Ein gemeinsames Verständnis über die Welt, in der wir leben

Fragen an die Kampagne »Make Rojava Green Again« der Internationalistischen Kommune in Rojava; für den Kurdistan Report September/Oktober 2018

Im Februar dieses Jahres habt ihr als Internationalistische Kommune in Rojava eure Kampagne »Make Rojava Green Again« gestartet. Dies in Zusammenarbeit mit dem Ökologie-Komitee und dem Komitee für Naturschutz des Kantons Cizîrê. Könnt ihr uns einen Einblick in eure Arbeiten geben?

Im Frühjahr 2018 wollten wir mit dem Pflanzen von Bäumen auf dem Gelände unserer Akademie und dem Aufbau einer Baumschule beginnen. Mitte Januar, also zu Beginn unserer Kampagne, begann allerdings der Angriffskrieg der Türkei gegen Efrîn. In der Internationalistischen Kommune wurde deshalb der Schwerpunkt verlegt. Viele Menschen aus der Internationalistischen Kommune sind nach Efrîn gegangen, um von dort zu berichten1, oder haben sich anderweitig an den Öffentlichkeitsarbeiten beteiligt. Das Pflanzen von 2000 Bäumen auf dem Gelände der Akademie, sowie die Vorbereitung von Tausenden von Setzlingen, mussten wir deshalb auf den Herbst bzw. Winter dieses Jahres verschieben. Gleichzeitig haben wir uns trotzdem dafür entschieden, die Kampagne öffentlich zu machen und die Arbeit an der Baumschule zu beginnen. Im Frühjahr wurden trotz der aktuellen Lage einige Hundert Setzlinge vorbereitet und ein großer Garten ist angelegt worden. Eine Basis für unsere Baumschule ist damit geschaffen.

Die heiße Sommerzeit in Rojava eignet sich nicht zum Pflanzen. Dennoch geht die Planung der Baumschule, insbesondere des Bewässerungssystems, weiter und wir bauen große Schattendächer, um dann Ende des Jahres dort unsere Setzlinge unterzubringen. Aufgrund des Klimas haben wir daher in den vergangenen Monaten die Zeit für andere Arbeiten genutzt. Aktuell arbeiten wir an Übersetzungen des Buchs »Make Rojava Green Again« in Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Deutsch, Griechisch, Türkisch, Kurdisch und Arabisch. Weitere Sprachen sind in Vorbereitung. Das Buch fasst die Ergebnisse unserer Arbeiten der vergangenen Monate zusammen. Wir haben uns mit Menschen zusammengesetzt, die in den Selbstverwaltungsstrukturen zum Thema Ökologie arbeiten, um einen Überblick über den aktuellen Stand der ökologischen Arbeiten in Rojava zu bekommen. Darüber hinaus haben wir uns ideologisch mit den Ideen von u. a. Silvia Federici, Murray Bookchin und Abdullah Öcalan beschäftigt. Auf dieser Basis haben wir mit Menschen Lösungsansätze für die ökologischen Herausforderungen entwickelt und skizziert.

Durch die Öffentlichkeitsarbeit und die Arbeit an dem Buch sind wertvolle Kontakte auf der ganzen Welt entstanden. Immer mehr Menschen haben uns angeschrieben und angeboten, das Buch für ihren Sprachraum zu übersetzen, oder ihr Wissen und ihre Ideen mit uns geteilt.

Arbeitet ihr noch an weiteren ökologischen Projekten?

Ein anderer Schwerpunkt unserer Arbeit ist es gerade, weitere Projekte neben der Baumschule vorzubereiten. Wir wollen in den Bereichen Energie, Müllrecycling und Wasser experimentieren und Modellprojekte entwickeln. Auch hier hat unsere Öffentlichkeitsarbeit außerhalb von Rojava Wirkung gezeigt. Expert*innen für all diese Arbeitsfelder haben sich bei uns gemeldet. Konkretere Planungen gibt es für den Bau der ersten Windturbine in Rojava, einer einfachen Biogasanlage und eines Grauwasserfilters. Erste Kontakte und Ideen sammeln wir zu Solarenergie und Recyclingprojekten. Dabei ist die Umsetzung der Projekte für uns als auch für die Expert*innen eine Herausforderung. Nach wie vor mangelt es in Rojava durch das Wirtschaftsembargo an Maschinen und speziellen Baumaterialien. Es geht uns aber nicht darum, Konzepte aus dem Westen zu importieren und eins zu eins umzusetzen. Außerdem fehlt es oft an ganz einfachen Dingen – und es muss daher improvisiert werden.

Mit was für Problemen seid ihr auf anderen Ebenen konfrontiert?

