Was hat sich im Weißen Haus ereignet?

Aslı Aydıntaşbaş, Cumhuriyet, 18.05.2017

Sowohl die Presse in unserem Land als auch die allgemeine Weltpresse kann meines Erachtens den Besuch des türkischen Staatspräsidenten im Weißen Haus nicht richtig deuten. Die Kollegen mit denen ich spreche, erklären das Erdoğan mit „leeren Händen in die Türkei zurückgekehrt“ sei und beim Thema YPG nicht „das Gewünschte erzielt“ habe. Es gibt auch einige, die die Waffenlieferung der USA an die YPG für die Rakka-Operation als ein Beitrag zur „Gründung eines kurdischen Staates“ betrachten oder die Reise Erdoğans als „Skandal“ bewerten. Ich teile beide Analysen nicht. Diese Reise war aus Sicht von Tayyip Erdoğan erfolgreich. Er hat mit Trump das gewünschte Bild vermittelt.

Erdogan dessen Legitimität von der westlichen Welt hinterfragt und diskutiert wurde, stand plötzlich im Oval Office neben dem US-Präsidenten äußerst gelassen. Trump, der es sogar vermied Angela Merkel die Hand zu geben, hat Erdoğan vor der ganzen Welt gelobt und mit seiner amerikanischen Gestik, in dem er seine Hand auf sein Arm legte die Botschaft vermittelt „Ich mag diesen Kerl“. Die Bedeutung dieses Bildes aus Sicht der westlichen Allianz ist die erneute Legitimierung der Position Erdoğans. Trump und Erdoğan sind sich in Hinsicht vom Stil und der Philosophie nicht weit entfernt. Die aufgebaute Beziehung zwischen beiden ist genau die, die der türkische Staatspräsident wollte. Erdoğan möchte nicht Teil der westlichen Wertegemeinschaft werden. Er möchte mit dem Westen eine Beziehung des „Geben und Nehmens“ aufbauen. Der EU-Prozess war der Vorstoß der Türkei Teil des Westens zu werden. Dieser ist zusammengebrochen. Ankara möchte vom Westen nicht beim Thema Menschenrechte und Demokratie unter Druck gesetzt werden. Es möchte eine Beziehung des Geben und Nehmens, in der die Türkei so akzeptiert wird wie sie ist; ein auf Autorität und den Willen eines Mannes beruhenden Staat. Und dies ist auch genau die Art von Beziehung die Trump sich mit Erdoğan wünscht. Dies ist nun eingetreten. Die Türkei arbeitet in Washington mit Lobbyfirmen zusammen. Eines der Empfehlungen dieser an Erdoğan war es, anstatt mit einem harten Ton wie „Warum gibt ihr der YPG Waffen“, den US-Präsidenten zu loben. Eine intelligente Taktik. Denn der US-Präsident, der die Medien in seinem eigenen Land niedermacht, liebt es gelobt zu werden. Erdoğan begann seine Rede mit dem „historischen Sieg“, den Trump in den Präsidentschaftswahlen erzielt habe. Wir sahen wie verzückt der US-Präsident darauf reagierte. Beide Führungspersonen haben einen inoffiziellen Stil und handeln aus persönlichem Empfinden, was bei den Amerikanern als „Dealmaker“ bezeichnet wird. Die Beziehung von Erdoğan mit Putin und Trump läuft nicht auf der Ebene von Staat zu Staat, sondern vom Präsidenten zum Präsidenten. Und das möchte er auch…

Nun zum Punkt Rakka… Die Amerikaner schlagen der Türkei folgendes vor: „Wir machen in Rakka mit der YPG weiter, aber gegen die PKK geben wir euch geheimdienstliche Informationen, Waffen und Satellitenbilder“. Es gibt keinerlei Garantie für die Zukunft der Kurden. Dagegen sieht es so aus, als ob die USA grünes Licht für die Vertiefung der Operationen Ankaras im Sindschar-Gebiet (Irak) gegeben haben. Was bedeutet dies? Es bedeutet den Wechsel von einer Phase, in der man mehr auf Sicherheitspolitik bei der kurdischen Frage setzte, in eine Phase in der es verstärkt Bombardements und langanhaltende militärische Operationen gegen die PKK geben wird. Meines Erachtens ist dies eine Formel die Ankara bevorzugt. Zudem hat die amerikanische Seite der Türkei wohl garantiert, dass nach der Rakka-Operation die Stadt nicht von der YPG verwaltet wird und in Syrien kein „kurdischer Staat“ gewünscht ist. Ungeachtet des in der Öffentlichkeit vorgespielten Wirbels, die Türkei möchte gar nicht mit ihren Streitkräften an der Rakka-Operation teilnehmen. Dies wollte sie nie. Es gibt im Staat einen Kreis, der die YPG als Feind betrachtet und sich heimlich freut, dass die YPG in der Rakka-Operation an Stärke verliert. Aus diesem Grund denke ich, dass die gegenwärtige Vereinbarung für Erdoğan nicht „unannehmbar“ ist.

Was wurde bei diesem Treffen nun nicht besprochen? Es wurde nicht über die 13 festgenommenen Journalisten der Zeitung Cumhuriyet gesprochen. Es wurde nicht über Werte gesprochen. Es wurde nicht über die Qualität von Demokratie gesprochen. Es wurde nicht über den EU-Beitritt der Türkei gesprochen. Seien sie sich sicher; es wurde nicht über die Situation der Menschenrechte in der Türkei gesprochen. Wenn es auf der Tagesordnung des Treffens Pressefreiheit gab, dann haben sich wohl beide gegenseitig über die „schlechte Presse“ beschwert. Wenn es irgendwie bei dem Treffen um Menschenrechte ging, dann nur die Forderung nach Freilassung des US-amerikanischen Pfarrers Andrew Brunson. War es nicht genau dieser Neuanfang, den Ankara mit dem Weißen Haus wollte?