13 Tote bei Gefängnisaufstand in Urfa – Bau neuer Gefängnisse ist die falsche Antwort

GefangnissPressemitteilung

Ressort: Außenpolitik – Türkei

Aufgrund unwürdiger und menschenverachtender Haftbedingungen haben politische Gefangene am Wochenende im E-Typ-Gefängnis der in den kurdischen Provinzen der Türkei gelegenen Stadt Urfa ihre Zellen in Brand gesteckt. Dabei starben 13 Menschen, fünf wurden verletzt. Die Unruhen waren ausgebrochen, nachdem Wärter bei 40 Grad Hitze den Ventilator in einer Zelle für sechs Gefangene, in der sich 18 Personen befanden, abmontierten.

Auch am Montag protestierten Gefangene auf diese Weise in der gleichen Haftanstalt. Mindestens 14 Menschen wurden verletzt, einer davon schwer. In den Zellen minderjähriger Inhaftierter hatten diese ihre Betten in Brand gesetzt, heißt es dazu in den türkischen Medien. Eine große Menschenmenge, die vor dem Gefängnis demonstrierte, wurde von der türkischen Polizei mit Gasgranaten und Wasserwerfern angegriffen. Mittlerweile haben sich Inhaftierte in den Gefängnissen von Osmaniye, Adana und Antep den Protesten angeschlossen und ebenfalls Brände gelegt.

In der Türkei befinden sich momentan etwa 2 300 kurdische Kinder im Gefängnis. Viele von Ihnen wurden gefoltert und wie die Kinder in Pozanti immer wieder vergewaltigt (über die Zustände im Gefängnis von Pozanti berichteten sämtliche türkischen Medien). Zudem hat die AKP-Regierung seit 2009 mehr als 7 000 PolitikerInnen, MenschenrechtlerInnen, AnwältInnen und JournalistInnen inhaftieren lassen, darunter sechs ParlamentarierInnen und 33 BürgermeisterInnen. Seit Anfang Juni wurden erneut mehr als 300 kurdische PolitikerInnen wegen Meinungsäußerungen inhaftiert, darunter der Bürgermeister von Van, Bekir Kaya. Stadträtin Marion Padua hat Bekir Kaya in Van persönlich als einen Oberbürgermeister kennengelernt, der sich sehr für Frieden, Demokratie sowie für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Erdbebenopfer in der Region einegsetzt hat. Sie wird ihn im August in der Untersuchungshaft besuchen.

Der Mehrheit der Gefängnisinsassen wird seit Jahren eine angemessene medizinische Versorgung verweigert. Mehr als 50 Todkranke befinden sich ohne Aussicht auf adäquate medizinische Versorgung oder Entlassung in den Haftanstalten. Die Gefängnisse sind meist dreifach überbelegt. Zudem werden besonders politische Gefangene systematisch gefoltert und vergewaltigt. Unzählige Wärter, besonders jene, die in den kurdischen Provinzen des Landes tätig sind, erhielten eine „Ausbildung“ gemäß der „Panamaschule“, einer Schulung von Foltermethoden.

„Die Proteste in den Gefängnissen sind eine logische Konsequenz der unerträglichen Haftbedingungen für politische Gefangene und sämtliche Häftlinge in der Türkei. Eine mehr als dreifache Überbelegung, Menschenrechtsverletzungen und kontinuierliche Erniedrigungen wie in Urfa, sind in den Haftanstalten an der Tagesordnung. Um diese Zustände zu ändern, ist der Neubau von Gefängnissen, wie jetzt vom türkischen Justizminister vorgeschlagen, nicht die richtige Lösung. Es müssen vielmehr die mehr als 7 000 seit 2009 im Rahmen der KCK-Verfahren inhaftierten sowie sämtliche politischen Gefangenen sofort frei gelassen werden“, kommentiert Ulla Jelpke die Proteste.

„Die AKP-Regierung handelt seit ihrem Regierungsantritt 2002 unverantwortlich. Die Zahl der Gefängnisinsassen hat sich von ca. 59 000 im Jahr 2002 auf etwa 124 000 Anfang 2012 mehr als verdoppelt. Das ist, neben der Unfähigkeit, die kurdische Frage im Dialog zu lösen, ein deutliches Zeichen für die autoritäre und unsoziale Ausrichtung der türkischen Regierungspolitik. Dass Menschen so verzweifelt sind und ihre Zellen in Brand stecken, ist tragisch und ein Weckruf. Die zunehmenden Menschenrechtsverletzungen in- und außerhalb der Gefängnisse müssen ein Ende haben“, fordert Harald Weinberg.

„Statt der sozialen Ausgrenzung eines großen Teils der Bevölkerung und der Kriminalisierung jeglicher Opposition, wären reale Schritte zur Demokratisierung der Türkei, ein Friedensdialog zur Lösung der kurdischen Frage und die Anerkennung der Rechte sämtlicher religiöser und ethnischer Bevölkerungsgruppen notwendig. Zudem ist es ein unerträglicher Zustand, dass in den Gefängnissen gefoltert und vergewaltigt wird – und Wärter systematisch in Techniken dazu ausgebildet werden “, ergänzt Heidrun Dittrich.

Andrej Hunko erklärt: „Ich werde am 4. Juli nach Urfa fahren, um mir mit eigenen Augen ein Bild der Zustände in dem Gefängnis machen zu können und mit dort inhaftierten türkischen Mandatsträgern zu sprechen.“

Für Rückfragen stehen wir gerne unter der Tel. Nr. 0176 20705646 zur Verfügung

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