Zehn Jahre Rojava-Revolution: Was tun?

Der 19. Juli 2012 markiert den Beginn einer der bedeutendsten Revolutionen des 21. Jahrhunderts: Die Revolution von Rojava. An jenem Tag entstand mit dem Aufstand in Kobanê ein emanzipatorisches und gesellschaftliches Projekt, das nicht nur für Syrien und den Nahen Osten, sondern letztlich die ganze Welt ein Leuchtfeier der Hoffnung darstellt. Den Menschen in der Demokratischen Föderation Nordostsyrien ist es nicht nur gelungen, die Barbarei des sogenannten IS zurückzuschlagen – ihr neu organisiertes Zusammenleben eröffnet Perspektiven für eine gerechtere, friedlichere und freiere Welt.

Mit Blick auf den zehnten Jahrestag der Revolution haben Zübeyde Zümrüt und Engin Sever, die Ko-Vorsitzenden des kurdischen Dachverbands Kon-Med, nun unter dem Titel „Was tun?“ einen Appell mit Vorschlägen vorgelegt, wie dieser Tag begangen werden kann. Außerdem schlagen sie angesichts der derzeitigen Krisen vor, sich zur Vorbereitung und Positionierung in Zeiten des Wandels auf die Suche nach alternativen Gesellschaftsmodellen zu machen. Die Revolution von Rojava könne hierbei ein leuchtendes Vorbild sein:

„Am 19. Juli 2022 wird die Revolution in Rojava das zehnjährige Bestehen feiern. Eine Revolution, die durch jahrzehntelange Vorarbeit des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan vorbereitet wurde, konnte vor zehn Jahren während des Arabischen Frühlings und inmitten des syrischen Bürgerkriegs zum Vorschein treten und erblühen. Die staatlichen Kräfte zogen sich aus der Region zurück und die gebildeten Selbstverteidigungskräfte begannen Stück für Stück den sogenannten Islamischen Staat (IS) zurückzuschlagen. Währenddessen begannen die Menschen selbstverwaltete Strukturen zu schaffen, die alle Ethnien und alle Glaubensgemeinschaften vor Ort einbezogen. Je weiter der IS zurückgedrängt wurde, desto breiter wurde die gesellschaftliche Organisierung in Rojava.

Wie ist die Situation der Revolution in Rojava nach fast zehn Jahren?

Weder die ständigen Angriffe des IS und des türkischen Staates noch das umfassende wirtschaftliche Embargo, mit dem Rojava konfrontiert ist, konnten die Menschen einschüchtern. All diesen Aggressionen trotzend baute die Bevölkerung der Region Schritt für Schritt eine Selbstverwaltung auf, die auf der Idee des nicht-staatlichen Konzepts des demokratischen Konföderalismus beruht.

Die drei Grundpfeiler des demokratischen Konföderalismus – Frauenbefreiung, soziale Ökologie und Basisdemokratie – stets vor Augen haltend, wurden alle Bereiche des Lebens neu organisiert. Es wurde ein alternatives Bildungs-, Gesundheits- und Rechtssystem geschaffen. Auch ein alternatives Wirtschaftsmodell, welches den Aufbau von Kooperativen in sein Zentrum stellt, breitet sich immer weiter aus. Das Mitspracherecht eines jeden Bürgers, einer jeden Bürgerin, wird durch die geschaffenen Kommunen und Räte sichergestellt. Nicht zuletzt ist die organisierte Selbstverteidigung ein wichtiger Faktor zum Schutz der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien.

Was bedeutet die Revolution in Rojava für uns?

Rojava wurde vor allem bekannt durch den Kampf der YPG und YPJ (Volksverteidigungseinheiten und Frauenverteidigungseinheiten) gegen den IS. Doch die Bedeutung dieser Region geht weit über den bewaffneten Widerstand, der dort geleistet wurde, hinaus. In Rojava wurde nicht nur die Welt vor dem dschihadistischen Terror geschützt, dort wurde auch ein demokratisches Modell geschaffen, das für Menschen weltweit eine Hoffnung darstellt. Denn die Revolution von Rojava hat zwar ihren Ausgangspunkt im Mittleren Osten, stellt aber durchaus ein System dar, welches global gedacht und gelebt werden kann.

Wir leben heute in Zeiten, in der eine Krise von der nächsten gejagt wird. Nahezu jeden Tag scheinen neue Bedrohungen aufzukommen, die die gesamte Menschheit gefährden. Wir befinden uns tatsächlich am Rande eines Zeitenwandels. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sich auf die Suche nach alternativen Gesellschaftsmodellen zu begeben. Die Revolution von Rojava kann hierbei ein leuchtendes Vorbild für uns alle dienen.

Was tun?

Die Revolution an sich und ihr zehnjähriger Widerstand sind nur durch die internationale Solidarität, die sie von Anfang begleitet hat und die sie auch heute noch erfährt, möglich gewesen. Dementsprechend rufen wir als Kon-Med dazu auf, dass der 19. Juli 2022 als Anlass genommen wird, um hier in allen Städten, in allen Dörfern und überall, diesen Tag, als Tag der Revolution zu feiern. Organisiert große und kleine Straßenfeste, Konzerte oder andere Veranstaltungen. Vernetzt euch mit lokalen Strukturen zu bestehenden Soli-Komitees und baut Kontakt zu unseren lokalen Vereinen und Rätestrukturen auf. Wenn ihre Hilfe braucht, könnt ihr auch gerne auf uns zu kommen. Die Revolution von Rojava ist unsere gemeinsame Revolution! Ihr zehnjähriges Bestehen ist deshalb auch Anlass genug, um gemeinsam zu feiern! Bijî Şoreşa Rojava!”

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