Ercan Ayboga, Initiative zur Rettung von Hasankeyf
In den letzten zwei Monaten haben sich zwei Entwicklungen rund um den zerstörerischen Ilisu-Staudamm und das Thema Wasser als Konfliktstoff ergeben. Zum einen handelt es sich um das 6. Weltwasserforum und das Alternative Weltwasserforum (FAME) und zum anderen um eine Petition an die UNESCO gegen den Ilisu-Staudamm.
Die genannte weltweit gestartete Petition an die UNESCO [Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur] wurde von insgesamt vier Organisationen aus dem Mittleren Osten initiiert; und zwar je eine aus der Türkei, dem Irak, Irakisch-Kurdistan und dem Iran. Das Zusammenkommen dieser zivilen Organisationen basiert hauptsächlich auf dem 2011 aufgebauten Netzwerk Ekopotamya, dessen Ziel die Kritik an der Wasserressourcen-Politik der Staaten Türkei, Irak und Iran und die Herausarbeitung von Alternativen ist (www.ekopotamya.org).
Wahrscheinlich ist es ein Novum für eine enge Zusammenarbeit ziviler Organisationen/Bewegungen aus diesen drei autoritär geführten Staaten. Oft haben sich die Zivilorganisationen dieser Staaten direkt an ähnliche Organisationen in westlichen Staaten gewandt und kooperiert. Doch untereinander gab es (fast) keine Beziehungen, was nun langsam, aber sicher überwunden wird. Damit tragen Kampagnen und andere Aktivitäten dazu bei, dass sich die verschiedenen Ethnien besser verstehen und den von den Staaten verbreiteten Nationalismen entgegentreten.
In der seit langem angedachten und vorbereiteten Petition wird die UNESCO, genauer gesagt das Welterbekomitee (WHC –?World Heritage Committee; befindet über die Kriterien für eine Aufnahme in die „Liste des Welterbes“), aufgefordert, für den Erhalt der vom Ilisu-Staudamm bedrohten Welterbestätten aktiv zu werden. Natürlich ist den vier Initiatoren bewusst, dass Stätten nur durch einen Antrag der Zentralregierungen in die UNESCO-Liste von Welterbestätten aufgenommen werden können. Nichtsdestotrotz kann ein ernsthaftes Engagement der UNESCO bzw. des WHC – verursacht durch den Druck der Öffentlichkeit – einige Staaten in Bedrängnis bringen. So ist es notwendig, dass so viele Unterschriften wie möglich zusammenkommen. Hier ist jeder gefragt.
Es ist uns klar, dass der Ilisu-Staudamm hauptsächlich durch Widerstand in der betroffenen Region gestoppt werden kann. Jedoch kann eine solche, international Beachtung findende Petition einen gewissen und wichtigen Beitrag leisten. Mehrere zehntausend oder gar hunderttausende Unterschriften können zudem Bewusstsein bei weiteren Menschen wecken und sie zu Aktivitäten bewegen.
Zwischen dem 9. und dem 17. März 2012 fand in Marseille das seit fast zwei Jahren vorbereitete FAME gegen das 6. Weltwasserforum statt. Nach dem 5. Weltwasserforum vor drei Jahren in Istanbul wurde es zum ersten Mal in der Stadt des Weltwasserrats, des Ausrichters des Weltwasserforums, organisiert, und zwar von Wasserbewegungen wie auch von fortschrittlichen Wasserbetrieben, Kommunen und Regionen. Am FAME nahmen fast genauso viele Menschen teil (bis zu 5?000) wie am offiziellen Wasserforum, was sehr beachtlich ist. In 50 Workshops wurden alle Facetten der politischen Auseinandersetzung um Wasser kritisch behandelt. Dies zeigt das Interesse am wichtigsten Lebenselement unseres Planeten und das immer offenkundiger werdende Scheitern des Weltwasserforums, dessen eigentliches Ziel die Privatisierung von Wasserdiensten und -ressourcen ist. Ein wichtiger Unterschied zum vorherigen Wasserforum war, dass es kaum Menschen gab, die sich beide Foren angesehen haben – auch ein Ausdruck der klarer verlaufenden Fronten zwischen beiden „Seiten“! Ein weiterer Unterschied zu 2009 war der Fakt, dass die UN-Generalversammlung 2010 das Recht auf Wasser als Menschenrecht deklariert hat. Das hat keine Verbindlichkeit, ist aber ein politisches Signal, dass nicht alles unbegrenzt privatisiert werden kann. Doch heißt das lange nicht, dass die Konzerne nun Abschied nehmen von der Wasserprivatisierung. Sie suchen immer nach neuen Wegen; Formen, die auf den ersten Blick nicht wie Privatisierung aussehen.
Mehr Infos:
www.fame2012.org
Link zur Petition: http://www.change.org/petitions/unesco-world-heritage-committee-save-world-heritage-on-the-tigris-river-in-mesopotamia
Eine deutsche Übersetzung der Petition ist in unserer Online-Ausgabe zu finden.
Kurdistan Report Nr. 161 Mai/Juni 2012