Tall Abyad/Girê Sipî: Angelpunkt im Kampf gegen den IS

kobaneElke Dangeleit und Michael Knapp, Telepolis, 02.07.2015

Mit der Stadt ist ein in der Region einzigartiges politisch fortschrittliches Projekt verbunden, das den Strategien der Türkei zuwiderläuft und auch von den USA nicht begünstigt wird

Am 16. Juni befreiten Einheiten von YPG/YPJ und dem Bündnis Burkan al Firat die seit 2012 von Dschihadisten und seit 2014 vom IS beherrschte Stadt Tall Abyad oder kurdisch: Girê Sipî. Nun wird davon berichtet, dass IS-Milizen von Vororten im Osten aus von Neuem versuchen, in die Stadt einzudringen.

Girê Sipî oder Tall Abyad ist eine strategisch bedeutende Station für Nachschubwege in die Türkei und aus ihr heraus (vgl. Tall Abyad oder Dscharabulus?). Das Abschneiden dieser strategischen Verbindung durch die YPG/YPJ stellt einen harten Schlag für das neoosmanische Projekt der türkischen Regierungspartei AKP und die von ihm abhängigen Gruppen/Allianzen dar. Daher wurde zunächst vor allem rhetorisch die Kampagne gegen die Selbstverwaltung in Rojava und die YPG und YPJ verschärft.

Girê Sipî – eine von kolonialer Grenze getrennte mesopotamische Stadt

Girê Spî liegt zwischen den Kantonen Cizîrê‎ und Kobanê (110km von Serê Kaniyê/ 70km von Kobanê) und ist Teil der syrischen Provinz Ar-Raqqa. Sie fasst, wie so viele Städte der Region, das Schicksal der Kurden und auch das Dilemma des gesamten Mittleren Ostens in sich wie ein Brennglas zusammen. Wir können eine Siedlungsgeschichte auf dem “Weißen Hügel”[1] nachweisen, die bis mindestens ins 6. Jahrtausend v.u.Z. zurückreicht.

Die Region wurde immer wieder von unterschiedlichen Imperien beherrscht: von den Persern über die Seleukiden, zu den Römern, von der islamischen Expansion hin zum Osmanischen Reich. Diese Imperien lebten eine Politik des weitgehenden multiethnischen Miteinanders und klare moderne Grenzziehungen existierten kaum.[2]

Bild: Michael Knapp

Mit der Quasizerschlagung[3] des Osmanischen Reiches 1918 änderte sich dies jedoch im Mittleren Osten radikal. Das letzte klassische Imperium wurde zwischen den Mandatsmächten aufgeteilt. Neue Länder wie der Irak und später Syrien und auch die Türkei standen kurz vor ihrer abhängigen Gründung.

Schon 1916 wurden die Grenzen im Abkommen von Sykes Picot entschieden. Wichtige Teile der heutigen innerkurdischen, türkisch-syrischen Grenze wurden festgelegt und in der Folgezeit zwischen den Mandatsmächten ohne Rücksicht auf die Verhältnisse der Bevölkerung ausgehandelt.[4] Syriens Grenze wurde entlang der Bagdadbahn festgelegt. Damit wurde eine willkürliche quasikoloniale Grenzziehung, welche auf die Zusammensetzung der Bevölkerung keine Rücksicht nahm, beschlossen.

Die Grenze verlief plötzlich mitten durch viele vorwiegend kurdisch besiedelte Ortschaften, von denen eine die Stadt Girê Sipî ist. Das Konzept des Nationalstaats ist gegenüber dem Konzept des Imperiums ein europäisches Konzept. Die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten entstehenden Nationalstaaten Syrien und Türkei verfolgten die unitaristischen, nationalistischen Konzepte des deutschen Nationalismus der Romantik, der Demos und Ethnos gleichsetzt, gepaart mit französischem Zentralismus.[5]

Diese Form des Nationalismus, angewandt auf die multiethnische und multikulturelle Gesellschaft des Mittleren Ostens, führte sowohl in der türkischen Republik als auch in der später entstandenen arabischen Republik Syrien zu einer radikalen Assimilierungs- und Vertreibungspolitik gegenüber Bevölkerungen, welche sich nicht an die arabische oder türkische Herrschaftsidentität anzupassen bereit waren.[6]

Die strategische Lage

Girê Sipî war nun auf der türkischen Seite zu Akçakale und auf der syrischen Seite zu Tall Abyad geworden. Die Bevölkerung wurde zwangstürkisiert, bzw. arabisiert oder ausgebürgert und vertrieben.[7] Tall Abyad wurde aufgrund seiner strategischen Lage einer besonders scharfen Arabisierungspolitik unterzogen und ist eine der Regionen, aus der die meisten Kurden ab den 1960er Jahren vertrieben worden sind.

