Von Andreas Buro
Was soll das Geschwätz von der Friedensmacht Europa und der Friedenspolitik Berlins, wenn in Wirklichkeit nur Aufrüstung und weltweite militärische Interventionen auf der Tagesordnung stehen.
Im nun etwa 90-jährigen Konflikt zwischen türkischen Staat und seiner kurdischen Bevölkerung, die systematisch einer Zwangsassimilierung mit blutigem staatlichem Terror unterworfen wurde, könnte Deutschland mit seinem Prestige eine wichtige friedenspolitische Rolle spielen. Das kann es allerdings nicht, wenn es aus wirtschaftspolitisch opportunistischen Gründen nur Beihilfe zur türkischen Konfrontationspolitik leistet und die kurdischen Aktivitäten in Deutschland unter dem Vorzeichen Terrorismus einstuft. Dies wird von der Bundesregierung nach wie vor beibehalten, obwohl in diesem neuen Jahrhundert die kurdische Seite mit vielen Aktionen bis zur Gegenwart ihre Bereitschaft zu einer friedlichen Verständigungslösung demonstriert hat.
Friedenspolitik erfordert, auch dem politischen Partner gegenüber eine klare Position zu beziehen. Zwangassimilierung und Konfrontationspolitik gegenüber Minderheiten passen nicht in eine angeblich menschenrechtlich orientierte Landschaft der EU. Diese Botschaft kann nicht deutlich genug nach Ankara gesandt werden. Sie muss allerdings untermauert werden zum Beispiel durch muttersprachlichen Unterricht für die Kurden, die in Deutschland leben, kurz durch die Gewährung aller Rechte, die ihnen in der Türkei vorenthalten werden. Deutschland könnte seinen Bundestagsbeschluss vom 7. November 1991 (BT-Drucksache 12/1362) endlich in die Tat umsetzen. In ihm heißt es: „In der Bundesrepublik lebt eine große Gruppe von Kurden. Auch ihnen muss die Möglichkeit zur Bewahrung und Entfaltung ihrer kultureller Identität gegeben werden.“
Das wichtigste Signal an die Türkei wäre, endlich die hiesigen kurdischen Organisationen, die sich für die Menschen- und Bürgerrechte der Kurden in der Türkei einsetzen, nicht mehr als terroristisch zu kriminalisieren. Dieses Verdikt muss aufgehoben und die entsprechenden Polizeiaktionen zwischen Deutschland und der Türkei beendet werden. Kurdinnen und Kurden, die sich in Deutschland friedfertig politisch organisieren und hier für die Rechte der Kurden in ihrer Heimat eintreten dürfen unter keinen Umständen in die Türkei zurück geschickt werden. In diesem Sinne sollte die Bundesregierung sich auch für eine EU-weite Haltung in dieser Frage einsetzen.
Ankara würde zwar empört reagieren, jedoch genau verstehen, dass eine Politik der Aussöhnung zwischen dem türkischen Staat und seiner kurdischen Minderheit für die EU wie auch für Deutschland eine hohe Priorität hat und nicht aufgrund von Wahlspekulationen blockiert werden darf.
Die Bundesrepublik könnte jedoch mehr tun. Zur Etablierung und Ausweitung von friedenspolitischen Dialogen könnte sie zur Schaffung einer europäischen Dialog-Stiftung beitragen und sogar die Initiative übernehmen. Diese hat vor allem die Aufgabe, Nichtregierungsorganisationen und sozialen und beruflichen Gruppen der Zivilgesellschaft aus der Türkei und EU-Europa miteinander ins Gespräch zu bringen. Dies diente gleichzeitig der Stärkung der Zivilgesellschaft als Ansprechpartner zum Abbau von Konflikten und könnte das Interesse und Engagement an diesem Problem innerhalb der EU ausweiten. Soll die Stiftung ihren Zweck erfüllen, so müssen alle Konfliktparteien ungehindert am Dialog teilhaben können. Dafür sind die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Eine solche Stiftung kann später auch für die Dialog-Vermittlung in anderen Konflikten des Kontinents herangezogen werden und möglicherweise in Kooperation mit der OSZE ihre Schwerpunkte bestimmen.
Wie immer auch die einzelnen Schritte aussehen könnten, die Bundesrepublik ist aufgefordert, endlich sich friedenspolitisch zu engagieren, um in diesem längst überfälligen Konflikt zu einer friedlichen und aussöhnenden Lösung zu gelangen. Militärische Ambitionen wie die Stationierung von Flugabwehrraketen an der syrisch-türkischen Grenze fördern nicht Frieden, sondern dienen eher dem Gegenteil. Im türkisch-kurdischen Konflikt kann Deutschland zeigen, ob sie ihre grundgesetzliche Pflicht, dem Frieden in der Welt zu dienen, bereit ist nachzukommen.
Quelle: Nützliche Nachrichten 10-11/2013 von Dialog-Kreis „Die Zeit ist reif für eine politische Lösung im Konflikt zwischen Türken und Kurden“