Pressemitteilung: 51.Tag des Hungerstreiks – AKP-Regierung widerspricht sich selbst

von Civaka-Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. / 01.11.2012

Heute ist der 51. Tag des Hungerstreiks der politischen Gefangenen in den Gefängnissen der Türkei und Kurdistans. Im Rahmen seines Deutschlandbesuchs kam der türkische Ministerpräsident Erdogan gestern in Berlin auf den Hungerstreik zu sprechen. Nach dem eineinhalb-stündigen Treffen zwischen Herrn Erdogan und Frau Merkel behauptete der türkische Ministerpräsident auf die Nachfrage eines Journalisten, dass sich gegenwärtig in der Türkei lediglich eine Person im Todesfasten befinde. „Aktuell gibt es keinen Hungerstreik oder etwas Ähnliches. Das ist nichts weiter als eine Farce. Ohnehin hat mehr als die Hälfte von ihnen erklärt, dass sie vom Hungerstreik ablassen“, erklärte Erdogan.

Während Erdogan in Berlin der Öffentlichkeit diese Informationen zum Hungerstreik gab, erhielt die deutsche Justizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die sich zur gleichen Zeit zu einem Besuch in Ankara befand, von ihrem türkischen Amtskollegen Sadullah Ergin eine andere Auskunft zum Hungerstreik. Ergin erklärte ihr gegenüber, dass sich in 66 verschiedenen Gefängnissen gegenwärtig 683 Gefangene im Hungerstreik befinden würden.

Der Co-Vorsitzende der Partei für Frieden und Demokratie (BDP) Selahattin Demirtas kritisierte unterdessen die Aussage des türkischen Ministerpräsidenten und bezeichnete seine Haltung als unmoralisch. „Er versucht mit diesen Aussagen zu unterbinden, dass die Öffentlichkeit anfängt sich zu fragen, weshalb diese Menschen wohl in den Hungerstreik getreten sind“, so Demirtas. Zudem gab der BDP-Co-Vorsitzende an, dass die Regierung neben dem Bericht des Justizministeriums auch über Berichte von Ärzten und des Geheimdienstes verfüge, welche die Existenz und das Ausmaß des Hungerstreiks bestätigen.

Der Hungerstreik wurde am 12. September in den Gefängnissen der Türkei zunächst von 63 politischen Gefangenen begonnen. Die zentralen Forderungen des Hungerstreiks lauten: Aufhebung der Isolationshaftbedingungen gegen Abdullah Öcalan, die Gewährleistung seiner Gesundheit, Sicherheit und Freiheit, sowie die umfassende Anerkennung der kurdischen Sprache – einschließlich des Rechtes auf Bildung in der kurdischen Muttersprache und die Aufhebung jeglicher Assimilationspolitik gegen KurdInnen. In der darauffolgenden Tagen und Wochen schlossen sich hunderte weitere politische Gefangenen dem Hungerstreik an, sodass ihre Zahl mittlerweile auf über 700 gestiegen ist. In einer schriftlichen Erklärung von gestern bestärkte der Sprecher der Hungerstreikenden Deniz Kaya erneut, dass sie bis zur Erfüllung ihrer Forderungen durch die türkische Regierung an ihrer Aktion festhalten werden, und bereit seien, den Tod in Kauf zu nehmen. Gleichzeitig warnte Kaya die AKP-Regierung, dass bei dem kleinsten Versuch einer gewaltsamen Intervention gegen die Hungerstreikenden sich die Zahl der Teilnehmenden binnen kürzester Zeit auf über 10 000 erhöhen werde. In den vergangenen Tagen hatte unter anderem der Oberstaatsanwalt von Amed (Diyarbakir) damit gedroht, die Hungerstreikenden anzugreifen, sobald diese ihr Bewusstsein verlieren würden.

In den vergangenen Tagen kam es aufgrund des Hungerstreiks in zahlreichen Städten Kurdistans und der Türkei bei Solidaritätsdemonstrationen und -kundgebungen zu schwersten Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und der Polizei. Trotz verhängten Versammlungsverboten versammelten sich in vielen Städten zehntausende Menschen, um die Forderungen der Hungerstreikenden zu teilen und die AKP-Regierung zum Handeln zu bewegen. Die BDP hat nun erneut für den 3. November zu einer Solidaritätskundgebung mit den Hungerstreikenden in die Stadt Amed (Diyarbakir) aufgerufen. Auch in vielen Städten in Deutschland und Europa kam es in den letzten Tagen und Wochen regelmäßig zu Solidaritätshungerstreiks, Demonstrationen und Kundgebungen, um auf die Situation und die Forderungen der Hungerstreikenden aufmerksam zu machen. Diese Aktivitäten zur Durchsetzung der legitimen Forderungen der Gefangenen werden auch hier weiter anhalten.

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