Presseerklärung des Vereins der Freiheitlichen Anwälte – Zweigstelle Istanbul, 08.07.2015
Der Vorsitzende der PKK, Herr Abdullah Öcalan, wird seit 16 Jahren auf der Gefängnisinsel Imralı unter historisch einmaligen strengen Isolationshaftbedingungen gefangen gehalten. Er hat seit dem 27. Juli 2011 keinen Besuch mehr von seinen Anwältinnen und Anwälten empfangen, seine Familie seit dem 6. Oktober 2014 nicht mehr gesehen, und seit dem 5. April 2015 hat kein Treffen mehr mit der Delegation der HDP (Partei der Demokratie der Völker) stattgefunden.
Die Isolation, in der sich Herr Öcalan befindet, wurde auch auf unsere anderen auf die Gefängnisinsel verlegten Mandanten ausgeweitet. Auf diese Weise wurde auf Imralı eine Gruppenisolation geschaffen und alle Verbindungen unserer Mandanten zu Leben und Gesellschaft wurden gekappt.
Wir beantragen wöchentlich bei der Oberstaatsanwaltschaft Bursa Konsultationen mit Herrn Öcalan und unseren anderen Mandanten. Aber die Gefängnisverwaltung, das Justizministerium und die eigentlich Verantwortliche, die Regierung, treten das Recht mit Füßen und beantworten unsere Besuchsanträge mit unethischen Ausreden wie „die Fähre ist kaputt“, „schlechte Wetterlage“, „Boot ist in Reparatur“ etc. Seit Jahren wird so deutlich, wie der Staat nicht einmal das in den eigenen Gesetzen vorgesehene Recht auf Konsultation mit einem Anwalt anerkennt.
So bearbeiten wir seit Jahren die verschiedenen Beschwerdeverfahren von Herrn Öcalan vor nationalen und internationalen Gerichten sowie die Einsprüche gegen Disziplinarstrafen, ohne mit ihm Rücksprache halten zu können. Ist das ein rechtsstaatlicher Zustand? Dasselbe gilt für seinen Gesundheitszustand, über den wir als Anwältinnen und Anwälte trotz vielfacher Forderungen nichts in Erfahrung bringen können. Die Krankenakte von Herrn Öcalan wird in den dunklen Ecken Imralıs geradezu wie ein Staatsgeheimnis gehütet.
Wir wissen, dass die Isolation Öcalans zugleich auch die Isolation des Lösungsweges der kurdischen Frage und des auf den Mittleren Osten zentrierten dritten Weltkriegs ist, der ein Produkt der kapitalistischen Hegemonie darstellt. Denn es ist nicht nur ein Mensch, den man seit Jahren auf Imralı von der Außenwelt abzuschotten versucht, sondern auch eine Idee, eine Philosophie und der Freiheitswille der Völker.
Herr Abdullah Öcalan ist im Namen der kurdischen Bevölkerung der Hauptverhandlungspartner, wenn es um die Lösung der kurdischen Frage geht. Somit spielt er auch eine Schlüsselrolle für eine demokratische Zukunft der Türkei. Zudem haben sowohl die Wahlergebnisse vom 7. Juni als auch die Revolution von Rojava unter Beweis gestellt, dass er eine Führungspersönlichkeit für den Freiheitsmarsch der Völker darstellt. Die Isolation einer Person, die über eine solche gesellschaftliche und politische Bedeutung verfügt, kommt einer Isolation aller Unterdrückten und „Marginalisierten“ gleich.
Aufgrund dieser Realität ist auch allein durch die Gestattung von Anwaltskonsultationen oder Besuchen durch Familienangehörige und politische Delegationen die Isolation von Herrn Öcalan noch nicht aufgehoben. Denn die Gefängnisinsel Imralı stellt für sich allein einen Ort der Isolation dar. Deshalb muss dieser Ort geschlossen und müssen für Herrn Öcalan Bedingungen geschaffen werden, die seiner Bedeutung für die kurdische Frage und die Demokratisierung der Türkei entsprechend den notwendigen Fragen der Gesundheit, Sicherheit und Freiheit genügen. Nur in diesem Falle kann von einer Aufhebung der Isolationshaftbedingungen die Rede sein.
Schlussendlich wollen wir festhalten, dass wir das Imralı-Regime und seine seit 16 Jahren anhaltende Willkür, die dem Guantanamo-Gefängnis in nichts nachsteht, nicht akzeptieren werden.
Bijî Berxwedana İmralı! (Es lebe der Widerstand von Imralı!)
Für ein Ende der Imralı-Isolation!