Ziel war es, einen Keil zwischen die beiden stark kurdisch besiedelten Gebiete Cizîrê‎ und Kobanê zu treiben.[8] Diese Funktion erfüllte die Stadt und ihr Umland unter verschiedenen Vorzeichen bis zum 16. Juni dieses Jahres. Insofern ist dieser Tag nicht nur im Kampf gegen den IS von Bedeutung, sondern hat auch eine “historische Dimension” für Rojava und damit für ganz Kurdistan und den Mittleren Osten.

Die Einwohnerzahl von Girê Sipî wird unterschiedlich angegeben, die letzte offizielle Zählung von 2004 gibt 14.825 Einwohner in der Stadt und 129.714 im Kreis an. 2011, mit Beginn der Aufstände in Syrien, organisierte sich auch in Girê Spî die kurdische Bewegung und ein Mala Gel – ein Haus der Selbstorganisation und Selbstverwaltung – wurde aufgebaut.

Sowohl die syrische Opposition, als auch radikalsunnitische Gruppen begannen in Girê Sipî auf die Straße zu gehen. In dieser Phase begann die Verdrängung der kurdischen Gruppen und die Organisierung und Stärkung von Al Qaida (Jabhat al Nusra) in und um Girê Spî – vor allem gegen die kurdische Bewegung, aber auch gegen das Assad Regime durch die türkischen Geheimdienste über den Grenzübergang Akçakale.

Wie auch in Serê Kaniyê drangen 2012 dschihadistische Verstärkungen gemeinsam mit FSA-Einheiten in Girê Spî ein, sprengten das Mala Gel und begannen mit einer Vernichtungs- und Vertreibungspolitik gegenüber allen, welche Al Qaida nicht zustimmten. In dieser Phase kam es zu Massakern mit dutzenden Toten.

Der IS und die türkische Grenzpolitik

Nachdem die mit Al Qaida verbundene Jabhat Al Nusra-Miliz 2013 im Widerstand von Serê Kaniyê geschlagen worden war, übernahm der IS die Kontrolle über die Region und richtete dort ein regionales Hauptquartier und eine Verbindungslinie in die Türkei ein. Der Grenzübergang ist ein zentraler logistischer Knotenpunkt im Netzwerk des IS und diente bis zum 16.Juni sowohl der Versorgung mit Waffen, Munition, dem Schmuggel und Handel auf die Schwarzmärkte der Türkei und der Welt.[9]

Dies belegen die Vielzahl von dokumentierten Transporten und Grenzübertritten von Dschihadisten bei Akçakale nach Girê Sipî und Raqqa: Während einerseits Waffen unter Medikamentenladungen in der Region Hatay entdeckt worden waren, welche vom MIT an dschihadistische Kräfte transportiert wurden, fanden vor der Befreiung von Girê Sipî ähnliche Transporte häufig unter humanitärem Deckmantel auch über die Grenze bei Akçakale statt.

Die dokumentierten Fälle stellten dabei allerdings höchstens die Spitze des Eisbergs dar.[10] Während die türkische Regierung über die selbstverwalteten Regionen Rojavas ein Embargo verhängte, leistete sie hier großzügig “Hilfe”.

Wie die New York Times am 4. Mai dieses Jahres feststellte, wurde eine große Menge Ammoniumnitrat über die Grenze bei Akçakale gebracht. Deklariert wurde die Lieferung als “Dünger” und selbstverständlich wird mit Ammoniumnitrat weltweit gedüngt.

Ammoniumnitrat ist allerdings auch in einen starken Sprengstoff umzuwandeln, der immer wieder vom IS und anderen Gruppen weltweit zu Anschlägen mit Autobomben benutzt wird, da der Dünger leicht erhältlich und in großen Mengen einsetzbar ist. Weiterhin wurde dokumentiert, dass der IS Waffen und Ausrüstung an Kobanê vorbei durch die Türkei transportiert.

