Angriffe trotz Waffenstillstand: Krieg der Türkei gegen die Guerilla geht weiter
Trotz des einseitigen Waffenstillstands der Guerilla (HPG) griff die türkische Armee zwischen dem 27. Mai und dem 4. Juni mehrfach Stellungen in den Bergen Südkurdistans an – darunter mit Sprengstoffdrohnen, Haubitzen und chemischen Substanzen. Mindestens 28 Angriffe auf unterirdische Tunnel wurden dokumentiert. Die türkische Armee versucht weiterhin, die Infrastruktur des Widerstands systematisch zu zerstören.
Auch im Bundestag ist das Thema angekommen. Cansu Özdemir (Die Linke) stellte eine Anfrage zur möglichen Beteiligung deutscher Rüstungsfirmen an der Drohne, mit der die aus Hamburg stammende Kämpferin Tîjda Zagros (Kelly Freygang) am 29. April getötet wurde. Eine Antwort steht noch aus. Am 29. Juni findet in Hamburg eine Gedenkveranstaltung zu ihrem Tod statt:
- 13.00 Uhr Gedenkmarsch | S-Neuwiedenthal
- 14.00 Gedenkveranstaltung | St. Dimet, Im Neugrabener Dorf 40
Repression gegen Kritiker:innen und Lage in Mexmûr
In der Autonomieregion Kurdistan wächst der Druck auf oppositionelle Stimmen. Wer die Regierung des Barzanî-Clans kritisiert, läuft Gefahr, ohne Verfahren in Haft zu landen. Angehörige fordern Aufklärung über den Verbleib ihrer inhaftierten Familienmitglieder. Teilweise sind mutmaßliche Mitglieder der PKK seit Jahren inhaftiert, ohne dass eine Information über ihren Aufenthaltsort oder ihren Gesundheitszustand nach außen dringt. Die Regionalregierung in Hewlêr (Erbil) reagiert bislang nicht.
Auch das Camp Mexmûr ist betroffen: Zusätzlich zum bestehenden Embargo durch die Regionalregierung blockiert seit April auch die irakische Zentralregierung den Zugang. Die Menschen, die dort seit über 30 Jahren leben, sehen sich einer wachsenden humanitären Krise ausgesetzt. Die basisdemokratische Selbstverwaltung, die starke Rolle der Frauen und die Ausrichtung am Paradigma der kurdischen Freiheitsbewegung gelten als politisches Ärgernis für die Herrschenden. Überlebensnotwendige Bewegungsfreiheit und die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten werden immer schwieriger.
Ökologieparlament in Amed gegründet
Am 15. Juni wurde in Amed (tr. Diyarbakır) das „Ökologieparlament Amed“ gegründet. Vertreter:innen aus Umweltbewegungen, Landwirtschaft, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft kamen zusammen, um der zunehmenden Umweltzerstörung in Nordkurdistan etwas entgegenzusetzen. Besonders der Bau großer Staudämme durch die türkische Regierung wird als gezielte Zerstörung des Lebensraums kritisiert. Die Gründung des Ökologieparlaments lässt sich als notwendige Selbstorganisierung der Gesellschaft einordnen.
Repression, Erinnerung und Regionalpolitik in der Türkei
Die AKP/MHP-Regierung setzt ihre Kriminalisierung der Opposition fort: Nach der Verhaftung des CHP-Bürgermeisters von Gazionmanpaşa wurde ein AKP-Vertreter ins Amt eingesetzt. Im Südosten der Türkei gedachten unterdessen kurdische und assyrische Organisationen dem Genozid an den Assyrer:innen von 1915 – und forderten eine demokratische Zukunft.
Gleichzeitig berief Erdoğan angesichts der Eskalation zwischen Israel und Iran ein Sicherheitstreffen ein. Bei dem Treffen kamen hochrangige Vertreter der Verteidigungs- und Geheimdienstbehörden zusammen, um die regionalen Auswirkungen zu bewerten und Notfallpläne zu besprechen. Die türkische Regierung sorgt sich offenbar vor einer weiteren Destabilisierung der Region.
Nach der Auflösung der PKK: Ein Neuanfang
Die kurdische Monatszeitung Serxwebûn hat nach 44 Jahren ihr Erscheinen eingestellt. Anlass ist die Auflösung der PKK infolge des 12. Parteikongresses. In ihrer letzten Ausgabe wurden zentrale Kongressdokumente veröffentlicht, ebenso wie der schriftliche Beitrag Abdullah Öcalans, in dem er die Grundzüge eines neuen demokratischen Gesellschaftsentwurfs skizziert.
Iran: Krieg, Repression und Hinrichtungen
Seit dem 12. Juni führen Israel und Iran gegenseitige Angriffe durch. Die kurdische Partei PJAK warnt davor, dass dieser geopolitische Machtkampf vor allem der Zivilbevölkerung Leid bringe. Die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans KCK findet dazu klare Worte: „Dieser Krieg, der durch Staaten im Streben nach Macht, Herrschaft und Hegemonie geführt wird, löst keine Probleme – er bringt nur Leid, Tod und Zerstörung für die Völker“, so die Stellungnahme. Die Menschenrechtsorganisation Hengaw dokumentiert eine wachsende Zahl an Hinrichtungen politischer Gefangener – oft unter dem Vorwurf der Spionage. Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker warnt vor ethnischer Repression als Ablenkungsstrategie der Regierung. Die Kurd:innen in Ostkurdistan sind davon besonders betroffen.
Rojava: Hoffnung und Gefahren
178 syrische Binnenvertriebene verließen am 16. Juni das Lager al-Hol im Rahmen der Aktion „Konvoi der Hoffnung“. Die Rückkehr in ihre Heimatorte im Gouvernement Aleppo soll zur Stabilisierung beitragen. Die Demokratische Selbstverwaltung sieht darin ein wichtiges Signal für Zukunftsperspektiven im Land.
Gleichzeitig bleibt die Lage angespannt. Die QSD verstärkten ihre Einsätze gegen IS-Zellen. Mehrere Angriffe konnten vereitelt werden. Dennoch bleibt unklar, wie mit inhaftierten IS-Mitgliedern verfahren wird. Die deutsche Bundesregierung plant vorerst keine Rückführung inhaftierter IS-Mitglieder mit deutscher Staatsbürgerschaft und setzt stattdessen auf eine Strafverfolgung durch die syrischen Behörden.
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