Berichte der Wahlbeobachtungsdelegationen aus Deutschland

secim-pusulasiCivaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V., 02.11.2015

Bei den Neuwahlen in der Türkei erreicht die Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) mit etwa 49% die absolute Mehrheit. Wie auch schon bei den letzten Parlamentswahlen am 7.Juni gelingt der Demokratischen Partei der Völker der Einzug ins Parlament. Aus dem Ausland verfolgten insgesamt 300 freiwillige Wahlbeobachter die Parlamentswahlen, überwiegend in den kurdischen Gebieten. Davon reisten etwa 80 Personen aus Deutschland an, unter ihnen auch mehrere Bundestagsabgeordnete, Journalisten und Anwälte, die in den Provinzen Êlih (Batman), Şirnex (Şirnak), Wan (Van) und Colêmerg (Hakkari) eingesetzt waren.

In den kurdischen Siedlungsgebieten der Türkei wurde der Urnengang unter den Bedingungen eines Belagerungszustands begangen. Aus diversen Berichten der Wahlbeobachtungsdelegationen wird deutlich, dass in und vor den Wahllokalen uniformierte und nicht-uniformierte Polizei, Militär und Dorfschützer präsent waren, die einschüchternd auf die Wählerinnen und Wähler wirkten. Das Bild an den Wahllokalen wurde also von bewaffneten Sicherheitskräften geprägt. Auch die Wahlbeobachter selbst waren den türkischen Sicherheitskräften ein Dorn im Auge. Mehrere Menschen aus den Wahlbeobachtungsdelegationen aus Italien und den USA wurden zwischenzeitlich festgenommen, in unzähligen Fällen wurde den Beobachtern der Zugang zu den Wahllokalen aus willkürlichen Gründen verwehrt.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz gaben die beiden Co-Vorsitzenden der HDP, Figen Yüksekdag und Selahattin Demirtas, ihre erste Bewertung zu den Wahlen ab. Beide Co-Vorsitzenden betonten die unfairen und ungleichberechtigten Wahlkampfbedingungen. In der Folge von 258 getöteten Zivilisten von denen 33 minderjährig waren, Bombenanschlägen in Ankara und Suruc, über 500 inhaftierten HDP-AktivistInnen und Anschläge auf über 100 Wahlkampfbüros des HDP, „entschloss man sich keinen Wahlkampf mehr zu führen, so Yüksekdag. Selahattin Demirtas resümierte das Ergebnis folgendermaßen, „Wir haben es zwar geschafft gegen die Massaker und den Faschismus zu bestehen, jedoch wäre es mir lieber gewesen, dass kein Mensch sein Leben verloren hätte und wir unter der Wahlhürde geblieben wären“.

Zu den einzelnen Delegationsberichten der Wahlbeobachter gelangt ihr im Folgenden.

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Bericht der WahlbeobachterInnen in Êlih (Batman)

Empfang und Bericht zur Situation durch den HDP Co-Vorsitzenden Abdulbari Karagac im HDP-Büro Êlih:

Die Provinz Êlih hat 1279 Wahlurnen, davon 672 in der Stadt Êlih. In 5 Stadtteilen wurden trotz der Entscheidung der YSK Wahlbezirke zusammengelegt. Dies verwirrt Wähler, insbesondere wenn sie Analphabeten sind, nicht im Internet das Wahllokal finden können etc.

Zum ersten Mal ist die HDP in allen Wahlvorständen an den Urnen vertreten. (An jeder Wahlurne sind 2 Staatsbedienstete und die Parteienvertreter mit über 10 % Stimmenanteil in der letzten Wahl)

Im Wahlvorstand der Provinzen sind erst nach 2 Jahren die Parteien als Vertreter zugelassen, HDP-Vertreter derzeit nicht.

Der Abstand zu den Wahlurnen für die Polizei und Soldaten wurde von 50m auf 15m reduziert.

In Êlih sind 5000 ehrenamtliche HDP-Mitarbeiter unterwegs. In der Stadt sind 312.429 Wahlberechtigte.

Die beiden Bürgermeister von Êlih sind ihres Amtes enthoben. Zusammen mit 26 anderen wurden sie festgenommen, als sie eine Konfrontation in einem Sperrgebiet schlichten wollten. Der Wahlkampf der HDP wurde insgesamt massiv behindert und HDP-Anhänger eingeschüchtert.

Beobachtete Wahllokale

8.20 Uhr Yeniyol (Kurtik) 90 Wähler 1 Urne Wahllokal noch nicht vorbereitet

8.30 Uhr Wahllokal Turgut Ozal Ilkokulu in Ikiköprü (bei Besiri) mit 1800 Wahlberechtigten. 3 Wahlurnen, Soldaten auf dem Schulhof

8.45 Uhr Ortaokul mit 2 Wahlrunen Wahlzettel liegen verdeckt auf dem Tisch, damit bei der Übergabe an den Wähler nicht mit dem Daumen auf eine bestimmte Partei gezeigt werden kann. Diese neu Regel wurde nicht überall eingehalten. Die Briefumschläge haben 3 Stempel, von Ankara, Êlih und Lokal hier von Besiri. Nach dem Wahlgang unterschreibt der Wähler seinen Wahllisteneintrag (hilfsweise Fingerabdruck).

Auf dem Schulhof wollen 3 Soldaten unsere Berechtigung sehen. Wir zeigen das Schreiben vom MdB Kindler (Entsendung als objektiver Wahlbeobachter auf Türkisch und Deutsch).

Anschließend kommt der seines Amtes enthobene Bürgermeister, Osman Karabulut, zu uns. Er berichtet, dass er vor eineinhalb Monaten mit anderen mit Erlaubnis des Kommandanten (Binbasi) in ein Sperrgebiet (Güvenli Bölge) zur Schlichtung einer Auseinandersetzung mit Soldaten gefahren sei. Er wurde mit 25 anderen festgenommen, musste 4 Tage in Sassun in Gefangenschaft im Stehen und unter Schlafentzug verbringen, wurde dann 13 Tage im Gefängnis Êlih psychisch unter Druck gesetzt und anschließend nach Kirikale (Frauen nach Sincan) gebracht und dort physisch misshandelt. Vor einer Woche wurden alle freigelassen. Er erklärt, dass er sich physisch erholt hätte. Wir beobachten ein Zittern, seinen herabhängenden linken Arm stützt er mit seiner rechten Hand ab.

Der Gouverneur hat das Innenministerium informiert, von dort wurde er des Amtes enthoben.

9.00 Uhr Yeniyol (Kurtik) s.o. Man kennt sich, es gibt eigentlich nur 2 Nachnamen auf der Wählerliste

Fahrt von nördlich von Êlih in den Süden der Provinz Êlih

10.40 Uhr Gercüs 75 Wahlurnen im Kreis Gercüs davon 10 in der Stadt. Der Co-Bürgermeister berichtet, dass 60 Berufssoldaten in den Kreis verlegt wurden. Das jüngste Opfer des Anschlags von Ankara, 9 Jahre alt, stammt aus Gercüs. Im Kreis gibt es viele Mahalmis, Menschen arabischer Herkunft.

11.40 Uhr Hisar Köy (Hêsarê) 450 Wähler Wahlurne 1042 226 Wahlberechtigte 160 abgegebene Stimmen.Vor der Schule stehen Berufssoldaten. Wahlurne 1043 ohne CHP-Vertreter. Die HDP-Co-Vorsitzende von Êlih begrüßt uns.

12.00 Uhr Kömürcü Vor der Schule stehen Soldaten und 2 Dorfschützer (mit Maschinengewehr, unter der Anzugjacke seine Weste in Tarnfarbe) Dorfbewohner haben auf dem Schulhof eine Sitzrunde aufgebaut. Wahlurne 1053 von 150 Wahlberechtigten zurzeit 100 gewählt. Im Wahlvorstand an der Urne sitzt ein Imam als Staatsbediensteter (Memur). Er spricht uns an, fragt ob die Aberkennung von Stimmen der LePen Partei in Frankreich demokratisch sei. Er erklärt, Demokratie sei Unrecht („zülüm“). Er will uns provozieren. Wir brechen das Gespräch im Wahllokal ab.

12.50 Kayapinar Dorf wird überwiegend von Mahalmis bewohnt, der HDP-Begleiter erklärt, hier wird regierungstreu gewählt. Wahlurne 1011 und 1012 haben ca. 60% schon gewählt. 1240 Wahlberechtigte in Kayapinar.

13.25 Gercüs Wahlurne 1002 und 1001 knapp 70 % gewählt.

14.20 Hasankeyf Hier wurde bei den letzten Kommunalwahlen mehrfach der Strom abgestellt (offiziell sollen 4 Katzen nach einander im Trafohäuschen Kurzschlüsse verursacht haben) Der HDP-CoVorsitzende, Ritvan Ayhan, durch die Manipulationen knapp nicht gewählter HDP-“Bürgermeister“ erzählt uns, dass er in 5 Dörfern um Hasankeyf (Büyükdere, Uzundere, Karaköy, Topluköy, Tepebasi) Soldaten mit Waffen in den Wahlräumen gesehen hat. Sie haben im Wahlraum mit dem Wahlvorstand gefrühstückt und sind dann geblieben.

Wir besuchen die Atatürk Ilkokulu. Am Eingang werden wir von einem Menschen in Zivilkleidung angesprochen. Die Polizei prüft unsere Namen mit unseren Pässen in der Liste der angemeldeten Wahlbeobachter. Erst nach Vorzeigen des Begleitschreibens vom MdB werden wir eingelassen.

Wahlurne 1001 der Parteivertreter der MHP bzw. CHP fehlt. Hier haben um 15 Uhr 230 von 328 Wahlberechtigten gewählt. Insgesamt hat Hasankeyf 6 Wahlrunen.