Der Handel war aufgeflogen, nachdem ein Dschihadist, der vom IS Camp “Atme”, nahe der Grenze zur türkischen Provinz Hatay zusammen mit anderen nach Akçakale an die Grenze transportiert wurde, Munition im betreffenden Fahrzeug vergessen hatte und mehrere Fahrer deshalb nach einer späteren Fahrzeugdurchsuchung durch das Drogendezernat[11] belangt wurden. U.a. machten er und die Fahrer umfassende Aussagen über den Waffen- und Personentransfer des IS durch die Türkei.

Nach Aussagen des Fahrers seien die Busse vom türkischen Geheimdienst MIT angemietet und eskortiert worden. Einer der Fahrer berichtete dass, als sie beim Grenzübergang Akçakale ankamen, die Lichter ausgeschaltet wurden und die Fahrzeuge zusammen mit etwa 20 Soldaten und MIT-Angehörigen entladen worden seien.

Dass immer wieder an der Grenze die Lichter ausgeschaltet werden, wenn IS Mitglieder passieren, haben wir selbst auf mehreren Delegationen auf beiden Seiten der Grenze von vielen unserer Gesprächspartnern erfahren können. Den offiziellen Charakter dieses Grenzverkehrs untermauern Dokumente, welche die YPG/YPJ bei einem Angriff auf einen Konvoy eines IS-Emirs in der Nähe von Girê Sipî am 15. Mai sichergestellt hatten.

So geht aus der internen Korrespondenz vom 23.04.2015 zwischen dem IS-Gouverneur von Ar Raqqa und dem IS-Verantwortlichen für den Norden der Region Raqqa hervor, dass offizielle Siegel des IS im Grenzverkehr von den türkischen Behörden am Grenzübergang Akçakale anerkannt werden. Diese logistische Unterstützung hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass Girê Sipî eine Schlüsselfunktion in den Operationen des IS gegen Kobanê/Rojava und damit für die Umsetzung des antikurdischen Projekts der AKP, darstellt.

Der Vorwurf der ethnischen Säuberungen

Das Kappen der Linie Türkei – Ar Raqqa bedeutet einen schweren Schlag für das neoosmanische Projekt der türkischen Regierungspartei AKP. Entsprechend allergisch reagierte der türkische Präsident Erdogan auf die Erfolge der YPG/YPJ vor Girê Spî. Während einerseits Einheiten, die unter dem Dach der FSA standen, an der Seite von YPG und YPJ kämpfen, springt die in Istanbul ansässige Nationale Koalition (ETILAF) politisch ihren Finanziers und Gastgebern – der Türkei, Saudi Arabien und Qatar – bei und verschärfte anscheinend besorgt über den militärischen Erfolg der Selbstverteidigungskräfte ihre Lobbyarbeit und Propaganda gegen die Selbstverwaltung in Rojava.

Dabei versuchen sie die Selbstverwaltung von Rojava als einseitig “ethnisch-extremistische”, kurdische und antiarabische Kraft darzustellen und der YPG Massaker und Misshandlungen an der arabischen Zivilbevölkerung zu unterstellen. Rojava ist allerdings selbst ein erklärtes multiidentitäres und multikulturelles System. Dies ist nicht nur im Gesellschaftsvertrag festgeschrieben, es zeigt sich vielmehr auch in den Verteidigungskräften.

In der YPG und YPJ kämpfen Menschen aller Identitäten und Religionen der Region gemeinsam gegen den Terror des IS, den sektiererischen Wahn und ethnisierten Nationalismus. So steht in der Präambel des Gesellschaftsvertrags von Rojava: “In den demokratisch-autonomen Verwaltungen haben sich die Wünsche der Kurden, Araber, Suryoyos, Armenier und Tschetschen sowie aller anderen Volksgruppen nach einem demokratischen Syrien und dem politisch gesellschaftlichen System der demokratisch-autonomen Verwaltung vereint.”

Wir haben selbst Suryoye, Araber, Sunniten, Eziden und viele andere in den Einheiten von YPG und YPJ getroffen. Auch an der Operation zur Befreiung von Girê Sipî nahmen hunderte arabische, aber auch tschetschenische[12] Kämpfer in den Reihen von YPG und YPJ teil.

