit davon entfernt, die Funktionsweise von Demokratien zu begreifen. Sie sieht sie ständig als Konkurrenten.

Obwohl die Kurden ein echtes Gründungselement der Republik sind, glaubt man, sich aus der Problematik durch Verleugnung herauswinden zu können. Man weigert sich, die strategische Rolle, die die Kurden in der Vergangenheit gespielt haben und auch heute spielen, zu verstehen und anzuerkennen.

Man beharrt darauf, den gleichen Weg zu gehen wie Jugoslawien und der Irak. In dieser Hinsicht vertraut man auf militärische Stärke und die Größe des Landes. Dabei kann man die Rolle der Kurden besser ermessen, wenn man vergleicht, welch ein großes Problem das kleine Nordirland für Großbritannien und Tschetschenien für Russland darstellen. Wenn man sich vor Augen führt, dass militärische Lösungen niemals dauerhaft, aber sehr teuer sein können, wird man verstehen, wie wichtig es ist, eine Lösung zu finden. In Zypern hat man eine Lösung vierzig Jahre lang verhindert – und was damit gewonnen? Unermesslich sind dagegen die Verluste.

Wenn man sich auf eine Kongresslösung zu bewegt, sollte man dem Staat Türkei und seiner Gesellschaft die strategische Rolle Kurdistans und der Kurden klar und deutlich vor Augen führen. Ein Status von Kurdistan, der ständig gegen die Türkei verwendet werden kann, bedeutet ständige Probleme, wirtschaftliche Verluste, politische und militärische Bedrohung. Mittlerweile steht fest, dass der stammes-nationalistische kurdische Bundesstaat in Südkurdistan, nachdem er erst einmal etabliert ist, seinen Einfluss weiter ausdehnen wird. Somit ist Kurdistan innerhalb kurzer Zeit in einen Zustand geraten, der für die Türkei Schwierigkeiten mit sich bringen wird. Wenn jetzt nicht demokratische Lösungswege beschritten werden, sind nationalistische Bewegungen unvermeidlich. So würde ein zweiter Israel-Palästina-Konflikt geschaffen, der 50 Jahre währen kann. Die Gefahr, die sich im Irak seit langem herausgebildet hat und die auch in der Türkei keineswegs auf die leichte Schulter zu nehmen ist, wie die Erfahrungen mit der PKK gezeigt haben, würde diesmal gut vorbereitet und mit einer umfassenden Planung losbrechen. Der Staat vertraut vielleicht seiner traditionellen Niederschlagungspolitik. Aber er weiß nicht genau, was das Greater Middle East Project noch hervorbringen wird. Alles ist dabei möglich. Die strategische Rolle der Kurden gegen die Türkei zu wenden, würde weitreichende Auswirkungen haben. In der Türkei werden verschiedene Diskussionen wiederaufflammen, neue Forderungen auf die Tagesordnung kommen.

Wenn man sich klar macht, dass die Taktiken der Niederschlagung und des Einschläferns nicht funktioniert haben und auch nicht funktionieren werden, so liegt auf der Hand, dass ein erneutes Aufflammen des Konfliktes sowohl kurz- als auch langfristig höchst gefährlich wäre.

Man darf nicht vergessen dass die Kurden in Zukunft ihre strategische Rolle mit jedem Staat und jeder Macht, zuallererst den USA und Israel, gemeinsam einsetzen können. Sich darauf auszuruhen, dass man die ganze Welt dazu bringt, die PKK als terroristisch anzusehen, ist nichts als ein Selbstbetrug. Im Gegenteil weckt das die Welt auf und gibt ihr die Möglichkeit, Forderungen an die Türkei zu stellen. Dabei hat die Türkei dafür nicht eben wenige wirtschaftliche und politische Zugeständnisse gemacht. Es ist offensichtlich, dass dieser Weg der falsche ist. Katastrophal hat sich ebenfalls ausgewirkt, dass man den kurdischen Stammeskräften in Südkurdistan einen Bundesstaat schenkte, damit sie gegen die Freiheitsbewegung unter der Führung der PKK tätig wurden. Und dabei wird es nicht bleiben. Im Norden hat man nicht nur beinahe 100.000 bezahlte Dorfschützer beschäftigt, um zu verhindern, dass sich die Kurden der PKK zuwenden. Man hat auch reaktionären und primitivnationalistischen tariqa-Chefs im Staat breiten Raum gegeben. Diese Kräfte sind es, die einen zweiten Irak schaffen werden. Ganz zu schweigen davon, dass dies den Prinzipien der Republik und der Demokratie widerspricht. Was soll ein Kurdistan, das wirtschaftlich am Boden liegt, als Reaktion auf all dies tun, wenn nicht explodieren?