Beim Verlassen werden auf dem Schulhof von der Polizei aufgefordert, noch einmal unsere Pässe zu zeigen, sie wollen unsere Passnummern notieren und fotografieren die Pässe.

15.50 Êlih Gymnasium im wohlhabenden Bezirk. Wahlurne 1205 mehrere Wahlbeobachter Gruppen waren in Êlih von der Polizei am Zutritt zu den Schulen gehindert worden. Wir haben Zutritt. Die HDP Schulverantwortliche berichtet, dass es wegen der Zusammenlegung von Wahlbezirken Probleme gab, siehe oben. Zwar konnten die Wähler ihren Eintrag im Wahlverzeichnis finden, nur wenn sie den Hinweisen folgen konnten (Internet-Recherche des Wahlbezirks, schriftliche Verweise am alten Wahllokal auf den neuen Wahlort) haben sie wählen können.

In 1205 können wir als Beobachter bei der Auszählung im Wahlraum bleiben.

Ab 16 Uhr wurde das Schulgelände von der Polizei versperrt. Wir beobachteten, dass von der Polizei Menschen hinausgeführt wurden.

Ab 17.00 Schule haben sich nach den ersten Auszählungen die HDP-Vertreter mit ihren Kopien der Wahlergebnisse getroffen.

Wir sind dann ins HDP-Büro gefahren.

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Bericht der WahlbeobachterInnen in Êlih-2 (Batman)

Wir sind als insgesamt achtköpfige Wahlbeobachtungsdelegation nach Êlih gefahren. Dieser Bericht bezieht sich auf die Beobachtungen von vier Beobachter*innen, die in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Unsere allgemeinen Informationen sind unsere eigenen Beobachtungen, aber auch die Schilderungen von Dritten.

Allgemeine Informationen

Laut Schilderungen sind wegen des vorherrschenden Konflikts in der Osttürkei im Vorfeld der zweiten Wahlen 108 Zivilisten ums Leben gekommen. Außerdem wurden in der Stadt und der Provinz Êlih drei Bürgermeister*innen kriminalisiert, verhaftet und abgesetzt. Einer der Drei wurde laut eigener Angaben im Gefängnis gefoltert. Unzählige ehrenamtliche Wahlmitarbeiter*innen mussten durch die HDP eingesetzt werden. Laut eigenen Aussagen hatte das dortige Parteibüro eine Woche Zeit, um die Wahlen vorzubereiten.

Uns wurde des Weiteren geschildert, dass Wahllokale zusammengelegt wurden. Uns wurden in Verbindung damit Fälle bekannt, die dadurch falsche Adressangaben auf ihren Wahlbenachrichtigungen hatten und es ihnen erschwert wurde, die richtigen Wahllokale zu finden.

Laut lokaler Angaben gab es im Ort und der Provinz vor der Wahl ein erhöhtes Polizei und Militäraufgebot. Selbst konnten wir am Wahltag eine hohe Präsenz von Polizei und Militär beobachten. Vor allem vor den Wahllokalen haben wir an allen Standorten viel Polizei bzw. Militär, größtenteils mit automatischen Waffen, gesichtet. In mehreren Fällen haben wir auch Zivilpolizei angetroffen die schwer bewaffnet war. Außerdem wurde der Einlass der Wahlbeobachter*innen in die Wahllokale seitens der Polizei willkürlich entschieden.

Beobachtungen am Wahltag:

Yavuz Selim Ilkokulu und Ortaokulu

Normale Polizei kontrolliert Eingänge, unabhängige Beobachter*innen dürfen Wahllokal nicht betreten. Schule wirkt von außerhalb nicht barrierefrei. Nach Diskussion zwischen unserem Anwalt und der Polizei, wird uns fehlender schriftlicher Nachweise der Eintritt untersagt.

Wahlbezirk 2147

Ein Mann geht mit mehreren Frauen zusammen in die Kabine. Nach Hinweisen der Mitarbeiter findet Wahl rechtens statt.

Petrol Ilkokulu

Polizei kontrolliert Eingänge, unabhängige Beobachter*innen dürfen Wahllokal nicht betreten. Schule wirkt von außerhalb nicht barrierefrei.

Mayis Ortaokulu

Wahlbeobachter wurden bei Betreten des Gebäudes abgetastet. Polizei kontrollierte bei Allen die IDs. Sie selbst befanden sich im Wahlraum, wurden dann allerdings rausgebeten. Es war sehr voll, dadurch entstand Gedrängel.

Atatürk Lisesi/Wahlbezirk 2117-2123

Nicht barrierefrei. Außerdem wurden Personalien der Wahlbeobachter kontrolliert und abfotografiert.

Ziya Gokalp Ortaokulu

Einzige barrierefreie Schule.

HDP vor Ort berichtet uns, dass AKP Hausrecht ausübt und HDP rauswerfen will. Sie ist dabei aber nicht erfolgreich.

Mesliki Ve Teknik Anadolu Lisesi

Polizei vor und im Gebäude; die 15-Meter-Abstand-Regel wird eingehalten. Schule ist nicht barrierefrei. Nach Personenkontrolle werden wir von der Polizei nach draußen begleitet.

Fatih Anadolu Lisesi/ Wahlbezirk 1368-80

Wahlbeobachter werden nicht reingelassen.

Adem Ilic / Wahlbezirk 1143-56

Voll und Gedrängel. Wahlvorstand meint, dass Wahlbeobachter gegen die Regeln anwesend sind, daraufhin werden wir rausgeschmissen.

Petrol Ortaokulu

Zweiter Versuch, Ausweise werden kontrolliert, Einlass nicht gewährt.

Polizei drängt Jungen unter Anwendung von Gewalt vom Gelände, Schreie und Tumulte. Geschilderter Grund = Junge rauchte vor dem Wahlgebäude. Video liegt vor.

Stadtteil Gültepe/ Gültepe Ilkokulu

Kein öffentlicher Zugang zur Auszählung. Tor abgesperrt. Bilder liegen vor. Jugendliche schildern, dass sie von der Polizei bedroht wurden, damit sie den Ort verlassen. Nur Polizei und Wahlkomitee im Gebäude.

Einschätzung der Situation

Im Ort Êlih und Umgebung wirkte die Situation durch enormen Einsatz von Sicherheitskräften einschüchternd auf uns. Beobachtungen konnten nicht im ausreichenden Masse ausgeführt werden, da uns die Polizei darin behinderte.

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Bericht der WahlbeobachterInnen in Êlih-3 (Batman)

Aufgrund der gescheiterten Koalitionsverhandlungen nach denn Parlamentswahlen in der Türkei m 07.06.2015 wurden am 01.11.2015 Neuwahlen angesetzt. Dazu reisten wir drei Tage vor den Wahlen in der Stadt Diyarbakır an.Wir fuhren an dem Abend mit zwei Taxis zu unseren Gastgeber und warteten zu Dritt vor seinem Haus bis die anderen nachkoammen. Ungefähr fünf Minuten später hielten insgesamt drei Panzerfahrzeuge der Polizei an, umzingelten uns bewaffnet und fragten uns mehrmals nach dem Grund unseres Aufenthaltes. Wir gaben an, zu touristischen Zwecken da zu sein, da wir die Befürchtung hatten, als Wahlbeobachter über die Zeit festgehalten zu werden. Bevor sie uns nach einer Stunde gehen ließen, kontrollierten sie unsere Ausweise und gaben etwas telefonisch durch. Von dem anfänglichen Befehl unsere Gepäck zu durchsuchen lassen nahmen sie Abstand. Meine Wahlbeobachtungsgruppe hielt sich an den Randortschaften von Batman in Sason, Bekiran, Kamışlı, Karaoğlak und Kozluk auf.

Auf dem Weg von Sason nach Bekiran wurden wir von der Polizei angehalten. Wir wurden gefragt, wer wir sind und was wir hier machen. Wir gaben an unabhängige Wahlbeobachter zu sein, sie kontrollierten unsere Ausweise und nahmen unseren Fahrer fest. Einer unserer Begleiter hatte zum Glück einen Führerschein, sodass er das Steuer übernahm. Wir mussten den Polizeiwagen bis zu Wache folgen, da sie unsere Ausweise einbehielten. Nach etwa zwei Stunden gaben sie uns unsere Ausweise zurück und sie konnten die Wahlbeobachtung mit viel Zeitverzug fortsetzten.

In den Wahllokalen, die wir aufsuchten konnten wir auf den ersten Blick in den Wahlzimmern keine Verstöße feststellen, jedoch standen vor den Gebäuden des Öfteren gepanzertes Militärfahrzeuge und vor den Schulen befanden sich schwerbewaffnete Soldaten und Polizisten, dabei haben wir auch viele bewaffnete Zivilpolizisten gesichtet. Bei der Auszählung waren wir in dem Wahllokal eines Bekannten unseres Begleiters, da uns die Wahlleiter grundsätzlich nicht in die Zimmer reinließen.

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Bericht der WahlbeobachterInnen in Şirnex (Şirnak)

Unsere Gruppe bestand aus 4 Wahlbeobachter_innen, die am Wahltag in Sirnak eingesetzt waren. Gegen 09:00 Uhr erreichten wir das erste von besuchten 13 Wahllokalen. Die Wahlen fanden in staatlichen Bildungseinrichtungen (Schulen, Grundschulen, Universitäten) statt. Eins der Wahllokale wurde im Vergleich zur letzten Wahl innerhalb von Sirnak verlegt. Nur einmal gab es Schwierigkeiten, uns den Zugang zur Schule zu ermöglichen. Nachdem wir nicht aufgelistet waren, konnten wir das Gebäude erst nach Abgabe unserer Pässe betreten, die uns beim Verlassen wieder ausgehändigt wurden.

