Aufruf für schwerkranke Gefangene in türkischen Gefängnissen

hasta-tutsaklarMAF-DAD e.V. – Verein für Demokratie und internationales Recht, 18. Februar 2014

Nach den offiziellen Angaben des türkischen Justizministers Bekir Bozdag vom 2. Dezember 2013 sind in den letzten 13 Jahren über 2300 Untersuchungshäftlinge und Strafgefangene in den türkischen Gefängnissen gestorben.
Die wachsende Zahl von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen, die in türkischen Haftanstalten schwerst erkrankt sind, zeigt, dass das Recht auf Leben nicht gewährleistet und die Gefangenen einer Lebensbedrohung ausgesetzt sind. Türkische Gefängnisse sind unter der Aufsicht des Staates zu Orten verkommen, an denen das Recht auf Leben faktisch aufgehoben ist. Nach Untersuchungen des Menschenrechtsvereins (“IHD-Insan Haklari Dernegi”) und der Menschenrechtsstiftung der Türkei (“Türkiye Insan Haklari Vakfi”) aus dem Jahr 2013 sind 544 Häftlinge und Strafgefangene schwerst erkrankt. Bei 163 Gefangenen ist der Zustand sehr ernst und sie werden in Todestrakten gehalten, anstatt behandelt zu werden.

Nach dem türkischen Strafvollzugsgesetz ist die Freilassung schwer erkrankter Gefangener gesetzlich vorgeschrieben. In diesem Gesetz heißt es: „Wenn aufgrund einer schweren Behinderung oder Krankheit das Leben des Gefangenen durch die Inhaftierung bedroht ist, kann die Haftstrafe ausgesetzt werden, soweit festgestellt wird, dass der Gefangene keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt.“

Weiterhin ist nach diesem Gesetz die Haftfähigkeit eines Gefangenen an die Beurteilung durch Gerichtsmediziner gebunden. Die Gerichtsmediziner haben darüber zu befinden, ob die erkrankte Person in Haft bleiben kann oder nicht. Damit ist die Freilassung an eine unglaubliche subjektive Bedingung gekoppelt, da gerade die Gerichtsmedizin dafür bekannt ist, Folter in der Haft zuverdecken.

Schon die Erhaltung eines solchen Berichts der Gerichtsmedizin stellt für sich eine Foltermethode dar. Erst nach einer unzumutbaren Beanspruchung der erkrankten Untersuchungshäftlinge und Strafgefangenen nach einem zermürbenden und langwierigen Prozedere, wie die schlecht funktionierende Bürokratie, die schleppende Arbeitsweise der Zuständigen, die schonungslose Beförderung mit Militärtransportmitteln, sowie die Behandlung während dieser Phase in der Krankenstation in den Gefängnissen werden die Berichte der Gerichtsmedizin erteilt. Selbst wenn diese Phase überstanden ist, wird die Freilassung von gelähmten, krebskranken Strafgefangenen, die sich selbst nicht versorgen können, mit der Begründung der Staatsanwälte verhindert, sie würden eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen.

Obwohl der türkische Staatspräsident Abdullah Gül gesetzlich die Befugnis hätte einzugreifen, bleibt er tatenlos. Die Regierung verweist auf die politische und bürokratische Strukturierung der Gerichtsmedizin und versucht sich der Verantwortung zu entziehen.

Bei solch einer Behandlung von erkrankten Strafgefangenen, die sich am Rande des Todes befinden, drängt sich der Verdacht auf, ob sich der türkische Staat von Rachegedanken leiten lässt und Krankheiten als eine Ersatzstrafe verwendet. Beim genauen Hinsehen offenbart sich, dass die Todesstrafe auf diese Art aufrecht gehalten wird.

Auch wenn die politische Tagesordnung der Türkei mit einer Fülle von anderen Themen belegt ist, darf nicht zugelassen werden, dass die Situation der Untersuchungshäftlinge und Strafgefangenen im Hintergrund bleibt und sich weiterhin verschlechtert. Es wird ein faires Verfahren gefordert und noch wichtiger ist es, dass die erkrankten Untersuchungshäftlinge und Strafgefangenen sofort freigelassen werden.

Wir, die Mitglieder des Vereins MAF-DAD rufen insbesondere Menschenrechtsorganisationen und alle interessierten Menschen auf, dem Thema die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken und sich mit der Forderung der Freilassung von erkrankten Gefangenen, an die türkische Regierung zu wenden.

MAF-DAD-Vorsitzende
Heike Geisweid

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