Syrien: Zurück auf Anfang

Der Journalist Nazım Daştan über die Offensive der syrischen Armee im Süden des Landes und mögliche neue Konfliktfelder im Syrien-Krieg, 16.07.2018

Entgegen der Erwartung das sich der seit sieben Jahren währende Konflikt in Syrien mit dem Sieg über den Islamischen Staat (IS) in Rakka dem Ende neigen würde, ist der Krieg mit neuen Militäroffensiven von inneren und äußeren Kräften wieder entflammt. Weiterhin mischen Akteure wie die USA, Russland, Israel, England, Frankreich, die Türkei und der Iran im Syrien-Krieg mit. Infolge einer Übereinkunft zwischen den USA und Russland haben sich die Kräfte des syrischen Regimes von der Grenze zu Jordanien und Israel zurückgezogen. In der südlichen Provinz Daraa und der südwestlichen Provinz Kuneitra, die nun Ziel der Offensiven des syrischen Militärs sind, waren und sind bewaffnete Gruppen wie Heyet Tahrir al-Şam (El Nusra) einflussreich, die die Türkei seit Jahren unterstützt.

Offensive im Süden Syriens

Im Gebiet, in dem man zuvor eine Operation arabischer Einheiten erwartete, die von den USA, Saudi Arabien, Jordanien und Ägypten unterstützt werden sollte, sind in letzter Zeit erstaunliche Entwicklungen von statten gegangen. Mit der Bedingung, dass der Iran all seine Kräfte aus dem Gebiet zurückzieht, ist die Kontrolle über Daraa und Umgebung mit Unterstützung Russlands in die Hände des syrischen Regimes übergegangen. Mit dem Abkommen, in das auch Israel involviert ist, versuchte man sowohl den Einfluss des Iran, als auch der Türkei in der Region zu brechen.

Während man mit dem Rückzug des Iran auf der einen Seite versucht die Grenzen Israels zu sichern, hat man auf der anderen Seite begonnen, die seit Beginn des Kriegs von der Türkei unterstützen Gruppen nach Idlib zu drängen.

Die Türkei wird aus dem Weg geräumt

In diesem Rahmen werden die von der Türkei in Syrien unterstützen Gruppen Stück für Stück unschädlich gemacht. Dies wirkt sich auf die Syrien-Politik der Türkei negativ aus. Die Gruppen die zuvor aus Ghuta, Kalamun und Duma gedrängt wurden, werden nun auch aus der südlichen Front vertrieben. Diese Gruppen gehen entweder nach Idlib oder in die arabische Einheit über, die versucht wird von den USA aufzubauen.

Die nächste Station nach der Offensive im Süden: Idlib

Im Rahmen der Übereinkunft für den Süden des Landes richten sich nach Daraa nun die Augen auf Kuneitra. Nach dem Ende dieser Offensive wird erwartet, dass das nächste Zielgebiet das unter türkischer Kontrolle stehende Gebiet von Cerbalus bis Idlib sein wird. Schon jetzt gibt es Berichte von Truppenverstärkungen der türkischen Armee in die Region und von vereinzelten Gefechten zwischen Türkei-nahen Gruppen und Kräften des syrischen Regimes im Süden von Idlib.

Wenn sich die Krise zwischen diesen beiden Seiten in der Region vertiefen sollte, könnte ein umfassender Krieg ausbrechen. Insbesondere die Region um den Flughafen und Militärstützpunkt Abu Duhur ist Ort der Spannungen. Berichten zufolge sollen die Kräfte des Regimes in dieser Region einige Orte unter Kontrolle gebracht haben.

Auswirkungen auf Afrin

Ein möglicher Krieg in dem Gebiet würde die Abkommen der Astana-Treffen zwischen Russland, Iran und Türkei zunichtemachen, als auch die Situation in Afrin beeinflussen. Eine mögliche Entwicklung in solch einer Eskalation wäre, dass Russland die Erlaubnis für die Nutzung des syrischen Luftraums für die Türkei zurückziehen könnte. Solch eine Entwicklung wäre zu Gunsten der SDF und beinhaltet die Möglichkeit für eine Rückeroberung Afrins. In diesem Szenario hätte die SDF die Chance nicht nur Afrin zu befreien, sondern auch die anderen Städte in der Sheba-Region von den dschihadistischen Gruppen zu befreien, die von der Türkei unterstützt werden.

Dieser Artikel erschien auf der Seite der Nachrichtenagentur Mezopotamya Ajansı (MA) mit dem Originaltitel “Suriye’de sil baştan!” am 12. Juli 2018.