Vor mehreren Wahleinrichtungen kontrollierte die Polizei die Ausweise der Wähler_innen. Am Eingang eines Wahllokales befanden sich mindestens zwei vermummte, ungekennzeichnete und schwerbewaffnete Männer (vermutlich Spezialeinsatzkräfte der Polizei/ des Militärs), die wenige Minuten nach unserem Eintreffen den Bereich in zwei zivilen Geländewagen verließen. Im selbem Lokal hat ein Polizist zeitweise das Wählen nur bei Vorzeigen des Wahlbescheides und Personalausweises erlaubt. Das zulässige Wählen nur mit Personalausweis wurde dadurch unterbunden. Weiterhin wurden wir dort mit der Begründung, wir würden den Wahlablauf stören, aufgefordert den Raum in dem sich die Wahlurne befand, zu verlassen. Zudem wurden durch Zivilpolizisten auch an diesem Ort versucht unsere Namen mit einer „offiziellen“ Liste zu vergleichen. Außerdem versuchten diese die Handynummer unserer Begleitperson zu erfahren.

Vor, sowie in allen besuchten Wahleinrichtungen hielten sich bewaffnete Polizisten, teilweise sogar mit Maschinenpistolen und Sturmgewehren, auf. Trotz dieser Beobachtungen, liefen die Wahlen nach unserer Einschätzung, ohne größere Schwierigkeiten ab. Auch auf Nachfrage bei Wahlhelfer_innen und Wählenden wurden uns keine, den Wahlablauf behindernden, Vorkommnisse geschildert. Laut Aussage der Helfenden vor Ort gab es im Vergleich zur vorangegangenen Wahl keine nennenswerten Abweichungen der Wahlbeteiligung.

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Bericht der WahlbeobachterInnen in Silopi (Provinz Şirnex/Şirnak)

Besuchte Wahllokale: 10 (8 in der Stadt 2 in Dörfern) von ca. 40.

Allgemeiner Eindruck:

Keine grossen Störungen, alles geordnet und diszipliniert (pünktliche Öffnung der Wahllokale, genügend und gut geschulte Wahlhelfer, Wahlunterlagen vollständig, etc). Zu sehr früher Stunde sehr hohe Wahlbeteiligung. Eine Auszählung wurde beobachtet, Eindruck dass transparent und fair ablief.

Probleme:

Polizei in zivil (manche mit Handfeuerwaffen ausgestattet) in den Wahllokalen und vereinzelt in unmittelbarer Nähe der Urnen. Eine Stunde Überprüfung unserer Legitimität  durch Polizeichef. Schließlich grünes Licht durch verantwortliche Richterin für den Wahlbezirk, nachdem unsere Personalien festgehalten wurden.

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Bericht der WahlbeobachterInnen in Elkê (Beytüşşebap, Provinz: Şirnex/Şırnak)

Von den lokalen HDP Mitgliedern erfuhren wir, dass die vorherige Wahl im Juni 2015 technisch und formell keinerlei Auffälligkeiten aufwies. Da es im Vorfeld der Neuwahlen in der Türkei im Allgemeinen, aber insbesondere auch in der Gegend um Elkê zu einigen gewalttätigen Zwischenfällen gekommen war, war es nicht leicht einzuschätzen, ob es dieses Mal ebenso unauffällig verlaufen würde.

Im gesamten Bereich Elkê befanden sich 44 Wahlurnen, von denen zum Teil mehrere in einem Gebäude untergebracht waren. In der Stadt selber standen zehn der Urnen an insgesamt drei Standorten (allesamt Schulen). Vor Beginn der Abstimmung (gegen 6.30 Uhr) besuchten wir die beiden Schulen, die dem Büro der HDP am nächsten liegen und zu Fuß erreichbar waren (Cumhuriyet Ilkokulu und Lise). Auf dem Gelände der Schulen, aber auch innerhalb der Gebäude und Wahlräume fiel die große Zahl bewaffneter Polizisten auf (jeweils ca. 10 Polizisten, zum Teil in Zivilkleidung). Es waren keinerlei Mängel an den Wahlurnen- oder Kabinen festzustellen. Es waren noch nicht alle Wahlzettel in den einzelnen Wahlräumen eingetroffen, aber alle Anwesenden Wahlhelfer (überwiegend von der HDP) versicherten uns, dass es keinen Mangel an Stimmzetteln oder anderem Wahlmaterial gab.

Gegen 7.30 Uhr begannen wir mit der Beobachtung des Wahlprozesses. Dazu begaben wir uns zunächst erneut in die beiden nächstgelegenen Schulen, in denen die Vorbereitungen mittlerweile abgeschlossen waren und die Abstimmung pünktlich begonnen hatte. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich nach wie vor bewaffnete Polizisten in einem der Wahlräume der Cumhuriyet Ilkokul. Die starke Präsenz von bewaffneten Sicherheitskräften (zum Teil auch Panzerfahrzeuge) setzte sich auch in nahezu allen weiteren Wahllokalen fort, wobei wir in keinem weiteren Fall Bewaffnete in den eigentlichen Wahlräumen, sondern ausschließlich davor beobachtet haben. Die Sicherheitskräfte wirkten größtenteils unbeteiligt und schienen die Wähler_innen nicht aktiv zu beeinflussen oder Listen irgendeiner Art zu führen. Dennoch wirkte ihre ständige Präsenz auf uns bedrohlich. In den innerstädtischen Wahllokalen (Urnen 1001-1010) waren jeweils Vertreter_innen von HDP und AKP nebst den Beamt_innen anwesend. In den Dorfwahllokalen waren außer den (vermeintlich) unabhängigen Beamten nur Vertreter_innen der HDP zugegen. Für einige Wähler_innen, die einen weiteren Weg zum nächstgelegenen Wahllokal zurückzulegen hatten, stellte die HDP Busse bereit. Keines der von uns besuchten Wahlbüros hatte (nach Angabe der jeweiligen Wahllokal Vorsitzenden) mit mehr als ein paar Minuten Verspätung geöffnet. Bei der Ausweiskontrolle, Aushändigung der Stimmzettel und dem Urnengang beobachteten wir nirgends besondere Vorfälle. Einigen älteren und behinderten Wähler_innen war eine Vertrauensperson beim Wahlvorgang behilflich und begleitete die Person auch in die Wahlkabine.

Nach der Rückkehr ins Zentrum von Elkê gegen 14 Uhr wollten wir zu einem zweiten Durchgang aufbrechen. Wir begannen erneut in der Cumhuriyet İlkokul. Dieses Mal wurden wir jedoch von Polizisten aufgefordert unsere Ausweise und Akkreditierung als Wahlbeobachter_innen vorzuzeigen. Da wir über letztere nicht verfügten, wurden wir in das Büro des Distriktgouverneurs geladen. Dort wurden unsere Personalien aufgenommen und nach circa einer Stunde wurden wir wieder gehen gelassen. Ab diesem Zeitpunkt war es uns allerdings untersagt die Gelände der Wahllokale zu betreten, sodass wir der Auszählung der Stimmen in Elkê nicht mehr beiwohnen konnten. Insgesamt hatten wir den Eindruck, dass die Wahlen im Bezirk ähnlich der vorangegangenen formell korrekt abgelaufen sind und außer der großen Polizei- und Militärpräsenz keine Auffälligkeiten zu bemerken waren.

Besuchte Wahllokale und Kennziffern der Wahlurnen

Cumhuriyet Ilkokulu: 1001, 1002

Lise: 1003-1008

Atatürk Ilkokulu: 1009, 1010

Meydan Ilkokul: 1012, 1026, 1032, 1038, 1042, 1043, 1044

Çağlıca: 1027

Mezra Taşkıran Ilkokul: 1034

Mezra Ilkokul: 1035

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Bericht der WahlbeobachterInnen in Ebex (Çaldıran, Provinz. Wan/Van) und Bêgirî (Muradiye, Provinz. Wan/Van)

Wir waren im Norden von Van eingesetzt, in den Bezirken Bêgirî und Ebex. Bêgirî hat 58 000 EinwohnerInnen und ca. 28 000 Wahlberechtigte. In Bêgirî gab es 102 Wahllokale. In Ebex wohnen 31 000 Menschen und es gab 128 Wahllokale. Wir waren gerade im HDP-Büro in Bêgirî, als uns gesagt wurde, dass jetzt einige BezirkspolitikerInnen in ein Dorf fahren, aus dem Probleme gemeldet wurden. Unsere erste Station war daher das Dorf Acikyol im Bezirk Bêgirî. Angekommen vor dem Wahllokal konnten wir einen großen Auflauf an Menschen vor dem Lokal beobachten, die offensichtlich kurz vor einer gewalttätigen Auseinandersetzung standen. Kurz darauf begannen einzelne Personen auf andere. Ein AKP-Bezirksvorsitzender (in unserem Video im hellen Jackett mit Schnurrbart) schlug besonders zu. Insbesondere ein Journalist mit Kameraausrüstung von der Nachrichtenagentur Dicle Haber (DIHA) wurde angegangen. Von ihm erfuhren wir, was passiert war. Ein AKP-Anhänger wollte im Wahllokal für eine andere, abwesende Person wählen. Als der Wahlvorstand dies nicht zulassen wollte, begann anscheinend eine Auseinandersetzung, woraufhin der besagte AKP- Bezirksvorsitzende zum Wahllokal kam und sich einmischte und auch Personen tätlich angriff. Die mit uns angekommene HDP-Vertreterin versuchte, die Situation zu deeskalieren, ebenso wie die vor dem Wahllokal positionierten Soldaten. Doch der AKP-Politiker (Bezirksvorsitzender) ließ sich schwer beruhigen und baute sich bedrohlich vor ihr auf. Inzwischen war auch die HDP-Provinzabgeordnete Tugba Hezer eingetroffen. Nach circa zehn Minuten beruhigte sich die Lage. Die Soldaten räumten dennoch den Vorplatz. Wir wurden auch verwiesen und konnten das Lokal nicht mehr betreten.

