Konstruktiver Dialog statt Terrorismus-Stigma

Auch der diesjährige 18. März als Internationaler Tag der politischen Gefangenen ist Anlass, darauf hinzuweisen, dass Aktivist*innen der kurdischen Freiheitsbewegung sowie linker türkischer Organisationen nicht nur in der Türkei die Haftanstalten füllen. Erst Anfang dieses Monats wurde der 71jährige kurdische Aktivist Ali E. auf Anordnung des Oberlandesgerichts Stuttgart verhaftet und in Untersuchungshaft genommen.

Seit 2011 werden auch in Deutschland lebende Kurdinnen und Kurden auf der Grundlage des §129a/b StGB (Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung) angeklagt, inhaftiert und zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Hiervon betroffen sind seitdem 51 Aktivist*innen. Derzeit befinden sich zehn Kurden in deutschen Gefängnissen.

Dem größten Teil der Angeklagten werden keine individuellen Straftaten vorgeworfen, sondern legale politische Tätigkeit kriminalisiert – wie das Organisieren von Veranstaltung und Demonstrationen. Die Strafbarkeit dieser Tätigkeiten sieht die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe allein dadurch gegeben, dass die Personen angeblich in PKK-Strukturen eingebunden seien. Belegt wird dies in den Prozessen im Wesentlichen durch oft monatelang durchgeführte Telefonüberwachungen und Observationen.

Dass Anklagen und Inhaftierungen nach dem §129a/b politisch motiviert sind, zeigt eine Besonderheit dieses Paragraphen: Ermittlungen dürfen erst geführt werden, wenn eine entsprechende Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium vorliegt. Damit bestimmen nicht objektive Maßstäbe darüber, welche ausländischen Organisationen juristisch verfolgt werden, sondern die außenpolitischen Interessen der Bundesregierung.

Der seit über vierzig Jahren andauernde Konflikt zwischen der kurdischen Befreiungsbewegung und dem türkischen Staat wird in Deutschland unter dem Blickwinkel des §129b allein der kurdischen Befreiungsbewegung angelastet. Zwar wird das aggressive Vorgehen des türkischen Staates gegen Kurdinnen und Kurden auch von den Oberlandesgerichten inzwischen kritisiert und das politische Engagement der Angeklagten durchaus anerkannt, doch ändert sich für die Betroffenen dadurch nichts. Sie werden trotzdem zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Diese Haltung ist zynisch.

Die aktuellen Probleme des Mittleren Ostens und die historischen Hintergründe des türkisch-kurdischen Konflikts lassen sich weder mit dem Strafrecht noch durch die Inhaftierung einzelner Personen lösen.

Deshalb ist es längst überfällig, das seit 1993 bestehende PKK-Verbot ebenso abzuschaffen wie die §§129, 129a und b StGB, um der Kriminalisierung die Grundlage zu entziehen und die Energie darauf zu fokussieren, Wege für eine politische Lösung der Konflikte zu finden.

Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, ihre Ankündigung einer menschenrechtsorientierten Außenpolitik auch dann umzusetzen, wenn es um die Beziehungen zum NATO-Partner Türkei geht. Dazu gehört auch, mit kurdischen Organisationen hier in Deutschland in einen konstruktiven Dialog zu treten, anstatt einen großen Teil ihrer politischen Aktivitäten mit der Nähe zu Terrorismus zu stigmatisieren.