Schon dies führt das Argument ethnischer Säuberung ad absurdum. Hinzu kommt aber auch, dass Girê Sipî sowohl vom vorherrschend arabischen Bündnis von nicht-dschihadistischen FSA-Kräften, namens Burkan Al Firat, als auch der YPG in Kooperation befreit worden ist. Insbesondere die Geiselnahmen durch den IS verlangsamten das Voranschreiten der Befreiung der Region, wo sowohl YPG/YPJ, als auch Burkan al Firat großen Wert darauf legten, ziviles Leben zu retten.

Immer wieder rufen ganze Dorfgemeinschaften die YPG/YPJ zur Hilfe und zur Befreiung ihrer Orte auf. Das betrifft Menschen aller ethnischen und religiösen Identitäten.[13] Das YPG Kommando des Kantons Cizîrê‎ hat am 13. Juni eine Erklärung abgegeben, in der sie die Bevölkerung in den Kampfgebieten aufforderte, sich in den Kanton Cizîrê‎ zurückzuziehen und nicht ins Ausland zu fliehen.

Dies zeigt einerseits die Überzeugung der YPG, die Kampagne gegen den IS in Girê Sipî bald zu einem Ende zu bringen, andererseits aber auch den im Gesellschaftsvertrag verankerten Grundsatz des Rechts auf Asyl für jeden Flüchtenden zu garantieren. Allerdings wurde diese Erklärung der YPG ebenfalls als ein angeblicher Beleg von ethnischen Säuberungen verwendet.

Damit wird die Geiselnahme und Massakerpolitik des IS bewusst ignoriert und diejenigen, die gegen ihn kämpfen, diffamiert. Über die Grenze nach Girê Sipî kehren turkmenische, kurdische und arabische Bewohner in die Stadt zurück, alleine am 22.Juni mindestens 500 Personen.

Der Turkmene Hamid Şêxo Mahmud erklärte gegenüber ANF, dass sie, als die Kämpfe begonnen hatten, ihre Flucht vorbereitet hätten, denn der IS sei vor der Befreiung von Girê Sipî durch die Dörfer gezogen und habe erklärt: “Die PKKler kommen und werden Euch umbringen”. Mahmud berichtet:

Wir sagten, auch wenn sie uns umbringen, gehen wir hier nicht weg. Dennoch sind wir zur Grenze gegangen, haben sie aber nicht überquert. Vier Tage haben wir an den Schienen gewartet. Dann kam die YPG zu uns und fragte, ob wir etwas brauchten, sie sind dann weiter nach Tall Abyad gezogen. Daraufhin hat uns die Angst verlassen und wir nahmen Abstand davon, in die Türkei zu gehen. …Im Moment gibt es am höchsten Punkt unseres Dorfes Kontrollpunkte der YPG. Sie kommen ab und zu und fragen, ob wir etwas brauchen. Wir haben vom IS Unterdrückung erfahren, sie haben meinen Sohn vor den Augen meines Enkels getötet. Die YPG hat uns keinerlei Schaden zugefügt, wer das behauptet, der lügt.

Die turkmenische Frage und eine Intervention in Syrien

Welchen Hintergrund könnte also die Behauptung ethnischer Säuberung haben? Selbst rechtskonservative Kreise in der Türkei, wie z.B. der Zaman-Autor Emre Uslu gehen davon aus, dass Erdogan damit eine Intervention in Syrien vorbereiten möchte. Seiner Auffassung nach dient die gesteigerte Berichterstattung über Turkmenen dazu, das innenpolitische Klima in der Türkei, ähnlich wie bei der Besetzung Zyperns 1974, auf diese kriegerische Handlung vorzubereiten.

Die turkmenische Frage ist auch eines der Steckenpferde der rechtsextremen MHP, einem der aussichtsreichsten Koalitionspartner der AKP, und stellte eine der zentralen türkischen Argumentationsstrategien für Interventionen im Irak und Syrien dar.

Es scheint sich eine Kriegskoalition zwischen AKP und MHP zu bilden. Der Regierung nahestehende Medien stellen die PYD[14] mit Bezug auf “Quellen aus der Militärführung” als die größere Gefahr als den IS dar.