Von dem Journalisten der DIHA, der während der Auseinandersetzung geschlagen wurde und dessen Kamera angegriffen wurde, erfuhren wir, dass er bei den Kommunalwahlen 2013 in einem benachbarten Dorf aufgrund von Angriffen vier Zähne verloren hatte. Er berichtete uns, dass JournalistInnen von kurdischen Medien sich nicht mehr ohne Presseausweis bewegen können.

Im Kreis Ebex waren wir mit dem HDP-Kreisvorsitzenden Ali Ihsantas unterwegs. Die Co-Vorsitzende Derya Gönul fiel vor einem Monat einer Verhaftungswelle gegen HDP-Abgeordnete zum Opfer und sitzt derzeit im Gefängnis in Ankara. Im Wahllokal in der Grundschule von Anittepe gingen wir zunächst in zwei Wahlräume, in denen Urnen und Kabinen standen, alles war okay. Im dritten Raum saß ein bewaffneter Polizist direkt neben der Wahlurne und den vier Wahlvorstandsmitgliedern der verschiedenen Parteien. Ein junger Mann wies ihn direkt nach unserem Eintreffen darauf hin, dass dies verboten sei. Der Polizist verließ daraufhin den Raum. Zwei breitschultrige Männer diskutierten daraufhin mit dem jungen Mann und sagten ihm, dass dies ein normaler Zustand sei, dass Polizisten in Wahlräumen sitzen. Nach unseren Informationen dürfen Polizisten im Dienst die Wahlräume nicht betreten.

In der Atatürk Ilkokulu in einem Dorf des Bezirks konnten wir draußen vor dem Wahllokal eine große Polizeipräsenz beobachten. Viele der Polizisten waren vermummt, weil, wie uns jemand erklärte, sie von der lokalen Bevölkerung nicht erkannt werden wollten.

Während auf dem Land vor allem Militär und Dorfschützer (kurucu) in und vor den Lokalen präsent waren, waren in städtischen Lokalen Polizisten vor dem Gebäude zu beobachten. Wir haben nichts beobachten können, das auf Bedrohungen durch PKK-KämpferInnen hindeutet – im Gegenteil: Gerade der Vorfall im Dorf Acikyol, bei dem ein AKP-Politiker einen gewalttätigen Mob aus Unterstützern seiner Partei gegen eine HDP-Vertreterin und einen Journalisten anführte, zeigt zumindest punktuelle Beeinträchtigung der Wahlen durch AKP-Mitglieder.

Gegen 16:20 gingen wir zum Landratsamt in Bêgirî, um die Stimmenzählung zu beobachten. Nachdem man uns nicht hineinlassen wollte, legten wir ein Papier von MdB Ulla Jelpke (LINKE) vor, das einem Juristen vorgelegt wurde. Nach zehn Minuten wurden wir informiert, dass wir per Telefon benachrichtigt würden, ob eine Beobachtung möglich sei. Gegen 17:30, nachdem wir bereits zurück nach Wan fahren wollten, wurden wir angerufen und uns mitgeteilt, dass eine Person kommen könne. Nachdem wir vor dem Tor fragten, ob eine weitere Person eintreten könne, die das gleiche Papier vorlegte, war die endgültige Antwort jedoch, dass nun keiner von beiden hinein dürfe, weil es schon zu voll sei.

Gleichzeitig kam ein neuer Bus voll Soldaten am Landratsamt an, ein Panzer postierte sich, und die Straße davor wurde mit Flatterband abgesperrt. Bei unserem ersten Besuch war der Zugang noch frei. Dies war eine Reaktion auf die Nachricht, dass die Wahllokale – nur im Osten der Türkei – eine Stunde früher schließen würden als im Westen. Somit wurde die Wahlbeteiligung kurzfristig beschnitten. Daher befürchtete die türkische Regierung möglicherweise Reaktionen der sich betrogen fühlenden Bevölkerung.

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Bericht der WahlbeobachterInnen in Westan (Gevaş; Provinz: Wan/Van)

Als wir am Wahltag in Westan um 9.30 ankommen, wird entschieden, dass wir zu erst in die Dörfer fahren. Das erste Dorf heißt Dokuzagac, dort werden wir von Gendarmen empfangen, die uns sagen, dass sie Anweisungen von ganz Oben haben, dass sie niemanden näher an das Gebäude als 100m ran lassen dürfen. Wir treffen auf HDP Vertreter, die uns sagen, auch sie werden nicht rein gelassen. Die Gendarmen telefonieren mit dem zuständigen Wahlrichter. Erst dann dürfen wir rein. Im Wahllokal selber steht der Bruder des AKP Vorsitzenden wichtig rum. Vor der Schule stehen neben sieben Gendarmen auch zwei Korucu (Dorfschützer).

Im nächsten Dorf (Iskele) wohnen nur 100 Leute, die Gendarmen kontrollieren unsere Ausweise und wollen unsere offiziellen Wahlbeobachtungsaufträge von einer Bundestagsabgeordneten und dem Republikanischen Anwältinnenverein erst nicht akzeptieren.

Fast vor jedem Wahllokal wollen sie uns zuerst nicht rein lassen, und wir müssen immer wieder unsere Personalausweise und Wahlbeobachtungsauftäge zeigen, dann telefonieren die Gendarmen mit dem Wahlrichter; erst nach seiner Anweisung lassen sie uns rein. Auch treffen wir vor jedem Wahllokal in den Dörfern auf Militär und Korucu.

In dem kleinen Dorf Göründü zum Beispiel befinden sich neben einem Gendarmen auch mindestens 10 Korucu vor dem Eingang der Schule, da es in Göründü selber keine Korucu gibt, wurden sie extra aus andern Dörfern hergeholt.

Auf dem Weg dorthin erfahren wir, dass das Dorf nebenan – Karkar – von Militär abgeriegelt ist. Niemand darf rein oder raus und Wahlmöglichkeiten gibt es auch nicht. In Hasbay kommen wir gerade an, als es eine Auseinandersetzung zwischen einem Gendarmen und der Bevölkerung gibt. Obwohl die Wahlleitung ihn etliche Male darauf hingewiesen hat, dass er keine Befugnis hat sich innerhalb des Gebäudes aufzuhalten, betritt der Gendarm immer wieder bewaffnet die Schule. ALLE Parteienvertreter teilen uns mit, dass sich das Militär die ganze Zeit einmischt und Druck auf sie ausübt und sich nicht um ihre Bitte kümmert, die Freiheit der Wahl zu respektieren.
Kurz darauf treffen der Gouverneur von Van und der zuständige Wahlrichter ein, weil der Gendarm ihn angerufen hat, dass unbefugte Personen die Schule betreten hätten (wir). Sie teilen uns aber mit, dass wir bleiben dürfen. Im letzten Dorf – Balaban – erklärt uns ein Begleiter, dass die dort anwesenden Korucu nicht freiwillig diesen Job machen, sondern von der AKP dazu gezwungen werden.
In der Stadt Westan selbst sind nicht mehr Gendarmen in den Schulen anwesend, dafür uniformierte Polizei. In sämtlichen Wahllokalen befindet sich die Polizei innerhalb der Schulgebäude. Teilweise auch innerhalb der Wahllokalen. In einem Wahllokal teilt uns die Wahlleiterin auf Nachfrage dazu mit, dass sie die Polizei um Hilfe bitten, die Menschen aus dem Wahllokal zu entfernen, wenn es zu voll wird.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass es der Bevölkerung von Westan weder auf dem Land noch in der Stadt möglich war, frei und unbeeinflusst ihre Stimme abzugeben. Die enorme (Para-)Militär- und Polizeipräsenz führt zu Einschüchterungen, die das Wahlrecht der Menschen stark beeinträchtigen.

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Bericht der WahlbeobachterInnen in Mikis (Bahçesaray, Provinz Wan/Van)

Bezirksbeschreibung:

Mikis ist ein 110km von Zentrum Vans entfernter Distrikt in den Bergen. Um in den entlegenen Distrikt in den Bergen zu kommen, muss man eine Passstraße überqueren, die bereits im November verschneit war. Erst kürzlich ist eine Straße fertiggestellt worden, die nun Mikis zuverlässig mit Van verbindet. Das Gebiet ist wenig besiedelt und dörflich organisiert. Uns wird von etwa 6000 Wahlberechtigten in diesem Gebiet berichtet, laut Ortsschild leben hier insgesamt 16.8000 Menschen, allerdings gibt es hier unterschiedliche Angaben. Gut 1/6 davon sind Pendler, die sich nur partiell in Mikis aufhalten. Insgesamt wurde in 36 Wahllokalen gewählt, welche auch hier, wie in der Türkei üblich, in Schulen eingerichtet wurden.

Zur Situation vor den Wahlen:

In einem HDP Büro im Zentrum Mikiss erhalten wir auf Nachfrage die Information, dass es seit dem ersten Wahlgang am 7.Juni.2015 keine Verletzte oder Tote gab, allerdings habe es eine immense Einschüchterung seitens der Polizei und dort stationierter Soldaten gegeben, die die Freiheit des Wahlkampfes enorm einschränkte, oder diesen gar unmöglich machte.

Beobachtungen am Wahltag:

Am Wahltag haben wir in der Zeit von 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr acht Schulen, insgesamt 15 der 36 Wahllokale besucht, zudem haben wir zwei Auszählungen (1023; 1022) beigewohnt. Dabei begleitete uns nach der dritten Schule ein Parlamentsabgeordneter der HDP.

