Berichte über Massenhinrichtung des türkischen Militärs in Nisebin

nisebin

Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 04.06.2016

Augenzeugen berichten gegenüber den Nachrichtenagenturen Dicle (DIHA) und JINHA von einem neuen Kriegsverbrechen des türkischen Militärs in der belagerten Stadt Nisebin (Nusaybin). Demnach sollen am 31. Mai mehr als 20 Menschen in der Nähe zur Grenze von Qamishlo hingerichtet und ihre Leichname anschließend verbrannt worden sein.

Wie übereinstimmende Augenzeugenberichte erklären, sollen die Opfer gegen 22 Uhr Ortszeit zunächst durch ein gepanzertes und vier normale Fahrzeuge in die Nähe des Friedhofs im Stadtteil „Yeni Mahalle“ gebracht worden sein.  Dort habe man die Menschen in drei Gruppen aufstellen lassen. Anschließend sollen noch ein weiteres gepanzertes und zwei zivile Fahrzeuge den Tatort erreicht haben. Als eines der zivilen Fahrzeuge eine kurze Zeit später den Tatort verließ, habe ein Erschießungskommando die Opfer alle ermordet.

Die Erschießung sei für die Zeugen klar erkennbar gewesen, weil eines der Fahrzeuge seine Scheinwerfer angelassen habe. Einer der anwesenden Polizisten soll anschließend den Fahrer des Fahrzeugs deswegen beschimpft haben.

Die Augenzeugen berichten weiter, dass nach der Erschießung die Leichname der Opfer aufeinandergestapelt und verbrannt worden seien. Eines der gepanzerten Fahrzeuge habe bis zum Morgengrauen am Tatort Wache gehalten, während die Insassen eines weiteren Militärfahrzeugs am Morgen des Folgetags die letzten Beweise der Tat niedergebrannt haben sollen.

Fall erinnert an Massenhinrichtungen aus den 90er Jahren

Der HDP Abgeordnete Ali Atalan berichtet gegenüber der Tageszeitung Özgür Gündem, dass er ebenfalls von Augenzeugen telefonisch über den Vorfall informiert worden sei. Atalan erklärte weiter: „Die Kriegsverbrechen der AKP werden nach Aufhebung der Ausgangssperre ans Tageslicht kommen. Hier sind paramilitärische Kräfte am Werk, die den Befehl erhalten haben, die Kurdinnen und Kurden auszulöschen. Nachdem sich die AKP und die Ergenekon-Strukturen des Tiefen Staates geeinigt haben, wurden die Einheiten von JITEM in die Region entsendet.“

Tatsächlich erinnern die Berichte der Augenzeugen an ähnliche Massenhinrichtungen des türkischen Staates in den 90er Jahren. So wurden 1993 im Bezirk Kerboran von Mêrdîn (Mardin) 13 Dorfbewohner außergerichtlich durch die türkische Gendarmarie hingerichtet. Der damals leitende Kommandant war ein gewisser Musa Çitil, welcher von der Verantwortung für dieses Massaker durch ein türkisches Gericht freigesprochen wurde. Çitil ist auch im gegenwärtigen Krieg für die türkische Gendarmarie in der Provinz Amed (Diyarbakir) aktiv. Mit seiner Einsetzung in der Region haben die Berichte über Massenhinrichtungen von kurdischen AktivistInnen wieder zugenommen.

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20 wehrlose Menschen in Nusaybin von türkischer Armee extralegal hingerichtet

Pressemitteilung von Martin Dolzer, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, 05.06.2016

In der Nacht des 31. Mai wurden in der Stadt Nusaybin an der türkisch-syrischen Grenze 20 Menschen von Soldaten erschossen und anschließend verbrannt.

Ein Augenzeuge berichtet, dass Soldaten in Panzerwagen vier Krankenwagen stoppten und 20 Menschen zwangen auszusteigen. Die wehrlosen Gefangenen wurden dann in drei Gruppen aufgeteilt und anschließend erschossen. Danach wurden die Leichen auf einen Haufen zusammengezogen und verbrannt. Als die Soldaten den Augenzeugen bemerkten, warfen sie Handgranaten in seine Nähe – der Augenzeuge konnte jedoch entkommen.

„Seit Monaten begehen Soldaten der türkischen Armee regelmäßig Kriegsverbrechen in den kurdischen Provinzen der Türkei. Immer wieder werden ZivilistInnen ohne Grund von Scharfschützen erschossen. In der Stadt Cizre wurden Anfang des Jahres mehr als 20 ZivilistInnen bei lebendigem Leib verbrannt, als Soldaten Benzin in einen Keller schütteten, in dem sich zehn Tage lang Verletzte aufgehalten hatten und es anzündeten. In mehreren Städten u.a. in Diyarbakir, Yüksekova und Sirnak wurden und werden Wohnhäuser mit Raketen und von Panzern beschossen. Mehr als 400 ZivilistInnen starben bisher, ganze Stadtteile wurden dem Erdboden gleich gemacht. All das und die jetzige extralegale Hinrichtung von 20 Menschen in Nusaybin darf nicht hingenommen werden. Es ist unerträglich und verantwortungslos, dass die Bundesregierung diese Verbrechen zulässt, die von der Regierung Erdogan zu verantworten sind. Anstatt den Flüchtlingsdeal aufrecht zu erhalten und die sicherheitspolitische sowie militärische Zusammenarbeit mit der Türkei sogar auszubauen, wäre notwendig die militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Regierung Erdogan solange einzustellen, bis die systematischen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen endlich aufhören“, erklärt Martin Dolzer, Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft.

„Solange jedoch geostrategische Aspekte im Mittelpunkt der bundesdeutschen Außenpolitik im Mittleren Osten stehen, wird der zunehmend despotisch agierende Staatspräsident Erdogan eher dazu ermuntert den Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung fortzusetzen, jegliche Opposition zu kriminalisieren und den Islamischen Staat weiter mit Waffen und Infrastruktur zu unterstützen“, so der Abgeordnete weiter.