AKP will kurdische Kommunen unter Zwangsverwaltung stellen

Sebahat TuncelCivaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 22.06.2016

Nachdem das Gesetz zur Aufhebung der Immunitäten für parlamentarische Abgeordnete verabschiedet wurde, will die türkische Regierung einen Schritt weiter gehen und die Kommunen, in denen die HDP oder die DBP (Demokratische Partei der Regionen) die Stadtverwaltung stellt, unter ihre Zwangsverwaltung stellen.

Dabei hat die regierende AKP einen für sich praktischen Weg gefunden, dieses Vorhaben zu realisieren: Staatliche Treuhandverwaltungen, die von der Regierungen ernannt werden, sollen die die Stadtverwaltungen übernehmen. Nachdem bereits verschiedene Unternehmen und zuletzt die Tageszeitung “Zaman” unter Verwaltung eines Treuehänders gestellt wurden, will die AKP einen Schritt weiter gehen und im Rahmen der “Terrorbekämpfung” Kommunen unter staatliche Aufsicht stellen.

Im Kampf gegen die Opposition scheint jeder Weg legitim zu sein

Die Ausweitung ihres Kampfes gegen die kurdische Opposition legitimiert die AKP wie gewohnt mit der vermeintlichen “Kampf gegen den Terror”. So erklärte Regierungschef Binali Yildirim zu dem Thema Folgendes: “Im Rahmen der Terrorbekämpfung müssen wir weitere Schritte tätigen, wie beispielsweise die Kommunen, die den Terror finanzieren, zur Rechenschaft ziehen. Diese Kommunen erhalten das Geld von dem Staat und reichen sie weiter an die Terrororganisation. In naher Zukunft werden wir sie zur Rechenschaft ziehen.”

Staatliche Treuehänder anstelle gewählter Bürgermeister

Der Zweck hinter diesen Anschuldigungen ist ganz offen, nämlich die Opposition entweder auf die eigene Linie zu ziehen oder zum Stillschweigen zu bringen. Um die Öffentlichkeit darauf vorzbereiten, geben verschiedene Funktionäre und Minister der AKP Statements zu diesem Thema ab. So äußerte sich der türkische Umweltminister Mehmet Özhaseki wie folgt: “Die neuen Gesetze basieren auf zwei Schritten: 1. Die Gouverneure werden die Kommunen, die nicht arbeiten, abmahnen und ihnen eine Frist setzen. Ist diese abgelaufen und keine Besserung zu sehen, wird der Gouverneur diese Aufgaben übernehmen. Im zweiten Schritt werden die Bürgermeister, denen nachgewiesen wird, dass sie den Terror unterstützen, suspendiert. An ihre Stelle wird jemand auf Vorschlag des Gouverneurs durch das Innenministerium ernannt.”

“Wir werden dem Staat die Übernahme unserer Kommunen nicht erlauben”

Die Co-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Regionen (DBP) Sebahat Tuncel erklärte Anfang dieser Woche in einer Presseerklärung zu dem Thema, dass sie einen staatlichen Treuehänder nicht akzeptieren werden. Tuncel wies darauf hin, dass ohnehin schon dutzende Bürgermeister und Mitglieder ihrer Partei inhaftiert wurden. “Zwei Mitglieder unseres Parteirats wurden ermordert”, sagte Tuncel und wies auf Hurşit Külter hin, von dem seit knapp 3 Wochen jede Spur fehlt.

“Korruption sollen sie in ihren eigenen Reihen suchen”

Tuncel führte die Presseerklärung wie folgt fort: “Alle Parteien, die vor uns in Kurdistan die Kommunen inne hatten, haben nichts für die Provinzen gemacht. Erst mit uns wurden wichtige Projekte initiiert. Dies ist der Grund warum wir die Zielscheibe der Regierung und des Staatspräsidenten sind. Seit mehreren Monaten finden Inspektionen in unseren Kommunen statt – ergebnislos. Wenn sie Korruption suchen, sollen sie in ihren eigenen Reihen einen Blick werfen.”

Tuncel erklärte, dass die Steuergelder kein Segen des Staates sind, sondern die Gelder der Bevölkerung. Die Übernahme durch einen staatlichen Treuehänder verglich Tuncel mit einem Putsch und fuhr wie folgt fort: “Wir werden nicht erlauben, dass unsere Kommunen der Regierung unterstellt werden. Zusammen mit unserem Volk werden wir Widerstand leisten. Die AKP redet ständig von ihren 50% Stimmanteil, hat aber keinen Respekt für 70% und mehr, von denen wir in unseren Kommunen gewählt werdne. Wir warnen ausdrücklich den Staat und den Staatspräsidenten. Wir sehen es als unsere Pflicht an, Widerstand gegen euren Faschismus zu leisten. Wir rufen alle demokratischen und linken Kreise zur Solidarität auf.”

Demirtas: “Man müsste den Präsidentenpalast unter Treuehand stellen”

Selahattin Demirtas, der Co-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker, sprach in der gestrigen Fraktionssitzung auch über den Versuch, die Kommunen der DBP unter staatliche Kontrolle zu bringen. Demirtas erklärte: “Seit Jahren sind Inspektoren in unseren Kommunen präsent. Sie haben Zugang zu allen Unterlagen in unseren Kommunen. Eine normale Inspektion dauert ein paar Tage, bei uns sind es jetzt schon Jahre. Sie sprechen von Terrorunterstützung, können aber den Staatsanwälten keine Beweise liefern. Wir rufen alle dazu auf, die gewählten Bürgermeister gegen den Faschismus zu verteidigen. Sie wissen, dass sie diese Kommunen mit demokratischen Mitteln nicht gewinnen können, daher schlagen sie diesen Weg ein. Wenn irgendetwas aufgrund von Korruption unter Treuehand gestellt werden muss, dann ist es der Präsidentenpalast.”