Für alle von uns besuchten Wahllokale ist festzuhalten, dass wir nach Absprache mit dem/r Wahlvorsteher*in stets Zugang zum Wahllokal bekommen haben. Weiter waren diese frei von jeder Wahlwerbung, vor der Tür hingen Wähler*innenlisten frei zugänglich aus. Auch war jeder der Wahlräume mit einer durchsichtigen, versiegelten Urne, ein bis zwei regulären Wahlkabinen, sowie mit ausreichend Wahlzetteln und Umschlägen ausgestattet. Die Urnen, die mit einem roten Siegel auf weißer Pappe und schwarzen Stempel versiegelt sein sollten, waren fast immer mangelhaft. Auch haben wir nur in Ausnahmefällen zugeklebte Briefumschläge in den Urnen gesehen- die den Stimmzettel enthaltenen Briefumschläge waren meist offen. Zudem haben wir keine Schule besucht, die nicht in irgendeiner Form von bewaffneten Regierungskräften bewacht wurden.

Um begrifflich klar zu arbeiten, ist es notwendig die Autoritäten kurz zu differenzieren. Wir haben drei verschiedene Arten Bewaffneter vorgefunden: (1) Polizisten, erkennbar an ihren Uniformen mit Aufschrift, ausgestattet mit Pistolen und/ oder AKs ; (2) Korucu, von der Regierung eingesetzten „Dorfschützen“, weniger professionell ausgestattete Bewohner des jeweiligen Dorfes, die man als staatliche Bürgerwehr begrifflich fassen könnte; auch sie sind bewaffnet mit AKs; (3) Soldaten, professionell gekleidete Berufssoldaten mit Standartbewaffnung (dtl. G3); (4) Zivilpolizisten, in der Regel nur durch Walky-Talkys oder hervorscheinender Bewaffnung zu erkennen.

Zu den einzelnen Wahllokalen:

(1) Yukarı Narlica, ein Mikis vorgelagerter Weiler. Hier treffen wir auffallend viele Soldaten (etwa 10) und Koruçus (etwa 15) unmittelbar vor der Schule an.

(2) Halk Eğıtim Merkez (1023 | 1022), im Zentrum Mikiss. Hier sind etwa vier Polizisten vor der Schule versammelt, als diese die Schule betreten, geben sie allerdings ihre Waffe ab. Im Wahllokal 1022 ist die Urne mangelhaft versiegelt, es ist kein Stempel (der notwendiger Weise das Siegel komplettiert) zu erkennen.

(3) Ilçe Merkeyinde | Sinan Merkezi (1020 | 1021), vor dem Eingang empfangen uns 5 Polizisten, sowie ein Zivilpolizist. Mit uns geht ein mit einem Sturmgewehr bewaffneter Polizist in das Wahllokal. Auch hier ist der Siegelstempel nicht vorhanden.

(4) (1025 | 1026) In dieser Schule ist lediglich ein unauffälliger Zivilpolizist anwesend.

(5) Şişli Köyü Ilkokulu (1032), alles unauffällig.

(6) (1015), alles unauffällig

(7) Diğanyayıa Ilkokuulu (1013 | 1014), hier sind vier Soldaten, ein Koruçu unmittelbar vor der Tür, weitere sitzen im Umfeld. Zu den Wahllokalen: 1013 hat ein mangelhaftes Siegel, das von 1014 ist okay. Zwei der Soldaten, ausgestattet mit G3s folgen uns in den Flur der Schule um uns aus dem Wahllokal zu holen, hier werden sie von einem Anwesenden des Platzes verwiesen. Dieser Bitte kommen sie nicht nach, vielmehr notieren sie sich den Namen des sichtlich aufgeregten Mannes. Vor der Schule kommt es zu einer längeren Diskussion zwischen uns, speziell unserem kurdischen Begleiter und den Soldaten, sowie telefonisch zugeschaltet dem Kommandanten der Soldaten. Mit einem Regelheft ausgestattet beschwert sich einer der Soldaten über unsere Anwesenheit, wird aber schließlich auch von Seiten des Kommandanten beschwichtigt.

(8) Ulubeylı Ilkokulu (1033), hier stehen Soldaten unmittelbar im Eingang der Schule. Generell sind viele Uniformierte und Polizisten anwesend. Auch betreten Soldaten die Schule. Hier fehlt das weiße Zettelchen, welches sonst das Siegel komplettiert.

(9) Cevizlibelen Ilkokulu (1008 | 1007), etwa 100 Meter vor der Schule hängt ein kleines HDP-Fähnchen. Auch hier sind fünf Soldaten unmittelbar vor dem Schuleingang. Siegel und Stempel fallen etwas klein aus (1008).

Um 16:00 Uhr ist die Wahl beendet. Wir können der Auszählung in zwei Wahllokalen beiwohnen (Halk Eğıtim Merkez (1023 | 1022)).

1023: Bei der Auszählung tritt immer wieder ein bewaffneter Polizist in das Wahllokal. Hier sind ansonsten nur Zivilisten anwesend. Der Ablauf der Auszählung ist unauffällig, bis auf eine Unstimmigkeit bei den ungültigen Stimmen: Ein Wahlumschlag war mit zwei Stimmzetteln ausgestattet, wobei nur einer ausgefüllt war. Diese wurde gewertet, während die andere ungültig gemacht wurde.

1022: Bei der Auszählung waren insgesamt sieben zivile Personen (der Beobachter exklusive) und ein Polizist anwesend. Dieser saß mit einer Kalaschnikow bewaffnet neben der Urne. Er ist während der gesamten Auszählungszeit anwesend. Ansonsten war die Auszählung unauffällig.

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Bericht der WahlbeobachterInnen in Şax (Çatak, Provinz: Wan/Van)

Wir waren den ganzen Tag von ca. 8:30 bis 21 Uhr in der Provinz Şax unterwegs. Wir waren drei Personen aus Deutschland plus zwei lokale Menschen.

10:30 Sehit Seyvan Yavuz Ilkögretim Okulu

Wir beobachten eine bewaffnete Person im Eingang der Schule (ohne Uniform) und zwei Polizisten + gepanzertes Fahrzeug vor der Schule.

Als wir mit der Bürgermeisterin und ihren Begleiter das Schulgeländer verließen, funkte ein Polizist unser Nummernschild durch.

11:00 Akcabük Ilkokulu

Auf dem Weg zum nächsten Dorf sind ein Soldat am Wegrand, zwei Soldaten direkt vor der Schule und zwei lokale Dorfschützer im Dorf zu sehen. Im Wahllokal befanden sich sehr viele Menschen, die nicht zum Wählen da waren. Es herrscht keine Privatatmosphäre in den Wahllokalen (Menschen, die keine Funktion und auch nicht aufs Wählen warten, sind in dem Raum. Der Vorhang zur Wahlkabine wird nicht geschlossen).

11:24 Muhammed Saiden Aid Anadolulisesi

Wir wurden zu der Schule gerufen, weil es Probleme gab. Zusammen mit der Bürgermeisterin sind wir dann vor Ort erschienen. Die Polizei wollte eine Person festnehmen, dies konnte durch den Krisenstab der HDP und die Bürgermeisterin verhindert werden.

Von den Wahlvorsitzenden wurde auch ein Richter dazugerufen. Als wir ankamen, war der Richter bereits anwesend. Die Polizei hatte sich mit ihren Waffen, sowohl in den Fluren als auch in den Klassenzimmern der Schule aufgehalten. Uns wurde gesagt, dass dies von Personen bemängelt wurde. Daraufhin kam es zu Rangeleien und lautstarken Diskussionen und dem Versuch einer Festnahme. Der Polizeipräsident befand sich in der Schule, hat uns beim Gehen angehalten und wollte unsere Ausweise sehen.

Er hat uns u.a. die Fragen gestellt, wer wir seien, was wir hier machen würden und warum wir nicht in unserem eigenen Land Wahlbeobachtung sondern in der Türkei eine Wahlbeobachtung durchführen würden.

In unserer Mittagspause erreichte unsere Begleiter ein Anruf, wonach ein Richter entschieden hätte, dass wir keine weitere Wahlbeobachtung machen dürfen. Als Grund wurde angeführt, wir seien nicht unabhängig.

Daraufhin sind wir zum lokalen Gerichtsgebäude gegangen, um mit dem dortigen Richter zu reden. Wir wurden zum Warten aufgefordert. Wenig später kam der Polizeichef der Region dazu. Dieser hat uns unsere Pässe abgenommen und blieb dann eine halbe Stunde weg. Als er wieder kam, sagte er uns, dass der Richter nicht im Haus ist und wir in zwei Stunden wieder kommen sollen. Als wir dann wieder kamen, hatte der Richter immer noch keine Entscheidung getroffen, aber der Vorsitzende des Wahlkomitees erlaubte uns schließlich, wieder in eine Schule zur Auszählung zu gehen. Er wollte uns dann aber begleiten und hat uns in eine Schule gebracht, wo er uns dann alleine ließ.

16:00 Uhr Schule Auszählung

Auch hier befanden sich bewaffnete Polizisten in der Schule. Im Eingangsbereich der Schule saßen offensichtlich den ganzen Tag über zwei Polizisten und kontrollierten den Zugang zum Inneren des Gebäudes

Diese haben uns dort wieder gestoppt und wollten noch einmal unsere Papiere sehen, bevor sie uns dann rein ließen. Der Vorsitzende des Wahlkomitees war vor Ort. Zur Auszählung kamen dann zwei Polizisten mit ihren Waffen in das Lokal dazu und rechtfertigen ihre Anwesenheit damit, dass sie türkische Staatsbürger seien und damit teilnehmen dürfen. Auch vor der Auszählung tauchte ein Polizist mehrmals im Klassenzimmer auf. Während der Auszählung wurde mehrmals telefoniert.