Auch die Operationen gegen die im Waffenstillstand befindliche kurdische Guerilla HPG in Nordkurdistan/Türkei und die kurdische Zivilgesellschaft verzeichnen nach den Wahlen einen rasanten Anstieg an Anschlägen. Bedingung der MHP für eine Koalition mit AKP ist unter anderem die Beendigung des sog. “Lösungsprozesses”, also des Prozesses der friedlichen Lösung der kurdischen Frage. Die AKP hat offiziell den “Lösungsprozess” für beendet erklärt und einen “Demokratisierungsprozess” an dessen Stelle gesetzt.

Dieser wurde von Ministerpräsident Davutoglu ausdrücklich als ein Prozess “zur Verminderung der Unterdrückung der Bevölkerung des Ostens durch die PKK” definiert.

Gleichzeitig befindet sich der Vorsitzende der PKK, Abdullah Öcalan, – der inhaftierte Repräsentant der kurdischen Seite im Lösungsprozess -, seit mehr als zwei Monaten in Totalisolation. Auch dies ist ein deutliches Zeichen von Eskalation.

Es ist auffällig, dass insbesondere der IS, aber auch andere dschihadistische Gruppierungen wie Jaish al Fatah die Verbreitung von Gerüchten ethnischer Säuberungen und antisunnitischer Übergriffe durch die YPG/YPJ benutzen, um die Bevölkerung gegen die YPG/YPJ aufzuhetzen und die Herrschaft der Dschihadisten als legitim und schützenswert darzustellen, ETILAF und die Türkei bedienen sich bezeichnenderweise in diesem Sinne der gleichen Rhetorik.

YPG/YPJ – Fußtruppen der USA?

Ein weiteres Argument der türkischen Regierung, wie auch der Dschihadisten ist, dass die YPG/YPJ nicht mehr als die Fußtruppen der USA und der westlichen Koalition darstellen, welche die Turkmenen und Araber vertreiben und die YPG/YPJ an ihre Stelle setzen.

Mit dieser Argumentation verfolgt die AKP zweierlei: Einerseits möchte sie das türkische, extrem nationalistische Lager mit diesem Pseudoantiimperialismus ansprechen und nationalistische Tendenzen in der Türkei in eine antikurdische Richtung schüren, andererseits möchte sie mit dieser Rhetorik ihre eigene Abhängigkeit vom Westen und der NATO verschleiern[15] und als islamische Allianz im neoosmanischem Sinne vermitteln.

Sicherlich existiert eine Kooperation zwischen den USA und den Verteidigungseinheiten von YPG/YPJ gegen den IS. Dies ist eine existenzielle Notwendigkeit. Allerdings zeigt sich die Begrenztheit dieses Bündnisses unter Anderem darin, dass zwar mit sehr unterschiedlicher Intensität Luftunterstützung gegen den IS geleistet wird, aber keinerlei Schritte unternommen werden, die vom IS und den Kämpfen gegen ihn zerstörten aber befreiten Gebiete wie Kobanê wieder aufzubauen (Kobanê: Hilfskorridor zum Wiederaufbau gefordert).

Wir stehen vor der absurden Situation, dass Bomben abgeworfen werden, jedoch Lebensmittel und humanitäre Hilfe verweigert werden. Entgegen anderer Behauptungen wäre es den USA ein Leichtes, sowohl die Türkei, als auch die von ihr abhängige südkurdische KDP zu zwingen, ihr Embargo über die Region aufzuheben.

Dies zeigt deutlich die Agenda des Westens: den IS zurückdrängen, aber Selbstverwaltung in Rojava nicht akzeptieren und soweit möglich zu behindern. Im Gegenteil: Nicht die YPG/YPJ werden von den USA und dem Westen als Fußsoldaten aufgebaut, sondern gemeinsam mit der Türkei wird eine sogenannte “moderate Opposition” militärisch aufgebaut. Um welche “moderate Opposition” es sich handeln kann, bleibt ein Geheimnis. Einiges deutet aber darauf hin, dass es sich um das Al Qaida geführte dschihadistische Bündnis Jaisch al Fatah handeln wird.

Das Ziel scheint also vielmehr zu sein, das alternative, antikapitalistische und basisdemokratische Experiment Rojava zu zerschlagen.

Originallink: http://www.heise.de/tp/artikel/45/45322/1.html