Die Revolution in Westkurdistan – Teil 3

von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.

In diesem Teil unserer Serie zu den Hintergründen der Revolution in Westkurdistan geben wir den zweiten Teil des Interviews mit Ilham Ahmet wieder. Ahmet ist eine von zwei weiblichen Mitgliedern des Kurdischen Hohen Rates. Sie beantwortet die Fragen der JINHA-Reporterin Hazal Peker.

Was wollen die Kurdinnen und Kurden für Westkurdistan?

Was wir in Westkurdistan aufbauen wollen, ist die Demokratische Autonomie. Und der größte Teil der kurdischen Bevölkerung unterstützt dieses System. Für sie ist das die bestmöglichste Lösung hier. Und die Arbeiten für die Demokratische Autonomie laufen auf Hochtouren.

Gibt es überhaupt ein Fundament in Westkurdistan für die Demokratische Autonomie? Wenn ja, wie sieht dieses aus?

Wie gesagt, wir befinden uns in der Aufbauphase und das Fundament entwickelt sich. Überall organisiert sich das Volk in Rätestrukturen. Es entstehen parallel hierzu Frauenräte. Es entwickelt sich eine starke Zivilgesellschaft, ÄrztInnen, IngenieurInnen, LehrerInnen und weitere Berufsgruppen organisieren sich. In so gut wie jedem Lebensbereich organisiert sich die Bevölkerung. Das ist das Fundament der Demokratischen Autonomie. Ein wichtiges Thema ist natürlich auch die Wirtschaft. Hier haben sich ebenfalls die ersten Komitees zusammengeschlossen. Aber aufgrund der aktuellen politischen Situation haben wir noch nicht den Fokus unserer Arbeiten auf die Wirtschaft gelegt. Wir werden die Arbeiten in diesem Bereich, sobald es möglich ist, wieder auf unsere Tagesordnung setzen. Das wirtschaftliche Ziel in der Demokratischen Autonomie wird es sein, Projekte zu entwickeln, durch die sich die Bevölkerung in Westkurdistan weitgehend selbst versorgen kann.

Es ist die Rede von 16 politischen Parteien in Westkurdistan. Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen den Parteien aus? Kann das Ziel einer gemeinsamen kurdischen Politik erfolgreich umgesetzt werden?

Du hast Recht. Es gibt insgesamt 16 kurdische Parteien in Westkurdistan. Und wir haben von Anfang an betont, dass es für die Kurden von großer Wichtigkeit ist gemeinsam zu agieren. Aber es war natürlich auch nicht leicht dies umzusetzen. Denn vor allem die Kräfte aus dem Ausland versuchten die eine oder andere kurdische Partei für ihre eigenen Interessen zu gewinnen und zu instrumentalisieren. Die einflussreichste kurdische Partei hier ist die PYD (Partei der Demokratischen Einheit). Sie genießt den meisten Zuspruch der westkurdischen Bevölkerung. Und sie hat die Politik der kurdischen Einheit sehr stark vorangetrieben. Wir wussten von Anfang an, dass es zwar keine ideologische Einheit geben kann, aber unter den gegebenen Umstände musste eine politische Einheit der Kurdinnen und Kurden her. Deswegen haben wir uns alle in Qamislo getroffen und beschlossen, gemeinsam zu handeln. Daraus ist der Kurdische Hohe Rat entstanden und diese Entwicklung hat die kurdische Bevölkerung sehr gefreut. Die meisten kurdischen Parteien sind Teil dieses Rates und diejenigen Parteien, die nicht Teil der kurdischen Einheit werden wollen, werden von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert. Natürlich stört die kurdische Einheit die äußeren Mächte, allen voran die Türkei. Auch andere Mächte, die auf dem Rücken der kurdischen Parteien ihre Interessen in Syrien verwirklichen wollen, fühlen sich gestört und versuchen mit aller Kraft die Einheit wieder zu spalten. Aber wie gesagt, keine kurdische Partei kann es sich leisten losgelöst vom Kurdischen Hohen Rat Politik zu betreiben. Ganz einfach, weil das kurdische Volk sofort sehen würde, dass diese Partei dann nicht mehr im Interesse der kurdischen Bevölkerung handelt.

Wie sieht es mit der Sicherheitspolitik des Kurdischen Hohen Rates aus? Gibt es Vorbereitungen für den Fall eines möglichen Angriffs?

Seit dem Massaker von Qamislo am 12. März 2004 haben die Kurden angefangen ihre eigenen Sicherheitskräfte zu organisieren. Nachdem die Bevölkerung in der letzten Zeit eine Stadt nach der anderen in Westkurdistan eingenommen hat, übernahmen die aus der Bevölkerung zusammengesetzten Sicherheitskräfte die Verantwortung für den Schutz der Städte. Das ist die Geburtsstunde der sogenannten Volksverteidigungskräfte (YPG). Die Kräfte der YPG kontrollieren heute die Zufahrtsstraßen in die kurdischen Städte, tragen Mitverantwortung für die öffentliche Ordnung in den Städten und kontrollieren die Grenzgebiete zu der Türkei und zu den arabischen Gebieten.
Aber unsere Selbstverteidigungsmechanismen laufen nicht allein über die bewaffneten Kräfte. Für uns heißt Selbstverteidigung auch, dass die Bevölkerung im politischen Bereich seinen Einfluss wahren kann. Das heißt, dass das Volk seinen Willen zum Ausdruck bringen können muss. Zudem muss es seine Kultur und seine Sprache wahren und weitergeben können. Das sind für uns auch elementare Bereiche der Selbstverteidigung. Und sowohl die bewaffnete als auch die unbewaffnete Selbstverteidigung läuft über die Organisierung des Volkes.

Gibt es noch etwas, dass du sagen möchtest?

Für uns ist es ganz wichtig, dass die Welt versteht, worum es den Kurdinnen und Kurden in Syrien geht. Uns geht es nicht darum die Macht zu ergreifen und die Türken, Araber oder die Perser zu unterwerfen. Wir wollen ausschließlich unsere eigene Existenz schützen, uns selbst verwalten und unsere Kultur ausleben. Zunächst geht es uns darum, dass wir unsere Errungenschaften schützen. Das zweite wichtige Ziel ist der Aufbau der Demokratischen Autonomie.

 

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