Durch die Politik des syrischen Regimes und den Einfluss der kapitalistischen Moderne ist viel Wissen über autonome Organisierung und Lebensführung verloren gegangen. Noch vor vierzig Jahren war die Landwirtschaft vielseitig und das dörfliche Leben durch Selbstversorgung gekennzeichnet. Nach wie vor gibt es einige Menschen, gerade ältere, die das Wissen über Tiere und Pflanzen der Region bewahrt haben. Aber die starke Entfremdung der Gesellschaft von der Natur ist merkbar. So fehlt zum Beispiel in vielen Teilen der Gesellschaft ein Verständnis für unsere ökologischen Arbeiten. Wir sehen daher auch die Verantwortung, unsere Kampagne in Rojava selbst bekannter zu machen und damit die ökologische Komponente der Revolution zu betonen und zu stärken. Ein Ausgangspunkt unserer Kampagne nach Diskussionen mit den Strukturen hier war genau die Feststellung, dass von den drei Grundpfeilern des demokratischen Konföderalismus – Frauenbefreiung, radikale Demokratie und Ökologie – gerade die Ökologie oft zu wenig Aufmerksamkeit findet.

In der Öffentlichkeitsarbeit haben wir, wie das gesamte Projekt der demokratischen Selbstverwaltung in Nordsyrien, nach wie vor mit Antipropaganda und staatlicher Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung im Westen zu kämpfen. Viele bürgerliche Organisationen wollen nach wie vor nicht mit uns zusammenarbeiten. Viele Menschen schrecken trotz einer grundsätzlichen Sympathie vor einer aktiven Unterstützung zurück.

Was ist das Ziel eurer Kampagne? Wie kann man euch konkret unterstützen?

Für uns ist die Kampagne »Make Rojava Green Again« in erster Linie Ausdruck eines neuen Internationalismus. Durch die Verbindung der ökologischen Kämpfe in Rojava und außerhalb wollen wir ein gemeinsames Verständnis über die Welt, in der wir leben, entwickeln. Ein gemeinsames Verständnis über die Zusammenhänge zwischen der Ausbeutung der Natur durch den Menschen und von Menschen untereinander – beides Formen patriarchaler Unterdrückung – ist unsere Basis. Ausgehend davon wollen wir uns gemeinsam über Alternativen austauschen und sie realisieren. Wir wollen damit zum Aufbau einer globalen ökologischen Gesellschaft beitragen.

In diesem Sinne gibt es unzählige Möglichkeiten, sich zu beteiligen. Die Kampagne ist sehr offen. Wir würden uns freuen, wenn Menschen die Kampagne, ihre Ideen aufgreifen und mit ihren lokalen Kämpfen verbinden. Wir laden alle Menschen ein, mit uns in Kontakt zu treten und sich gemeinsam zu organisieren.

Konkret auf die Projekte in Rojava bezogen ist die größte Unterstützung, wenn Menschen für einen längeren Zeitraum nach Rojava kommen und uns bei den ökologischen Arbeiten unterstützen. Dabei geht es nicht darum, dass jede Person etwas »Besonderes« können muss. In Rojava gibt es die Möglichkeit, eigene Fähigkeiten, die im kapitalistischen System eher unbedeutend blieben, zu entwickeln.

Für die Umsetzung der Projekte braucht es natürlich auch Expert*innen. Wir freuen uns über Kontakte und das Weitertragen unseres Aufrufs. Wir suchen Menschen mit Erfahrungen mit regenerativen Energien, Aufbereitung von Wasser, ökologischer Landwirtschaft und Recycling. Wir freuen uns über Unterstützung sowohl aus der Ferne als auch vor Ort.

Für die Umsetzung der Projekte, insbesondere aber das Aufforstungsprojekt im Naturschutzgebiet Hayaka, wird Geld benötigt. Wir sind auf Spenden angewiesen und freuen uns daher auch über finanzielle Beteiligung an der Kampagne.

Wir rufen alle solidarischen Menschen auf, sich an der Kampagne »Make Rojava Green Again« zu beteiligen und in einen Austausch darüber zu treten, wie ökologische und andere Probleme angegangen werden können und letztendlich die kapitalistische Moderne zu überwinden ist.

Weitere und aktuelle Informationen über »Make Rojava Green Again« gibt es auf der Homepage makerojavagreenagain.org und auf Twitter und Facebook.

Spendenkonto: Rote Hilfe
IBAN: CH82 0900 0000 8555 9939 2
BIC: POFICHBEXXX
PostFinance Bern
Stichwort: Internationalist Commune of Rojava

Crowdfunding-Kampagne für die Kosten des Buches der Kampagne »Make Rojava Green Again«
https://www.ecocrowd.de/projekte/make-rojava-green-again-book/