Während der Zeit auf Imrali habe ich mich bemüht, auf die Überwindung dieses sinnlosen Beharrens hinzuarbeiten. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit dies verstanden wurde. Die neue AKP-Regierung schweigt beharrlicher zu der Problematik als jede Regierung vor ihr. Sie glaubt, die kurdische Frage dadurch eindämmen zu können, dass sie in großer Zahl ihre Nakschibendis an staatlichen Stellen positioniert. Bei den Wahlen hat sie versucht, durch staatliche Unterstützung für diese Kreise ihre Wahl zu sichern. Es handelt sich dabei um einen strategischen Fehler, für dessen Folgen, die sich bald zeigen werden, die Verantwortlichen Rechenschaft ablegen müssen.

Unserem Streben nach einer demokratischen Lösung gemeinsam mit der Türkei stehen große Hindernisse im Weg, die offenbar vom Staat herrühren. Die „Union der Demokratischen Kräfte“ ((Wahlbündnis der kurdischen und linken Parteien für die Parlamentswahl 2002)) wurde von innen und von außen behindert. Kurdische Demokraten herauszudrängen wurde als Maßgabe der nationalen Sicherheit betrachtet. Dieses Beharren auf dem Status quo und das Unterlassen der Suche nach einer Lösung sind große Fehler. Man glaubt, das kurdische Volk werde nicht seinen eigenen Weg gehen. Man rechnet ständig mit seiner vollständigen Kapitulation vor Hunger und Repression. Die Sozialpolitik wird im Verbund mit Diplomatie, Politik, der inneren Sicherheit und der Wirtschaft immer noch in dieser Weise eingesetzt. All dem liegt eine einzige Strategie zugrunde: Das Volk vor das Dilemma „Kapitulation oder Tod“ zu stellen. Die AKP-Regierung hat dieser Politik noch eine religiöse Komponente und den Einfluss der tariqat hinzugefügt. Dies ist mittlerweile geradezu provokant geworden und zeigt gleichzeitig, dass ein Ausweg aus der Sackgasse nicht gewollt wird. Alle Aufrufe zu einer „friedlichen und demokratischen Lösung“ blieben ohne Antwort. Eine Haltung, die man von keiner anderen vergleichbaren Bewegung erwarten könnte und die allen Nutzen brächte, wurde vollständig ignoriert. Dabei wurde sich selbst um ein vergleichsweise winziges Problem wie die Zypern-Frage mit einer enormen Reisediplomatie gekümmert. Nicht so die kurdische Frage, ihre Existenz wurde weiter beharrlich verleugnet. Man hoffte auf eine Spaltung der PKK und auf die Einheiten der USA im Irak. Wenn sich keine gemeinsame demokratische Lösung entwickeln lässt, dann ist die positivste Lösung der Aufbau der eigenen Demokratie aus eigener Kraft. Dann wird eine Kongress-Lösung auf die Tagesordnung kommen.

Das Volk von Kurdistan muss in allen Teilen des Landes und im Ausland für eine Kongresslösung mobil machen. Im hier definierten Rahmen findet wegen der jüngst aufgetretenen Gruppe eine außerordentliche Vollversammlung des Kongra-Gel statt.

Auf der Versammlung werden die jüngsten inneren und äußeren Entwicklungen umfassend bewertet werden. Es wird Beschlüsse zu Wirtschaft, Sozialem, Politik, Juristischem, Ökologie, Medien und zur Selbstverteidigung geben. Es wird ein Exekutivrat gebildet werden. Wer von einer Spaltung und einem Zerfall träumt, wird vergeblich warten.

Man wird nun in allen Teilen Kurdistans mit voller Kraft an einer Kongresslösung arbeiten. Da die nationalen Parlamente durch Sperrklauseln und ähnliches versperrt sind und politische Parteien verboten werden, wird man stattdessen die demokratischen Lokalverwaltungen mobilisieren. In jedem Dorf und in jedem Viertel wird man Einheiten zur Selbstverwaltung wählen und ihnen Verantwortung übertragen. Durch demokratische Lösungen wird in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens eine Aufklärung erreicht werden. Langfristige Lösungswege werden aufgezeigt werden. Wo die geeigneten Bedingungen dafür bestehen, wird die Beschlussfassung des Kongresses umgesetzt. Das Volk wird nichts mehr vom Staat erbetteln müssen. Das Spiel, das Volk an der Hungergrenze zu halten und so zu kontrollieren wird nicht mehr zugelassen werden. Wo es Angriffe auf die Menschenrechte und kulturelle Freiheiten gibt, wird es sich selbst verteidigen. Man wird verhindern, dass weiter Dörfer geräumt werden, die alten werden wieder bezogen werden. Durch alle Arten von Solidarität wird gegen den Hunger vorgegangen werden. In jeder Hinsicht werden sich neue Organisierungen entwickeln. Man wird auf breitester Front die Zivilgesellschaft organisieren. Schulen demokratischer Bildung werden überall, wo sich Menschen niedergelassen haben, das Volk hinsichtlich seiner eigenen Demokratie bilden.