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Bericht der WahlbeobachterInnen des Bezirks Rêya Ermûşê (Ipekyolu; Provinz Wan/Van)

Wir haben heute am Wahltag mehrere Wahllokale im Bezirk Ipekyolu in Van besucht. Bereits im ersten Lokal der Schule Zaferler Ilkokulu fiel uns auf, dass sich die Polizei zivil und uniformiert vermehrt vor und in dem Gebäude aufhielt. Auffällig dabei war, dass die Polizei vor jedem Wahllokal bzw. Wahlraum ihre Präsenz zeigte. Nach Rücksprache mit den Wahlhelfern wurde uns bestätigt, dass im Vergleich zu den letzten Wahlen am 07.06.2015 die Polizeipräsenz um das Doppelt- bis Dreifache zugenommen hätte. Diese Präsenz sollte vor allem die Wähler_innen einschüchtern. So kam es auch mancherorts dazu, dass diese sich direkt in den Eingang des Wahlraums stellten oder sich in diesem aufhielten. Des Weiteren gab es Präsenz von Cevik Kuvveti (bewaffnete Bereitschaftspolizisten) auf dem Gelände und zum Teil im Gebäude, obwohl sie diese nicht betreten dürfen. Auf dem Gelände der Wahllokale waren häufig Wasserwerfer und Panzerfahrzeuge positioniert.

An zwei Orten, Sehit Firat und Yalinagac Schule, hielten sich sogar schwer bewaffnete Gendarmerie (Spezial Einsatzkommando „Özel Harekat“) vor dem Gebäude auf, wobei sie auch nicht zurückschreckten dieses zu betreten.

Unsere Anwesenheit wurde auch nicht überall geduldet, sodass es teils dazu kam, dass wir das Wahllokal sofort wieder verlassen mussten. Zudem mussten wir uns häufig mit einem offiziellen Schreiben auszeichnen, um überhaupt die Wahlbeobachtung durchführen zu können. Während der Beobachtung bzw. des Besuchs der Wahllokale wurden wir des Öfteren durch Zivilpolizisten, meist unauffällig, begleitet bzw. beobachtet. Trotzdem hat unsere Präsenz dazu geführt, dass sich die Polizei zurückgezogen hat, was sogar so weit ging, dass diese den Wahlraum verließen.

Teils wurden auch die lokalen unabhängigen Wahlbeobachter nicht von der anwesenden Polizei anerkannt.

Im Wahllokal der Niyazi Türkmenoglu Schule wurde uns berichtet, dass zuvor der AKP Abgeordnete in Begleitung von 20 Cevik Kuvvet (Bereitschaftspolizisten) das Wahllokal besucht hätte, was wiederum zu Einschüchterungen der anderen Wähler_innen führte.

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Bericht der Wahlbeobachtungsgruppe im Wahlkreis Erdîş (Ercis, Provinz Wan/Van)

Wahlkreis Erdîş:

– 312 Urnen, mehrere Urnen pro Wahllokal
– HDP hat Kommunalwahlen gewonnen
– bei den letzten Wahlen in der Provinz hat die HDP 7, die AKP 1 Abgeordneten gestellt

Zusammenfassender Eindruck: Enorme Polizei- und Militärpräsenz in den Wahllokalen. Im Allgemein war die Militärpräsenz in der Provinz Van größer als in den Tagen zuvor. In vielen Orten wurde uns von Seiten der Bevölkerung zugetragen, dass diese Präsenz Teil des psychischen Drucks sei.

Beobachtungen in den Wahllokalen:

1. Wahllokal: Aselsan Ilkokulu Schule

Ein bewaffneter Polizist befindet sich in einem der Wahlräume.

2. Wahllokal: Hüsnü M. Üzyegin Ortaokulu Schule

Auf der Straße befindet sich 200 Meter vom Eingang der Schule entfernt ein Wasserwerfer.
Wahlurne 1289 (11Uhr05): nichts zu vermerken.

Vor der Schule fährt ein Militärfahrzeug mit Blaulicht vorbei. Dies interpretieren wir als psychologische Einschüchterungsmanöver.

3. Wahllokal: … Ilkögretim Okulu

Soldat mit Pistole im Foyer der Schule.
Wahlurne 1306: 40% bisherige Wahlbeteiligung bei dieser Wahlurne
Wahlurne 1309: nichts zu vermerken

4. Wahllokal: Salih Ölmiz Ilkögretim Okulu

100% HDP bei den letzten Wahlen in diesem Dorf, obwohl 40 Stimmen nicht gezählt wurden. Dies wurde von den Regierungsverantwortlichen veranlasst. Soldat mit Gewehr tritt aus der Schule heraus. 2 Soldaten im Eingang der Schule.

Wahlurne 1184: ein Mann und eine Frau verlassen zusammen die Wahlkabine. Auf unser Nachfragen erklärt der Wahlvorsitzende, dass die Frau nicht lesen kann.

5. Wahllokal: Kemal Okulu

Wahlurnen 1226, 1223 und 1227: 4 Polizisten mit Pistolen im Flur. Der HDP-Anwalt erhebt Einspruch gegen die Anwesenheit der Polizisten im Flur.

Wahlurne 1223: 80% bisherige Wahlbeteiligung

Wahlurne 1230: 70% bisherige Wahlbeteiligung. Einer der Wahlhelfer bemängelt,  dass zwei Mal Polizisten durch die offene Tür des Wahlzimmers die Wahlkabinen und die Wahlurnen immer wieder  beobachten.

6. Wahllokal: Yatili Bergi Ortaokulu

Wahlurne 1187: 70% bisherige Wahlbeteiligung

Wahlurne 1188: Unregelmäßigkeiten:
– Während im Wahlzimmer der Urne 1187 die Rückseite der Stimmzettel mit 2 Stempeln versehen war, gab es im Wahlzimmer der Urne 1188 nur einen Stempel.
– Nach dem Verlassen der Wahlkabine, wirft eine Wählerin ihren Umschlag in die Wahlurne ein und gibt den Stempel ab, unterschreibt allerdings nicht. Auf unser Nachfragen, behauptet der Wahlvorsitzende, dass sie bereits vor dem Betreten der Wahlkabine, als wir noch nicht im Wahlzimmer waren, unterschrieben hat.

7. Wahllokal: Kocapinar Medlaun Ortaokulu

2 mit Gewehren bewaffnete Soldaten sitzen vor der Schule. Im Flur sind 3 bewaffnete Soldaten.

Wahlurne 1179: 75% bisherige Wahlbeteiligung

Wahlurne 1181: 80% bisherige Wahlbeteiligung

Wahlurne 1180: Der HDP-Wahlhelfer berichtet, dass die Soldaten seit dem Morgen Auweiskontrollen der WählerInnen durchführen, obwohl das die Aufgabe des Wahlvorsitzenden und seiner Wahlhelfer ist. Auch dies dient als psychologisches Druckmittel.

8. Wahllokal: Anadoli Lisesi

5 mit Gewehren bewaffnete Soldaten: 2 neben dem Schulgebäude, 3 im Eingangsbereich.
Wahlurnen: 1175, 1176 und 1177: 70% bisherige Wahlbeteiligung.

Beobachtungen im Ercis Adalet Sarayi:

Nach dem Besuch der Wahlbüros, gehen wir zum Ercis Adalet Sarayi (Bezriksamt bzw. Kreisverwaltung). Dort werden alle in den Wahllokalen ausgezählten Stimmzettel nochmals ausgezählt. Den internationalen WahlbeobachterInnen wird der Zutritt verwehrt. Die Polizei fragt uns provokativ, warum wir aus Europa ihre Wahlen beobachten wollen. „Wir sollen uns in unseren eigenen Ländern um die Demokratie kümmern”, heißt es von der Polizei.

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Bericht aus Colemêrg (Hakkâri)

Die Wahllokale

– Şehit Selahattin Ilköğretin Okolu

– Haci Salih Şen Ortaokulu

– Türk Telekom Sosyal Bilimler Lisesi

– University

– 23 Nisan Ilköğretim Okulu

– Bay köyü (bei Hakkari)

In jedem Wahllokal gab es eine massive Polizeipräsenz, die überall vor den Türen der Wahlbüros postiert war, so dass sie immer einen direkten Blick auf die Wahlboards hatten. Auf Ansprache der jeweiligen Wahlleiter hin haben sie sich aber zumeist verständig gezeigt und die Posten so zur Seite gerückt, dass die Polzisten nicht mehr direkte Sicht hatten. Die meisten Wahlleiter fanden die Situation so okay, einige hatten aber deutliche Probleme mit der Polizeipräsenz, die in allen Fällen auch nicht die 15 Meter Entfernung eingehalten haben (weder zu den Wahlkommissionen noch zu den Gebäuden).

In der erstgenannten Schule fehlten in zwei Wahlbüros jeweils die zweite Wahlkabine, obwohl diese am Vorabend eingerichtet wurden. Der entsprechenden Wahlkommission zufolge gab es von der Regierung die Aussage, dass eine Kabine ausreichen würde. Die Wahlkommission befürchtete, dass so nicht alle Wähler an die Reihe kommen könnten und haben jeweils eine weitere Kabine improvisiert.

Die zweite Station war hinsichtlich der Polizeipräsenz besonders problematisch: Vor der Schule war ein Wasserwerfer mit laufendem Motor postiert, in der Schule wiederum viel Polizei, da es bei der letzten Wahl angeblich Angriffe von Kids aus der Nachbarschaft gab. Wähler und Anwohner konnten das nicht bestätigen. Außerdem kam ein AKP-Politiker ins Wahllokal, um unberechtigt mit den Wählern und der Wahlkommission zu sprechen.

Ebenso in der zweiten Schule gab es Berichte von Wählern, dass sie von der Polizei nach Ausweisen gefragt und fotografiert wurden. Ausweiskontrollen soll es auch in der viertgenannten Stelle gegeben haben.

