Razzien gegen kurdische Einrichtungen und Wohnungen in Dresden und Hannover

PKK-VerbotPressemitteilung, 23.10.2015

Am 21. Oktober 2015 wurden die Räumlichkeiten des Deutsch-Kurdischen Freundschaftsvereins, vier Privatwohnungen und das Ladenlokal eines kurdischen Geschäftsmanns in Dresden sowie eine Privatwohnung in Hannover von der Polizei durchsucht. Während der Durchsuchungen wurde ein anwesender Kurde in Untersuchungshaft genommen.

Bei den Durchsuchungen wurden Türen aufgebrochen, Betroffene teilweise aus ihren Betten geholt oder mit gezogener Waffe derart bedroht, dass mehrere anwesende Kinder eine Zeit lang unter Schock standen. Die Durchsuchungen dauerten mehrere Stunden, bei denen im Freundschaftsverein u.a. Bücher beschlagnahmt wurden.

Bei dem Festgenommenen handelt es sich um einen 44-jährigen Kurden, der sich in den letzten Monaten für die Demokratische Partei der Völker (HDP) engagiert hat. Die HDP organisiert sich auch in Europa und wird von hier lebenden türkischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern unterstützt. Anfang Juli wurde sie mit über 13 Prozent der Stimmen ins türkische Parlament gewählt und verhinderte dadurch die erneute Alleinherrschaft der islamisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP).

Das 1993 erlassene PKK-Verbot wird immer wieder als Grundlage zur Kriminalisierung sozial und politisch engagierter Kurdinnen und Kurden genutzt. Dabei wird nicht nur das Engagement Einzelner, sondern die gesamte kurdische Gesellschaft diffamiert.

Alle Entwicklungen der letzten Jahre im Mittleren Osten, insbesondere die demokratischen Fortschritte bezüglich einer friedlichen Lösung der Kurdischen Frage, werden von der Bundesregierung und den deutschen Behörden ignoriert. Der weltweit unterstützte Aufbau einer demokratischen Gesellschaftsordnung unter gleichberechtigter Einbeziehung aller Ethnien, Religionen und Geschlechter in Rojava (Nordsyrien) wird ebenso wenig anerkannt wie der Widerstand, den die Volks- und Frauenverteidigungseinheiten (YPG und YPJ) gegen den menschenverachtenden Islamischen Staat (IS) leisten. Die konstruktive Rolle, welche die Kurdinnen und Kurden für alle Gesellschaften der Region spielen, drückt sich ebenso im beharrlichen Einsatz der HDP für Frieden und Demokratie in der Türkei aus. Indem die Bundesregierung und die deutschen Behörden an der Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden festhalten, untergraben sie diese Fortschritte – auch hier in Deutschland.

Anstatt die Ursachen von Krieg und Flucht im Mittleren Osten selbst zu verhindern, besuchte die Bundeskanzlerin Merkel am vergangenen Wochenende die Türkei und traf sich mit der AKP-Regierung und dem türkischen Staatspräsidenten Erdoğan. Zwei Wochen nach dem Terroranschlag in Ankara mit über einhundert Toten und zwei Wochen vor den richtungsweisenden Neuwahlen des türkischen Parlaments ist das ein Schlag ins Gesicht der Friedens- und Demokratiebewegung in der Türkei, die selbst unter massiven Verhaftungswellen leidet. Dass der Merkel-Besuch die AKP und Erdoğan in ihrem undemokratischen Vorgehen bestärken werden, liegt offen auf der Hand.

Ein Schelm, wer böses dabei denkt, den Türkei-Besuch der Bundeskanzlerin mit den Durchsuchungen und der Festnahme in Dresden und Hannover in Verbindung zu bringen?

Will die Bundesregierung endlich einen konstruktiven Beitrag für Frieden und Demokratie in der Türkei und dem Mittleren Osten leisten und Fluchtursachen anstatt die Geflüchteten selbst – denn die meisten Kurdinnen und Kurden in der BRD haben selbst Fluchterfahrungen – bekämpfen, muss sie aufhören, die Regime der Region zu unterstützen, und stattdessen die Verfolgung der Kurdinnen und Kurden auch im eigenen Land beenden.

Darum verurteilen wir die Druchsuchungen und die erneute Verhaftung aufs Schärfste.

Wir fordern die Bundesregierung und die deutschen Behörden auf, endlich ihre Verfolgung von Kurdinnen und Kurden aufzugeben und das PKK-Verbot, das die Grundlage der Kriminalisierung ist, aufzuheben.

Alle demokratischen Organisationen und Menschen rufen wir auf, gegen die Verfolgung von Kurdinnen und Kurden, aber auch anderer Menschen zusammen zu stehen.

NAV-DEM – Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurdinnen und Kurden

AZADÎ – Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland

23. Oktober 2015