Der Kongress als Lösung wird zu einer demokratischen Lösung mit jedem Staat bereit sein. Beharrlich wird er anstelle der nationalistischen Unterdrückung und Verleugnung auf demokratische Optionen drängen, die auf Frieden und Geschwisterlichkeit beruhen und frei von Sezessionismus und Gewalt sind.

Außerdem wird er zeigen, dass er in der Lage ist, sich gegen jeden Angriff zu verteidigen. All dies bedeutet nicht Sezessionismus, sondern die Garantie für eine wirkliche Einheit. Man wird beständig wiederholen, dass dies der verantwortungsbewussteste Weg ist, um neue Tragödien zu verhindern. Wenn die Staaten versuchen sollten, derartige Bestrebungen zu unterdrücken, so wird man darauf reagieren, indem man noch stärker wird. Das Volk, welches unter kaum erträglichen Bedingungen lebt, wird organisierter und bewusster als je zuvor zu demokratischen Aktionen greifen. Sie werden nicht auf nationalistische Verführungen und Verschwörungen hereinfallen, aber im sozialen, politischen, juristischen und künstlerischen Bereich genauso aktiv werden, wie in den Medien und bei der Selbstverteidigung. Wenn wir hier die Grundzüge dieser neuen Phase, die wir „Kongresslösung“ nennen, definieren, sehen wir es gleichzeitig als eine historische Pflicht an, dazu aufzurufen, sich noch stärker auf eine Lösung einzulassen und bei einer Lösung mitzuhelfen, bevor es zu neuen Tragödien kommt.


Ausschnitt aus Abdullah Öcalan: Jenseits von Staat, Macht und Gewalt, 1. Auflage (2010), S. 482-495

Abdullah Öcalan, geboren 1949, studierte politische Wissenschaften in Ankara. Er initiierte 1978 die Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und führte als ihr Vorsitzender bis zu seiner Verschleppung im Februar 1999 den kurdischen Befreiungskampf aktiv an. Seit seiner völkerrechtswidrigen Entführung aus Kenia am 15. Februar 1999 befindet er sich in einem Gefängnis auf der türkischen Insel İmralı im Marmarameer, mehr als zehn Jahre davon als einziger Gefangener. Am 29. Juni 1999 wurde er vom türkischen Staatssicherheitsgerichtshof zum Tode verurteilt. Inzwischen wurde die Todesstrafe in der Türkei abgeschafft und das Urteil gegen Abdullah Öcalan in eine verschärfte lebenslängliche Freiheitsstrafe umgewandelt. Trotz der unmenschlichen Isolationshaft setzt er sich auch aus der Haft heraus im Rahmen seiner Möglichkeiten weiter für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage ein. Er gilt weiterhin als führender Stratege und einer der wichtigsten politischen Repräsentanten des kurdischen Volkes.

In Isolationshaft auf der Insel İmralı verfasste Öcalan mehr als zehn Bücher, welche die kurdische Politik revolutionierten. Mehrfach initiierte er einseitige Waffenstillstände der Guerilla und lieferte konstruktive Vorschläge für eine politische Lösung der kurdischen Frage. Seine Konzepte wie der »demokratische Konföderalismus« sind eine wesentliche Inspiration für das revolutionär-demokratische Projekt in Nordsyrien. Ein »Friedensprozess« begann 2009, als der türkische Staat auf Öcalans Aufrufe, die kurdische Frage politisch zu lösen, reagierte. Die Regierung brach den Dialog mit Öcalan und der PKK Mitte 2015 ab und setzt seither wieder auf eine militärische Vernichtungspolitik. Seit dem 27. Juli 2011 wird Öcalan und seinen Mitgefangenen der Zugang zu Anwältinnen und Anwälten verwehrt. Seit April 2015 ist die Gefängnisinsel İmralı vollständig von der Außenwelt isoliert. Keinerlei Besuch ist möglich, es gibt keine Kommunikation mit den Gefangenen. Die weltweite Kampagne für seine Freiheit hat bereits mehr als zehn Millionen Unterschriften gesammelt.