Die Präsenz und Reaktionen der Polizei waren in innenstadtnahen Wahllokalen weniger stark und angespannt, in weiter entfernt liegenden, ärmeren Vierteln massiver und angespannter. Unsere Präsenz hat in vielen Fällen die Wahlkommissionsleiter und Wähler ermutigt, der Polizei gegenüber klarer aufzutreten, was die Missachtung ihrer Rechte anging. In einigen Fällen war die Polizei dann auch bereiter, darauf einzugehen. Wir hatten den Eindruck, dass auch unsere Besetzung mit drei Übersetzerinnen eher zu dieser Bereitschaft geführt hat.

In der Türk Telekom Sosyal Bilimler Lisesi wollte die Polizei unsere Ausweise kontrollieren, gab sich dann aber mit dem Parlamentsausweis eines Delegationsmitglieds zufrieden. Der Polizeieinsatzleiter behauptete, dass es eine YSK-Entscheidung gegeben hätte, dass die Polizisten das Wahlboard sehen sollen und weigerte sich deswegen als einzige Schule, die Polizisten von ihrer Stelle mit Blick in das Wahllokal zur Seite zu rücken, obwohl sich Wähler beschwerten, dass sie sich dadurch unter Druck gesetzt fühlen.

In Hakkari waren an zwei Schulen die gleichen Zivilpolizeifahrzeuge und mindestens ein identischer Zivilpolizist. Allgemein waren an den Schulen extrem viele Polizisten in zivil, die in einer Schule auch in ein Wahlbüro eindrangen.

Die Auszählungen der Stimmzettel waren transparent, jede und jeder Interessierte konnte sie ohne Behinderung mitverfolgen.

Fazit

Einige der Delegationsteilnehmer*nnen hatten den Eindruck, dass die Atmosphäre relativ entspannt war, andere erlebten eine unterschwellige Anspannung bei den Wahlkommissionen und bei den Wähler*innen. Es kam zu keiner offensiven Repression, aber die extreme Präsenz der Polizei in Uniform und in zivil hat alle Anwesenden stark beeindruckt und zum Teil erklärtermaßen unter Druck gesetzt. Die Präsenz von Wahlbeobachter*innen hat einige Wählende ermutigt, sich zu beschweren, was sonst vermutlich eher nicht geschehen wäre. Gleiches gilt für einige Wahlkommissionsleiter, die dann ihr Weisungsrecht gegenüber der Polizei durchgesetzt haben.

Wir standen unter Beobachtung und wurden teilweise verfolgt: Zwei der Delegationsmitglieder wurden bereits am Flughafen von Antalya von drei Zivilpolizisten kontrolliert und intensiv nach ihrem Reisezweck ausgefragt. Unsere Ausweise, Tickets und Parlamentsausweis wurden dabei abfotografiert. Außerdem waren auf dem Rückweg nach einer politischen Diskussion in einem Café plötzlich drei Zivilpolizisten vor Ort, was die Anwesenden bestätigten.

Insgesamt konnten wir unserer Arbeit nachgehen, die aber merklich unter repressiven Bedingungen stattfand. So hatten wir an vielen Stellen harte Diskussionen mit der Polizei, wurden aber ansonsten freundlich empfangen.

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Bericht aus Colemêrg-2 (Hakkâri)

Wir waren im Laufe des Tages in fünf Schulen mit ca. 20 Wahllokalen in der Stadt Hakkari sowie in je einer Schule in den Dörfern Canakle und Kirikdag in der Nähe von Hakkari unterwegs.

Zugang

Wir hatten generell freien Zugang zu allen Wahllokalen, die wir aufsuchen wollten, in allen Lokalen wurden wir freundlich begrüßt und alle unsere fragen wurden beantwortet. Nur am Abend wurde uns und einigen BürgerInnen von Hakkari zunächst der Zugang zum Anadolu Imam Hatip Gymnasium verwehrt, als wir dort an der Auszählung teilnehmen wollten. Erst nach einer längeren Auseinandersetzung mit Verweis auf die Gesetzeslage und die Ankündigung die internationalePresse zu informiereen, wurde uns und den BürgerInnen auch dort der Zugang gewährt.

Wir mussten nirgends unsere Personalien abgeben. Allerdings wurden wir in den Schulen (nicht aber in den Wahllokalen) meist von den örtlichen Polizeiführern begleitet.

Beobachtungen

Auffallend war die starke Präsenz von Polizei und Jandarma rund um die Wahllokale. Im Einzelnen haben wir beobachtet:

  • Ausweiskontrollen an der Einfahrt zum Schulhof, z.B in der Hakkari Mehmet Akif Ersoy Schule / Technisches Gymnasium. Wählende mussten vor dem Betreten der Schule ihre Ausweise vorzeigen und wurden zum Teil auch durchsucht. Uns wurde ein Beschluss der obersten Wahlbehörde vom 23. Oktober 2015 vorgelegt, demzufolge verdachtunabhängige Personenkontrollen um bestimmte Schulen herum zulässig seien. Die Vertreter der HDP kannten diesen Beschluss nicht, er soll auch weder im Internet veröffentlicht, noch von den örtlichen staatlichen Verantwortlichen veranlasst seien. In dieser Schule trug einer der Zivilpolizisten offen einen Ring der ihn als Anhänger der MHP (Graue Wölfe) auswies.
  • Wasserwerfer und mehrere gepanzerte Fahrzeuge standen direkt am Eingang zur obigen Schule.
  • Jandarma und Dorfschützer standen mit Sturmgewehren direkt am Schuleingang. Auf dem Schulhof zwei gepanzerte Fahrzeuge, eines davon mit Maschinengewehr Tränengasabschusseinrichtungen bestückt (Schule in Kirikdag: Sehit Yarbay Mesut Kuru Grund- und Mittelschule).
  • Polizisten direkt an den Türen von Wahllokalen, mit direktem Blick in die Wahllokale. Die Polizisten waren zum Teil offen bewaffnet (Pistolen). Der Abstand von 15 m zwischen dem Wahllokal und der Polizei, die das Wahlgesetz vorschreibt, wurden u.a. in der Atatürk Grund- und Hauptschule nicht eingehalten.
  • Auf dem Flur des Anadolu Gymnasiums wurden wir (sowie WählerInnen im Hintergrund) von der Polizei gefilmt. Erst nach energischer Intervention durch Jan van Aken wurde diese Aufnahme von der Polizei wieder gelöscht.
  • Teilweise wurden die Wahlen von VertreterInnen des hiesigen Menschenrechtsvereins IHD begleitet.

Diese Maßnahmen waren sehr unterschiedlich, an einigen Schulen konnten wir gar keine Verstöße bemerken, anderswo war die Präsenz der Sicherheitskräfte extrem.

Auf Nachfrage bestätigten einige (aber eher ein kleinerer Teil) der Wahlleiter, dass es vereinzelt Proteste von WählerInnen gab, die sich durch die Sicherheitskräfte bedroht oder eingeschüchtert fühlten.

Die von uns beobachtete Auszählung verlief regulär und ohne weitere Zwischenfälle und ohne Präsenz von Sicherheitskräften.

Die Ansprechpartner der Polizei waren bemerkenswert ausgebildet. Alle kamen NICHT aus Hakkari bzw. der Osttürkei und sprachen gut englisch. Einer war, wie er erklärte, sieben Jahre bei EUROPOL und bezeichnete sich als Chef der Conterguerilla.

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Bericht aus Çelê (Çukurca, Provinz Colêmerg/Hakkari)

Unsere Wahlbeobachtungsdelegation, bestehend aus 4 Personen in Begleitung von 2 Anwälten, erreichte gegen 11 Uhr ihren Einsatzort Çelê. In Çelê gab es 4 Wahllokale mit jeweils mehreren Wahlräumen. Wir konnten alle Räume besichtigen. Hinsichtlich der Urnen, Wahlkabinen und Tischaufstellung schienen die Vorgaben überall eingehalten worden zu sein.

Vor dem ersten, von uns besichtigten Wahllokal befanden sich ein Panzerwagen, ein Wasserwerfer und schwer bewaffnete Polizist*innen. Ein Wahlleiter berichtete uns aber, dass diese das Gebäude nicht betreten hätten. Es gäbe bislang keine Probleme. Zudem erfuhren wir, dass trotz Einladung an alle Parteien nur ein Vertreter der HDP gekommen sei. Vertreter*innen der anderen Parteien seien nicht erschienen, da sie sich ohnehin keine Stimmen aus diesem Wahllokal erwarten würden.

Auch vor dem nächsten Wahllokal hatten 2 Panzerwägen und mehrere schwer bewaffnete Polizist*innen Stellung bezogen. Als wir das Gebäude betraten, folgten uns einige von ihnen mit ihren Waffen. Laut Aussage der Wahlleiter gab es auch hier keinerlei Probleme. Zudem waren in jedem Raum Vertreter*innen aller 4 großen Parteien anwesend.

Wir erfuhren auf dem Weg zum dritten Wahllokal, dass die im Distrikt stationierten militärähnlichen Spezialkräfte der Polizei in Çelê zur Wahl registriert seien. Im dritten Wahllokal kamen deshalb hauptsächlich Polizist*innen zum Wählen. Uns wurde von Anwohner*innen (keine Polizist*innen) berichtet, dass es auf Grund der massiven Polizeipräsenz für sie sehr schwierig sei, dort wählen zu gehen. Wir konnten sehr viele uniformierte und bewaffnete Polizist*innen auf dem Vorhof und in den Gängen beobachten. Auch hier waren Panzerwägen vor Ort. Auf Nachfrage gaben die Wahlleiter an, es gäbe keine Probleme und die Polizist*innen würden genug Abstand halten. Es wurde kein Wert darauf gelegt, dass Handys oder Kameras vor dem Betreten der Wahlkabine abgegeben werden. Auch hier waren Vertreter*innen der 4 großen Parteien anwesend. Als wir das Wahllokal verließen, fuhr der örtliche Polizeikommandant in seinem Dienstwagen vor. Kurz bevor wir das nächste Wahllokal erreichten, passierte uns derselbe Wagen und hielt auf dem Hof. Wir schienen also verfolgt zu werden.

