Pressemitteilung von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V., 02.08.2013
Islamistische Gruppen greifen westkurdische Städte an – Schwere Gefechte zwischen kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und islamistischer Gruppen – nahezu 300 kurdische Zivilisten als Geisel genommen – Grenzstadt Serê Kaniyê von Stromzufuhr abgeschnitten – Ranghoher kurdischer Politiker ermordet
Die gewaltsamen Auseinandersetzungen die am 16. Juli 2013 nach einem Angriff islamistischer Gruppen, darunter der Al-Qaida nahestehenden Al-Nusra-Front, auf die westkurdische Stadt Serê Kaniyê (Ras al-Ain), haben sich in den letztes Wochen nun auf mehrere zumeist oder teilweise kurdische bewohnte Städte und Orte nahe der türkisch-syrischen Grenze ausgeweitet. Die islamistischen Gruppierungen verüben hierbei immer wieder Kriegsverbrechen wie Entführungen und Tötungen von ZivilistInnen, Bombardierung von Stadtteilen, ethnisch bedingte Vertreibung sowie Folter. Der YPG zufolge wurden bei Kämpfen dutzende Mitglieder der islamistischen Gruppierungen und sechs Mitglieder der YPG getötet.
In einer Erklärung des Pressezentrums der YPG vom 01. August heißt es, dass es gestern zu schweren Kämpfen zwischen der YPG und islamistischer Gruppen, darunter der Al-Qaida- nahestehenden ”Al-Nusra Front” und “Islamischer Staat im Irak und Syrien” gegeben hat. Bei den Gefechten die in den westkurdischen Städten Tirbespiye (al-Qahtaniya), Girke Lege (Al-Ma’bada) und Til Ebyed (Girê Spî) stattfanden, wurden demnach sechs Mitglieder der YPG und 69 Mitglieder der islamistischen Gruppen getötet und 20 verletzt.
Angriffe auf kurdische Zivilbevölkerung
Nach den schweren Verlusten der islamistischen Gruppen, haben Kämpfer der Al-Nusra-Front und der Gruppe ”Islamischer Staat im Irak und Syrien” nun mit Angriffen auf die kurdische Zivilbevölkerung begonnen. Sie belagerten und eroberten die Dörfer Tel Hasil (Tall Hassel) und Tel Aran (Tall Aren) im Osten der Provinz Halep (Aleppo) und töteten mit Panzer-, Mörser- und Artillerieangriff über 50 Zivilisten und haben über 300 kurdische Zivilisten als Geiseln genommen. Weitere Informationen über die Situation in den Dörfern werden verhindert, da die islamistischen Gruppen die Telefonleitungen abgeschnitten haben. Die El-Ekrad-Front (bewaffnete kurdische Einheiten, die außerhalb der westkurdischen Siedlungsgebiete agieren) berichtet, dass es massakerartige Übergriffe auf die Kurden in dieser Region gebe. Die Meisten der getöteten und entführten Zivilisten seien Angehörige und Familienmitglieder der Kämpfer der El-Ekrad-Front.
Auch die Grenzstadt Serê Kaniyê wurde zum Ziel der Al-Nusra-Front. Die islamistische Gruppe übernahm am Donnerstag (01.08.2013) die Kontrolle über die Strom-Hauptleitung und hat die Stromzufuhr nach Serê Kaniyê abgebrochen. Dadurch ist es zu Problemen bei der Trinkwasserversorgung in der Stadt gekommen.
Am 30. Juli wurde zudem das ranghohe und prominente Mitglied des Kurdischen Hohen Rats Isa Huso, durch eine Autobombe in der westkurdischen Stadt Qamislo (Qamishli) getötet. Zu der Tat hat sich bisher niemand bekannt. Allerdings werden islamistischen Gruppen hinter der Tat vermutet.
Warum kam es zu den Auseinandersetzungen?
Die schweren Auseinandersetzungen zwischen den islamistischen Gruppen und den KurdInnen entbrannten, nachdem die Mitglieder der Al-Nusra-Front Mitte Juli eine Streife der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) angegriffen hatten. Doch es scheint, dass die islamistischen Gruppen mit diesem Angriff nur den Start für eine breit angelegte Operation gegen die kurdischen Gebiete gegeben haben. Während die Freie Syrische Armee (FSA) im Süden Syrien wichtige Gebiete gegen das Assad Regime verliert, haben die islamistischen Gruppen nun ihren Fokus auf den Norden Syriens und Westkurdistan gelegt. Als strategisch wichtig werden diese Gebiete auch deshalb erachtet, weil die Türkei weiterhin als Rückzugsgebiet und Versorgerin dieser Gruppen fungiert. So haben sich am 26. Juli rund 70 Kommandanten der FSA zu einer Versammlung unter der Gastgeberschaft der Türkei in Dîlok (Gaziantep) getroffen und dabei nicht nur das Assad-Regime sondern auch die Partei der Demokratische Union (PYD), die einflussreichste kurdische Partei in Syrien, zum Gegner erklärt. Auch berichteten Augenzeugen, dass bereits Mitte Juli mehr als 1000 bewaffnete Männer, vermutlich Kämpfer aus der Reihen der Islamisten, die türkisch-syrische Grenze in Richtung Serê Kaniyê passierten.
Laut unterschiedlichen Meldungen planten islamistische Gruppen, die in die Kämpfe gegen die KurdInnen involviert ist, nach dem Ende des Ramadans und nach erfolgter Einnahme der Provinz ar-Raqqah im Norden Syriens ein islamisches Emirat auszurufen. Die kurdischen Siedlungsgebiete sollten Teil dieses Emirates sein. So wird der großangelegte Angriff auf die bisher vergleichsweise ruhigen kurdischen Siedlungsgebiete in Syrien als Teil dieses Planes betrachtet.
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