Erdoğans neues Konzept

Îlham Ehmed, Özgürlükcü Demokrasi, 03.05.2017

Nach dem Referendum hat sich die Kurdenpolitik des türkischen Staatspräsidenten weiter herauskristallisiert. Die Angriffe auf Qerecox und Shengal waren ein erneuter Beweis für seine Unterstützung für den sogenannten Islamischen Staat. Darüber hinaus verfolgt er auch weiterhin sein Bestreben, sich zum „Sultan des Mittleren Ostens“ zu küren.

Bei jeder Möglichkeit spricht er von dem Fehler, den sie im “Nordirak” zugelassen haben (gemeint ist die kurdische Autonomieregion in Südkurdistan/Nordirak, Anm. d. R.) und davon, dass er einen ähnlichen Fehler in Syrien nicht zulassen werde. Währenddessen werden aber Verantwortliche der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) in Istanbul empfangen. Diese denken, dass ihnen dadurch ein gewisser Wert beigemessen wird, weil sie vermeintlich die „guten Kurden“ sind, während die PKK die „schlechten Kurden“ darstellt. In diesem Rahmen kommen die KDP und AKP in einem Anti-Kurden-Bündnis zusammen.

Die KDP glaubt tatsächlich daran, dass die Türkei bei ihrem Angriff auf Shengal versehentlich auch Peshmerga-Kämpfer getötet hat. Doch allein die Tatsache, dass sie eine solche Behauptung aufstellen können, zeigt doch, dass die KDP selbst in die Angriffe verwickelt ist.

Die Angriffe auf Qerecox bezweckten das vorzeitige Ende der Rakka-Offensive. Denn die AKP hat den USA schon mehrere Pläne für eine Operation auf die vermeintliche IS-Hauptstadt vorgelegt, in welchen die YPG ausgeklammert werden sollte. Diese Pläne wurden aber nicht akzeptiert. Der letzte Angriff stellt nun eine Message an die USA dar: Wenn ihr uns nicht involviert, dann finden wir schon einen Weg, uns selbst zu involvieren!

Auf der anderen Seite haben sie erwartet, dass die Kurden die USA aufgrund des Angriffes beschuldigen und somit die Rakka-Offensive stoppen werden. Daraufhin wären sie selbst aktiv geworden. Die Türkei wollte also Rakka, das mittlerweile fast vollständig von den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) umzingelt wurde, einnehmen und den „Sieg“ auf ihr Konto verbuchen.

Die Pläne der Türkei liefen jedoch ins Leere. Nach Qerecox wurde der Einmarsch in Girê Spî (Tall Abyad) geprobt und Dirbespiye bombardiert. Nachdem auch dieser Plan nicht aufging, setzt Ankara erneut auf diplomatischen und wirtschaftlichen Verkehr. Erdoğan spricht davon, dass er die gemeinsamen Bilder von US-Soldaten und YPG’lern Donald Trump vorlegen wird. Als ob dieser die Bilder nicht kennt!

Auf der Tagesordnung sind auch wieder einmal die Syrien-Gespräche in Astana. Wir wissen absolut nicht, was Erdoğan dieses Mal feilbieten wird! Die ganze “Opposition” hat sich bereits ergeben, nachdem sie von Ankara fallengelassen wurde!

Das Seltsame ist, dass niemand fragt, warum sich diese Kreise ergeben. Jeder schweigt, als wäre man überzeugt davon, dass die “Opposition” keinen “Sieg” mehr einfahren könne. Man denkt sich, dass die Reste der Opposition zusammen mit dem IS oder Al-Nusra bestimmt untergehen werden. Die Türkei wird das aber nicht so einfach zulassen, denn noch immer sind ihre Interessen auf dem Spiel.

Die Türkei pflegt zwar bestimmte Beziehungen zur USA und Russland, allerdings tut sich immer mehr das Image des “ungezogenen Kindes” auf. Die Probleme, welche die Türkei verursacht, erinnern an Kinder, die ihren Eltern nur “Kopfschmerzen” bereiten. Jeder sagt ihm, er solle brav bleiben, aber er tut, was er für richtig hält. Die Frage ist, wie lange dieser Zustand noch weiter geht! Denn dieses ungezogene Kind hat mittlerweile alle Grenzen überschritten und macht den Spielverderber. Und dies führt unweigerlich zur Geduldsgrenze…

Erdoğan muss verstehen, dass es nicht mehr so einfach ist, die Kurden anzugreifen. Er muss verstehen dass unser Kampf legitim ist. Dies ist mittlerweile jedem bewusst, bis auf eben der Türkei.