PKK-Prozess Berlin: Kammergericht verurteilt Ali H. Doǧan zu 2 Jahren und 4 Monaten

azadi-transparent2AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland, 17. 03.2017

Seit 1996 wird am 18. März, dem „Tag der politischen Gefangenen“, zur Solidarität mit jenen Aktivist*innen aufgerufen, die wegen ihres politischen Engagements als „Terroristen“ kriminalisiert, strafrechtlich verfolgt und zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt werden.

Gegen einen von ihnen, Ali H. DOǦAN, hat das Kammergericht Berlin nach fünfmonatiger Verfahrensdauer heute eine Haftstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten verhängt. Damit blieb das Gericht fünf Monate unter der Forderung der Generalstaatsanwaltschaft.

Gegen dieses Urteil wird die Verteidigung Revision einlegen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Kurde in der Zeit von Juli 2014 bis Juli 2015 als Gebietsleiter Bremen bzw. Berlin für die in der BRD als terroristische Vereinigung im Ausland (§129b StGB) eingestufte Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) tätig gewesen sei.

Das Organisieren von Veranstaltungen oder Demonstrationen, die Vorbereitungen für kurdische Festivals, das Sammeln von Spenden und selbst seine Aktivitäten für die HDP anlässlich der Parlamentswahlen 2015 in der Türkei, wurden von der Anklage als Unterstützung des Terrorismus definiert, weil diese Tätigkeiten dazu dienen würden, den Zusammenhalt der Organisation zu festigen. Konkrete individuelle Straftaten müssen Angeklagten solcher Verfahren nicht zur Last gelegt werden.

Die Ermächtigung des Bundesjustizministeriums, generell vermeintliche Sektor- und Gebietsleiter sowie Deutschlandverantwortliche der PKK strafrechtlich verfolgen zu lassen, wurde bereits am 6. September 2011 erteilt und besteht – unabhängig von politischen Entwicklungen – bis heute fort.

Weil diese Entscheidung willkürlich und „ermessensfehlerhaft“ gewesen sei, das Erdoǧan-Regime in den vergangenen Monaten sein „wahres diktatorisches Gesicht“ gezeigt habe und die Türkei unter diesen Umständen kein taugliches Schutzobjekt des § 129b darstelle, hat die Verteidigung auch in diesem Prozess die Rücknahme dieser Verfolgungsermächtigung beantragt. Von Beginn an sei von falschen Einschätzungen hinsichtlich der tatsächlichen Ziele der PKK ausgegangen und die Hintergründe des bewaffneten Widerstands gegen Verfolgung und Unterdrückung nur unzureichend berücksichtigt worden.

Die strafrechtliche Terrorismusbekämpfung würde dazu missbraucht, Regime zu schützen, die – wie im Falle der Türkei – selbst rechtsstaatliche Mindestanforderungen nicht erfüllten und sich über Garantien der Menschenrechtskonventionen hinwegsetzten.

Um die Zusammenhänge des bewaffneten Kampfes zu verdeutlichen, hatte die Verteidigung den HDP-Abgeordneten Faysal Sariyildiz, der seit dem vergangenen Jahr in Deutschland lebt, als Zeugen benannt. In der Verhandlung am 3. Januar berichtete er über die grausamen Massaker, die türkische Sicherheitskräfte während der staatlich verhängten Ausgangssperren 2015 und 2016 an kurdischen Zivilisten in Cizre im Südosten des Landes begangen haben. Von seinen Schilderungen zeigte sich das Gericht zwar beeindruckt, doch hat es an der Entscheidung gegen Ali H. Doǧan letztlich nichts geändert. Der Senat konnte sich nicht einmal zur Aufhebung des Haftbefehls durchringen. Zu stark sind die politischen Vorgaben und Interessen.

Das AKP-Regime kann sich durch diese Verurteilung allerdings bestätigt und ermuntert fühlen, den Krieg gegen die kurdische Bevölkerung, ihre Repräsentant*innen und Institutionen fortzuführen und die Bundesregierung wird sie als „Beweis“ dafür anführen, dass die stereotypen Vorwürfe Erdoǧans, Deutschland würde nicht gegen die PKK vorgehen, unbegründet sind. Für diese perfide Logik steht auch der jüngste Erlass des Bundesinnenministers, das Verbot von Symbolen kurdischer Organisationen auf inzwischen 33 auszuweiten. Das kann nur als Provokation verstanden werden.

Die Politik der Bundesregierung ist heuchlerisch, parteiisch, verwerflich und wird auf dem Rücken der Kurdinnen und Kurden betrieben. Die Bundesregierung ist mitverantwortlich für eine Verschärfung der Konflikte.

Derzeit befinden sich 10 kurdische Aktivisten wegen des Vorwurfs der PKK-Mitgliedschaft in Untersuchungs- bzw. Strafhaft; aktuell wird in zwei Verfahren vor Staatsschutzsenaten der Oberlandesgerichte Hamburg und Stuttgart verhandelt.

Es ist höchste Zeit, diese Politik des Unrechts zu beenden. Das PKK-Betätigungsverbot muss aufgehoben, alle §129b-Verfahren eingestellt und die politischen Gefangenen freigelassen werden !