Auf dem Schulhof des letzten Wahllokals waren noch mehr Panzerwägen, die zeitweise direkt vor dem Eingang Stellung bezogen. Dort wurde uns berichtet, dass die Polizei am Morgen die Ausweise von Menschen, die das Wahllokal betreten wollten, kontrolliert hatte. Wieder hielten sich bewaffnete Polizist*innen auf den Gängen auf. Eine Wahlleiterin sagte uns, dass die Anwesenheit von bewaffneter Polizei auf den Gängen zwar gegen das Gesetz verstoße, aber in ihren Augen kein Problem darstelle, solange diese den Wahlraum nicht betreten würde. Ein weiterer Wahlleiter berichtete uns, dass am Morgen mehrere Polizist*innen unberechtigterweise versucht hätten ihre Stimme abzugeben. Auf der Wahlliste wäre vermerkt, dass diese nicht hier, sondern an ihrem Einsatzort wählen müssten. Ansonsten gab es in den Augen der Wahlleiter keine Unregelmäßigkeiten. Auch hier waren Mitglieder der 4 großen Parteien vertreten. Als wir den Polizeieinsatzleiter auf die massive Polizeipräsenz ansprachen, sagte er, dass dies zwar gegen das Gesetz verstoße, aber auf Grund der Sicherheitslage notwendig sei. Er leugnete die Präsenz von bewaffneter Polizei auf den an die Wahlräume angrenzenden Gängen, obwohl wir gegenteiliges beobachtet hatten. Als wir später wieder kamen, begegneten uns in seinem Beisein zwei bewaffnete Polizisten vor den Wahlräumen. Er sah darin kein Problem, da sie sich lediglich auf dem Weg in die Teeküche befänden. Auf unseren Hinweis wurden sie hinaus geschickt und bezogen auf dem Schulhof Stellung.

Zur Stimmauszählung gingen wir in das dritte Wahllokal, da uns berichtet worden war, dass es bei der letzten Wahl Unstimmigkeiten gegeben hätte (mehr abgegebene Stimmen als Wahlberechtigte). Wir waren bei der Auszählung in allen Räumen dieses Wahllokals präsent. Das Betreten der Wahlräume war durch mehrere, in den Türrahmen stehende, Polizist*innen nur unter Körperkontakt möglich. Bei der Auszählung selbst sind uns keine Unregelmäßigkeiten aufgefallen.

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Bericht aus Şemzînan (Şemdinli; Provinz: Colemêrg/Hakkâri)

Generelle und für alle aufgeführten Wahllokale gültigen Beobachtungen:

In allen Wahllokalen gab es Wahlkabinen mit Sichtschutz. Alle von uns gesehenen Wahlzettel waren aktuell. Die Sicherheitskräfte traten bewaffnet und martialisch auf. Sicherheitskräfte patroulierten mit Waffe im Anschlag durch die Flure und waren generell sehr nah am Wahlgeschehen dran und verhielten sich uns gegenüber passiv aggressiv bis einschüchternd.

08:45 Wahllokal Atatürk Grundschule

Ca. 16 mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten stehen vor dem Gebäude und in den Fluren der Schule. Auf Nachfragen antworteten die WahlhelferInnen, dass es keine Probleme gab. Wir beobachteten eine Frau und vermutlich ihren Ehemann, die gemeinsam in die Wahlkabine gegangen sind. Beim Verlassen der Schule wurden wir von der Polizei aufgehalten. Diese hat unsere Reisepässe abfotografiert. Beim Verlassen des Schulgeländes wurden wir ebenfalls von Polizisten fotografiert.

09:15 Wahllokal Sabri Özel Grundschule

Vor der Schule haben wir eine Wählerin befragt, ob sie sich sicher fühlt und sie antwortete, dass die Polizei sie stört und sie nachts kaum schlafen kann. Uns wurde berichtet, dass Polizisten vor Beginn der Wahlen die Räume kontrollierten. Bewaffnete Polizisten waren im Schulgebäude. Wir konnten mit dem Einsatzleiter der Polizei für dieses Gebäude sprechen und er sagte uns, dass Polizisten mindestens  15 Meter Abstand zu der Wahlurne einhalten müssen. Ebenfalls behauptete er für die Sicherheit verantwortlich zu sein. Polizisten patrouillierten durch die Gänge und blickten in die Wahlräume. Sie hielten den 15-Meter Abstand nicht ein. In den Fluren waren laufende Überwachungskameras. Vor der Schule haben wir mit Ahmet Budak, dem lokalem AKP Kandidaten, ein kurzes Gespräch führen können. Er sagte, dass es keine Probleme gäbe und er sich über unsere Anwesenheit freue.

10:00 Wahllokal Cumhuriyet Grundschule

Polizei ist vor und in dem Gebäude präsent. Die Polizisten (auch die Einsatzleitung) verweigerten ein Gespräch. In Gruppen (bis zu zehn Polizisten) liefen sie durch die Schule und patroulierten auch vor den Wahlräumen. Polizisten standen direkt vor den Wahlräumen, schauten hinein und hielten sich keinesfalls an die 15 Meter Abstand zur Wahlurne. Ein bewaffneter Polizist hat gewählt. Uns wurde berichtet, dass sich auch Polizisten in Zivil in der Schule aufhielten und Menschen befragten, wen sie wählen würden.

10:40 Wahllokal Mevlana Mesleki

Hier sind eniger Polizisten als in den vorherigen Lokalen zu sehen. Aber dennoch bemerken wir Polizisten im Eingangsbereich des Gebäudes, die sehr Dicht an den Wahlräumen und Urnen stehen.

11:10 Günyazi (Dorf bei Şemdinli)

Die Polizei steht vor dem Lokal. Als wir dort waren, waren keine Polizisten in dem Gebäude. Als wir in das Lokal kamen, waren nur sehr wenige Wählerinnen anwesend. Uns wurde erzählt, dass die Frauen bereits früher am Morgen gewählt haben. Auf Nachfrage berichtete uns eine Wahlhelferin, dass es Fälle gab, bei denen der Ehemann entschieden hat, was die Frau zu wählen hat.

11:40 Wahllokal Tekeli Grundschule

Polizei und Soldaten sind vor dem Schulgelände präsent. Zwei Soldaten sind vor dem Gebäude. Wir befragten eine Wählerin und sie sagte uns, dass die Sicherheitskräfte nicht im Gebäude waren. In Tekeli wählten auch ca. 260 Berufssoldaten.

14:30 Wahllokal Cumhuriyet Grundschule

Ständige Polizeipräsenz im Gebäude und vor den Wahlräumen. Weiterhin hielten sich die Polizisten nicht an den Abstand zu den Wahlräumen. In einem Wahlraum im obersten Stockwerk wurde von einem AKP Anhänger unsere Anwesenheit in Frage gestellt. Er behauptete, dass wir nutzlos seien, da die Türkei keine Wahlbeobachter bräuchte und eine offene Demokratie sei. Ebenfalls sagte er, dass wir uns nicht einmischen sollten, weil wir als Deutsche eine faschistische Vergangenheit hätten.

14:32 Wahllokal Sabri Özel Grundschule

Auch hier ist die Polizei im Schulgebäude präsent. Polizisten patroulieren durch die Flure und bleiben immer wieder vor den Wahlräumen stehen. In Raum 1006 wählten 2 Frauen in derselben Kabine. Uns wurde berichtet, dass in 1004 wurde eine Stimme offen abgegeben wurde, was zu einem Konflikt zwischen einer HDP Wahlhelferin und einem AKP Wahlhelfer darüber führte, ob diese Stimme gültig sei. Der Wahlhelferin wurde für nach der Wahl Gewalt angedroht.  Als in Raum 1005 mit dem Auszählen begonnen wurde, versuchten Polizisten die Öffentlichkeit aus den Fluren zu vertreiben. ‘Wenn das Wählen hier zu Ende ist, müsst ihr von hier verschwinden’, sagte einer der Polizisten zu uns. Ein Polizist stand in der Tür und versperrte Zuschauern den Sichtweg. Die Eingangstür im Erdgeschoss war kurzzeitig verschlossen, als wir runter gingen aber wieder geöffnet. Um 16:20 kam es zu einem kurzen Stromausfall. In Raum 1005 war ein Polizist vor Beginn der Auszählung im Wahlraum. Um 17:30 waren alle Auszählungen fertig. Ein Polizist sagte uns, dass die Polizisten im Westen der Türkei nicht mit Waffen und schusssicheren Westen bei den Wahlen auftreten würden. Da es sich hier jedoch um ein ‘terroristisches Territorium’ handele, sei dies hier notwendig. Im Vergleich zum Vormittag war in der Schule noch mehr Polizei anwesend. Diese ging auch mit den Stimmzetteln zur örtlichen Sammelstelle.

15:00 Wahllokal Mevlana Mesleki Mädchenschule

Es hielten sich weiter Polizisten im Eingangsbereich des Gebäudes auf. In dem Wahlraum mit der Boxnummer 1022 kam es auf Nachfrage zur Polizeipräsenz im Gebäude zu einem Streit zwischen einem AKP und einem HDP Anhänger.

16:10 Wahllokal Cumhuriyet Grundschule

Wir haben beobachtet, dass die Stimmzettel korrekt verlesen und gezählt wurden und bei jeder Wahlurne mindestens 8 WahlhelferInnen anwesend waren. Um 16:20 fiel für ca. 30 Sekunden der Strom aus. Im obersten Stockwerk hielten sich mindestens 15 Polizisten auf, die auch die Wahlräume beobachteten.